Die Aktionäre der STS Group hatten in den letzten Quartalen wenig Grund zur Freude. Rückläufige Umsätze und roten Zahlen haben Nutzfahrzeug-Systemlieferant für die Automobilindustrie zugesetzt. Doch nun scheint die viel zitierte Talsohle durchschritten. Der neue Vorstand Mathieu Purrey hat das Ruder herumgerissen und will auf den profitablen Wachstumspfad zurückkehren.
Neben dem Fokus auf die Kernkompetenzen setzt der Firmenlenker auf innovative Lösungen im Bereich der Megatrends Emissionsreduzierung, Digitalisierung und Transport. DER AKTIONÄR fragte nach.
DER AKTIONÄR: Herr Purrey, nach turbulenten Monaten scheint sich die STS Group AG operativ gefestigt zu haben. Was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt im Wesentlichen verändert?
Mathieu Purrey: In Kürze gesagt, haben wir die Gesellschaft auf die Herausforderungen der aktuellen Situation ausgerichtet. Wir haben den Ballast aus der Vergangenheit aufgeräumt, damit wir uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren können. Mein wesentlicher Fokus lag dabei darauf, den massiven Verlustbringer Business Unit Acoustics abzustoßen sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Business Units Plastics und Materials nachhaltig zu steigern.
Wie haben Sie es geschafft die Struktur innerhalb kurzer Zeit anzupassen und das Geschäft zu stärken?
Ich vertraue sehr stark auf die Eigenverantwortung der operativen Einheiten und Werke. Deshalb war aus meiner Sicht ein Meilenstein, die Holdingstruktur in Deutschland auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und den lokalen Einheiten speziell in Frankreich und Mexiko wieder volle Eigenverantwortung für ihr Geschäft zu geben. Rückblickend ist uns das sehr gut gelungen und die Monatsergebnisse September und Oktober sprechen hier eine eindeutig positive Sprache.
Anfang des Jahres hat die STS Group die Expansion in die USA bekanntgegeben. Wo stehen Sie hier in der Umsetzung?
Ich habe das Projekt nach meiner Ankunft auf den Prüfstand gestellt und wir haben in den vergangenen Wochen gemeinsam mit unserem Hauptkunden und den lokalen Stakeholdern das Projekt nachjustiert. Jetzt bin ich damit sehr zufrieden und auch die Verzögerung der Implementierung werden wir zusammen mit unserem Kunden in den Griff bekommen.
Ist die Expansion ein wesentlicher Schritt in Ihrer Neuausrichtung?
Sicherlich ist die Expansion ein Teil der Neuausrichtung und ein sehr guter Schritt in eine positive und profitable Zukunft. Allerdings sollten wir auch nicht vergessen, dass unsere operative Einheit in Frankreich im Jahr 2020 sehr hart an der Umsetzung von Verbesserungen gearbeitet hat, um das Geschäft weiter voranzubringen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Europa gestärkt aus der diesjährigen Krise kommen werden und unsere Kunden dies auch zu schätzen wissen. Hier schlägt künftig das operative Herz der STS Group.
Können Sie uns schon einen Einblick geben, was Sie für 2021 und 2022 für das Plastics- und Materials-Geschäft erwarten?
Wir befinden uns noch in den letzten Zügen der Budgetplanung und werden diese dann auch zeitnah und sehr transparent veröffentlichen. Persönlich erwarte ich eine Erholung im Jahr 2021, wofür wir bereits starke Anzeichen im Oktober und November sehen. Für unser Kerngeschäft in Europa erwarten wir eine Markterholung auf dem Niveau von Q3 und Q4 2020 und auch eine deutlich verbesserte Profitabilität. Die neue Ausrichtung und Fokussierung auf das Kerngeschäft und die aktuelle Budgetierung für 2021 mit weiteren, umfangreichen Maßnahmen zur nachhaltigen Steigerung der Profitabilität stimmen mich sehr zuversichtlich.
Sie interessieren sich für die Welt der heimischen Nebenwerte? Mit den kostenlosen Real-Depot News können Sie sich unverbindlich ein Bild von den vielseitigen Anlagemöglichkeiten im Small-Cap-Bereich machen. AKTIONÄR-Redakteur Michael Schröder schreibt Ihnen seine Einschätzung zu interessanten Investmentideen und aussichtsreichen Nebenwerten.
Kommen wir kurz zu Ihrer Business Unit China, wie läuft das Business im Corona-Jahr 2020 und was erwarten Sie für 2021?
China ist eine absolute Überraschung für mich. Selbstverständlich hatten wir insbesondere im ersten Quartal negative Auswirkungen der Pandemie, aber seit April läuft das Geschäft auf einem hohen Niveau. Die Business Unit China entwickelt sich prächtig und wir haben dort eine perfekte Nische besetzt. Wir haben bereits jetzt für das Geschäftsjahr 2020 eine Umsatzsteigerung von rund 80 Prozent auf rund 85 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr und eine operative EBITDA-Marge im Bereich von 20 Prozent erzielt. Für 2021 erwarten wir ein weiterhin hohes Niveau, entsprechend könnten wir das angestrebte Umsatzziel von 100 Millionen Euro für die Business Unit China schon früher erreichen als erwartet.
Wie sind Ihre weiteren Pläne für die STS Group? Sie haben bereits angedeutet, dass die Fokussierung auf Plastics und Materials liegt, mit dem operativen Herz in Frankreich?
Ich kann nur wiederholen, dass ich überzeugt davon bin, die Business Units Plastics und Materials deutlich nach vorne zu entwickeln und möglicherweise auch durch weitere Add-on-Akquisitionen auszubauen – dies ist die Basis, auf der ich die STS Group aufbauen möchte. China ist ein relativ autarkes Geschäft, das vom lokalen Management außerordentlich erfolgreich geführt wird. Ich sehe die Business Unit China überwiegend als Finanzanlage und weniger als operatives Asset, das intensive Betreuung aus Europa benötigt. Priorität hat daher für mich, jede mögliche Option zu prüfen, die zu einer Wertsteigerung für die STS Group und unsere Aktionäre beiträgt.
Ein gutes Stichwort: Kommen wir abschließend zum Kapitalmarkt und der Entwicklung Ihres Aktienkurses. Schauen Sie sich diesen denn noch an und was ist Ihre Strategie den Abwärtstrend der Aktie zu stoppen und umzukehren?
Selbstverständlich verfolge ich den STS-Aktienkurs – mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir müssen operativ liefern, um Werte für die STS Group AG zu schaffen, an denen wir unsere Aktionäre teilhaben lassen wollen. Lassen Sie mich der Einfachheit halber vier Punkte zusammenfassen: Erstens: Mit dem Verkauf der Business Unit Acoustics konnten wir in kurzer Zeit eine umfangreiche Restrukturierung abschließen, was unmittelbar zu einer verbesserten Profitabilität und einer Reduzierung der Nettoverschuldung führen wird. In den veröffentlichten Q3-Finanzzahlen trug die Business Units Acoustics noch mit einem operativen EBITDA von -5,3 Millionen Euro bei.
Und zweitens …
… haben wir mit den Business Units Plastics und Materials einen klaren Wachstums- und Profitabilitätspfad eingeschlagen – Ziel ist es, bis 2022 mit einer Rentabilität im höheren einstelligen Prozentbereich Marktstandard zu erreichen.
Die Punkte drei und vier lauten?
Zum einen sehen wir in den Business Units Plastics und Materials unsere optimale Basis, um organisch und anorganisch, durch strategische Zukäufe, zu wachsen. Zum anderen erreicht das autarke Geschäft in China Umsatz und Rentabilitätsziele, die wir in sichtbare Werte umwandeln müssen, von denen unsere Aktionäre profitieren können.
Zum Abschluss: Welches Fazit würden Sie gerne für das Jahr 2021 ziehen, wenn wir uns in genau einem Jahr wieder treffen würden?
Ich hoffe zwar, dass wir uns schon früher wieder begegnen, aber wenn wir so hart weiterarbeiten wie in den vergangenen Monaten, bin ich überzeugt, dass wir im Dezember 2021 rückblickend sagen können: „Die STS Group ist auf der Überholspur und konnte mit hoher Dynamik die Erwartungen ihrer Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre im Jahr 2021 erfüllen und hoffentlich sogar übererfüllen.“
Mathieu Purrey setzt bei der STS Group viele Hebel in Bewegung, um den Turnaround zu schaffen. Mit Blick auf die jüngste Entwicklung, scheinen die Maßnahmen erfolgreich zu sein. Risikobewusste Anleger können das aktuelle Kursniveau nutzen, um bei dem Hot-Stock mit einer limitierten Order auf ein nachhaltiges Comeback zu spekulieren – im operativen Geschäft und im Kursverlauf. Das Kursziel auf Sicht von zwölf Monaten lautet: 7,00 Euro.