Die Mensch und Maschine Software SE (MuM) erhöht zum 1.1.2019 ihre langjährige strategische Beteiligung an der SOFiSTiK AG von 13,3% auf 51%. „Das MuM-Segment Software mit Lösungen für CAM, Garten-/Landschafts- und Tiefbau sowie Elektrotechnik wird dadurch im Bereich BIM ideal ergänzt. BIM ist für uns schon jetzt ein starker Wachstumstreiber“, sagt MuM-CEO Adi Drotleff im Interview mit dem AKTIONÄR. Die SOFiSTiK-Einbringung in den MuM-Konzern erfolgt weitgehend per Aktientausch, wobei Gründer und Management mit 49% Anteil an Bord bleiben. Durch die Aufstockung der Beteiligung werden „sämtliche Konzern-Ertragskennziffern ab 2019 positiv beeinflusst“. Zudem bestätigt Adi Drotleff den optimistischen Ausblick, von einer Abschwächung der Nachfrage verspürt MuM aktuell noch nichts.
DER AKTIONÄR: Herr Drotleff, Mensch und Maschine erhöht zum 1.1.2019 seine langjährige strategische Beteiligung an der SOFiSTiK AG mit Sitz in Oberschleißheim bei München und Nürnberg von 13,3% auf 51%. Welche Expertise bringt SOFiSTiK in den MuM-Konzern ein?
Adi Drotleff: SOFiSTiK ist ein technologisch führender Anbieter von Statik- und Bewehrungs-Software für den Brücken-, Tunnel- und Hochbau mit beeindruckenden Referenzen in aller Welt: z. B. die BMW-Welt in München, die neue Brücke über den Bosporus und das Brasilia National Stadion, um nur drei von tausenden in über 30 Jahren mit Hilfe von SOFiSTiK-Software berechneten Bauprojekten zu nennen. Das MuM-Segment Software mit Lösungen für CAM, Garten-/Landschafts- und Tiefbau sowie Elektrotechnik wird dadurch im Bereich BIM ideal ergänzt.
Wie würden Sie einem Laien BIM erklären
BIM steht für Building Information Modeling beziehungsweise Management und stellt eine ganzheitliche Planungsmethode für den Architektur- und Baubereich dar, bei der alle Gewerke von Bauprojekten dreidimensional in einer Gebäudedatenbank geplant und verwaltet werden. Weil auch sämtliche Massen und sonstigen technischen Parameter in dieser Datenbank erfasst werden, ebenso wie auch der zeitliche Ablauf während der Bauphase, wird BIM auch manchmal 5D genannt. Mit BIM fallen Planabweichungen und Konflikte zwischen den Gewerken nicht erst auf der Baustelle auf, sondern schon früh in der Planungsphase. Das bietet hohe Potenziale für die Termin- und Budget-Treue von Bauprojekten, was zunehmend von allen Beteiligten im Baubereich erkannt wird.
Welche Bedeutung hat BIM bereits jetzt für MuM?
MuM bietet mit BIM-Ready ein Trainingskonzept für diese neue Methode an, das sich sehr hoher Nachfrage erfreut, und wir haben mit dem BIM-Booster eine Applikation entwickelt, die die weltweit führende BIM-Software Revit von unserem Lieferanten Autodesk auf die in unseren Märkten benötigten Standards bringt. Somit ist BIM für uns schon jetzt ein starker Wachstumstreiber.
Als strategischer Minderheitsaktionär ist MuM bereits 1999 bei SOFiSTiK eingestiegen. Wie sah die Zusammenarbeit in der Vergangenheit aus und wie wird sich diese ab 2019 gestalten?
Ähnlich wie unsere drei anderen Tochterfirmen im Software-Segment ist auch SOFiSTiK in einem hochspezialisierten Highend-Segment tätig und verfolgt ein Direktvertriebs-Konzept. Deshalb stehen hier für MuM nicht Cross-Selling-Effekte im Vordergrund, sondern wir haben diesen Firmen als eine Art Inkubator geholfen, ihre Profitabilität sehr deutlich zu verbessern. Daneben gab es mit SOFiSTiK punktuell Kooperationen im BIM-Bereich, wo wir auch in Zukunft das stärkste Potenzial für eine Zusammenarbeit sehen, die sich ab 2019 deutlich intensivieren wird. MuM hat mit Garten-/Landschafts- und Tiefbau sowie Elektrotechnik ja schon CAD-Lösungen für einige Gewerke im Bauwesen im Portfolio. Jetzt kommt noch Baustatik und Bewehrung dazu, außerdem bringt SOFiSTiK mit der Stärke im Brücken- und Tunnelbau auch wichtige Infrastruktur-Kompetenzen mit. Außerdem liefern ja sehr viele Industrieunternehmen in den Baubereich hinein, das umfasst von Fenstern und Türen über Aufzüge, Elektro- und Sanitärtechnik die gesamte Palette der technischen Gebäudeausstattung und vieles andere mehr. Hier ist MuM mit seiner Kompetenz sowohl im Bau- als auch im Industriebereich ganz hervorragend positioniert, während die meisten Mitbewerber ihren Schwerpunkt entweder im Bau- oder im Industriebereich haben, aber kaum fachübergreifendes Know-how bieten können.
Warum erhöhen Sie gerade jetzt die Beteiligung an SOFiSTiK?
Wir haben diese Möglichkeit vor fast 10 Jahren schon einmal diskutiert, aber damals waren die Geschäftsmodelle noch nicht kompatibel genug, zudem kam uns die Finanzkrise in die Quere. Jetzt haben Konzept und Bewertung optimal zusammengepasst – und auch für die beiden SOFiSTiK-Hauptgründer ist es ein gutes Szenario, da sie sich Ende nächsten Jahres ohnehin in den Aufsichtsrat zurückziehen und die operative Leitung in jüngere Hände geben wollen. Die gute Ergänzung im BIM-Bereich war eine zusätzliche Motivation, zumal die BIM-Welle in unseren wichtigsten Märkten gerade so richtig Fahrt aufgenommen hat.
Welche Umsatz- und Ergebniseffekte erwarten Sie durch die Aufstockung bei SOFiSTiK?
Sämtliche Konzern-Ertragskennziffern werden ab 2019 positiv beeinflusst – trotz der durch die Einbringung um rund 3 Prozent höheren Aktienanzahl sowie nach PPA-Abschreibungen dürfte dies auch für den Gewinn pro Aktie gelten. Detailliertere Erwartungen zum SOFiSTiK-Einfluss auf die künftigen Konzernzahlen werden wir voraussichtlich im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am 11. März 2019 bekanntgeben.
Die Übernahme erfolgt weitgehend per Aktientausch, d. h. die gesamte Aktienanzahl steigt um voraussichtlich etwa 3 %. Warum nehmen Sie diese Verwässerung Ihrer Anteile in Kauf?
Wir arbeiten seit über 15 Jahren mit dem Instrument Aktientausch. Die erste Übernahme dieser Art erfolgte 2002 mit unserem heute so erfolgreichen CAM-Geschäft, ebenso wurden die meisten Übernahmen beim Übergang von Distribution auf Systemhausgeschäft ab 2009 so abgewickelt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Als Käufer braucht man wenig bis gar kein Cash und die Verkäufer bleiben steuerfrei, solange sie ihre MuM-Aktien weiter halten – und sind hoch motiviert, weil sie über den Aktienkurs selbst vom Erfolg der Akquisition profitieren. Und wenn man bei der Bewertung auf dem Teppich bleibt, dann ist der positive Effekt unterm Strich höher als die Verwässerung, so dass letztlich alle Aktionäre gleichermaßen profitieren.
Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf 2019? Spüren Sie in einzelnen Kundensegmenten eine Abschwächung der Nachfrage oder zeichnet sich diese für das kommende Jahr ab?
Wir bleiben bei unserer Erwartung, das EBITDA pro Jahr um 4 bis 5 Mio. Euro zu erhöhen und den Gewinn pro Aktie in einer Bandbreite von 18 bis 24 Cents. Sollte sich die Nachfrage etwas abschwächen, wovon wir im Moment aber nichts spüren, dann werden wir über ein geringeres Kostenwachstum gegensteuern. Dass wir das können, haben wir ja 2017 gezeigt, als wir aus nur +3,7% Wachstum beim Rohertrag durch hohe Kostendisziplin einen EBITDA-Zuwachs von +14,5% und eine Nettogewinn-Steigerung von +30% machen konnten.
MuM war zuletzt sehr zurückhaltend, was das Thema Akquisitionen angeht. Welchen Stellenwert hat anorganisches Wachstum in Ihren weiteren Planungen?
Die SOFiSTiK-Übernahme ist und bleibt ein Solitär, bei dem wir nicht einmal nach außen gehen, sondern eine lange bestehende Beteiligung aufstocken. Ansonsten gilt weiterhin, dass wir gut organisch wachsen können und noch genügend Margenpotenzial haben, um auf Jahre hinaus überproportionales Ergebniswachstum darzustellen. Das geht am besten ohne neue Baustellen.
Herr Drotleff, vielen Dank für das Interview.