Die Analysten erwarten von Mercedes-Benz im Jahr 2024 nur ein minimales Umsatzplus von einem halben Prozent auf rund 153 Milliarden Euro. Der Gewinn soll sogar um rund zehn Prozent auf 11,68 Euro je Aktie zurückgehen. Dennoch sehen die Experten den Aktienkurs des DAX-Titels bis Ende nächsten Jahres im Schnitt um ein Viertel höher stehen.
Deutschlands Autobranche steht vor einem gewaltigen Umbruch. Doch der Umstieg zur E-Mobilität läuft schleppend. Die jüngst gestrichene staatliche Kaufprämie für E-Autos dürfte den Hochlauf weiter belasten. Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten und eine schwächelnde Konjunktur. Branchenkenner sehen Sand im Getriebe und rechnen mit einem anspruchsvollen kommenden Jahr.
Problem China: Die Position der Deutschen in China erodiere in dem Maße, wie der Wandel dort in Richtung E-Mobilität voranschreite, sagt Fabian Brandt von der Managementberatung Oliver Wyman. "Es ist wirklich alarmierend, wenn man sich anschaut, wie unterschiedlich die Branche beim Verbrenner und beim E- Auto performt", sagt Brandt. Die Branche müsse dringend handeln, wesentliche Hebel seien attraktive E-Fahrzeuge, deutliche Kostensenkungen und ein stärkerer Fokus auf die Markenpositionierung. In der heutigen Struktur sei das Geschäft der deutschen Hersteller ohne Erfolg in China nicht tragfähig.
"Abhängig von China"
Ein Abkoppeln von China würde die deutsche Autoindustrie nach Ansicht des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer langfristig sehr stark beschädigen. China sei der wichtigste Automarkt der Welt und das Innovationszentrum der Autoindustrie. "Die deutschen Autobauer sind abhängig von China und nicht umgekehrt", sagt Dudenhöffer.
Der Stuttgarter Autobauer Mercedes-Benz verkaufte zum Beispiel in den ersten drei Quartalen des Jahres mehr als ein Drittel seiner Autos in China. Beim Premium-Konkurrent BMW war es ebenfalls ein gutes Drittel. Volkswagen lag mit seiner Kernmarke sogar fast bei der Hälfte.
"Früher haben die Chinesen bei uns abgeschaut, jetzt müssen wir bei denen abschauen", sagt Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft. Die chinesischen Anbieter seien in der Entwicklung viel schneller. Die Deutschen ruhten sich zu sehr aus und "kommen nicht aus dem Quark". Sie müssten ihre Komfortzone verlassen, sagt Reindl. Dass deutsche Fahrzeuge weltweit zu den besten gehören, sei kein Grundgesetz.
Problem Kosten: Laut Fabian Brandt von der Managementberatung Oliver Wyman müssen die deutschen Hersteller ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten verbessern. Im aggressiven Preiswettbewerb brauche man mehr Handlungsspielraum. Demnach müssten die Kosten im Durchschnitt um mindestens 3.000 bis 4.000 Euro pro Fahrzeug gesenkt werden - bei E-Autos noch deutlich mehr.
Doch nach dem Aus für die E-Auto-Prämie steigen die Belastungen für die Unternehmen sogar noch. Mehrere Hersteller haben in dieser Woche angekündigt, den nun entfallenen staatlichen Anteil der Kaufprämie zumindest befristet zu übernehmen. Eigentlich wollte der Bund bis zum Jahresende eine Kaufprämie für Neuwagen von bis zu 4.500 Euro zu gewähren. Hinzu kam eine hälftige Zulage der Hersteller, also bis zu 2.250 Euro. Zum 1. Januar 2024 sollte die staatliche Prämie auf 3000 Euro gesenkt werden und dann Ende 2024 auslaufen.
In den vergangenen Jahren hätten die Hersteller trotz Krisenmodus gute Geschäfte gemacht, die sie abzusichern versuchten, sagt Brandt. "Starker Kostenfokus und Resilienz stehen häufig im Widerspruch zueinander." Statt nun aber bei der Beschaffung zu sparen, sollten die Hersteller vielmehr auch auf ihre Personalkosten achten und sich dort "verschlanken", rät Brandt.
UBS senkt das Kursziel
Vor wenigen Tagen hatten die Experten der UBS im Hinblick auf die Herausforderungen 2024 das Kursziel für Mercedes-Benz von 85 auf 78 Euro gesenkt, aber die Einstufung auf "Buy" belassen. In einer Ergebnis-Hochrechnung (Ebit-Bridge) für den Autosektor der Jahre 2023 und 2024 hat Analyst Patrick Hummel seine vorsichtige Prognose der globalen Absatzvolumina und seine negative Einschätzung des Preis-Mix berücksichtigt. Wachsende Preisnachlässe und schrumpfende Auftragsbücher seien in der EU und den USA bereits Realität. Für die Hersteller außer Porsche AG erwartet Hummel einen Ebit-Rückgang von 20 bis 25 Prozent im Jahresvergleich. Für die Zulieferer rechnet der Experte mit einem stagnierenden Trend. Nur die Reifenhersteller dürften von einem gesunden Nachfrage- und Nettopreisumfeld profitieren, was zu einem Ebit-Wachstum von 9 Prozent führen sollte, so Hummel.
Bernstein Research stuft dagegen die Aktie von Mercedes-Benz weiter auf "Outperform". Kursziel 85 Euro. Die Bilanzen europäischer Autobauer seien in robuster Verfassung, schrieb Analyst Daniel Roeska in einer Branchenstudie. Angesichts hoher Barmittelvorräte fordert er die Finanzchefs dazu auf, das Geld nicht zu horten und Aktionäre bei der Kapitalverteilung stärker zu berücksichtigen. Damit hätten sie eine echte Chance, die Bewertungen zu erhöhen.
Das Jahr 2024 wird für die Automobil-Hersteller sicherlich eine Herausforderung. Dabei ist Mercedes-Benz allerdings in einer besseren Ausgangsposition im Vergleich zu Volkswagen. VW ist im Massenmarkt einer deutlich stärkeren Konkurrenz ausgesetzt. Die innovativen chinesischen Hersteller rollen hier peu a peu ihre Stromer aus. Mercedes-Benz spielt im Luxus-Segment in einer anderen Liga.
Der Autobauer hat zudem gute Karten mit seiner MMA-Plattform auf der 2025 gefertigt wird. Mt Hilfe der Cell-to-Body-Technologie wird es möglich, weitere Kosten zu sparen. Auch der neue CLA sieht vielversprechend aus.
Charttechnisch hat sich die Aktie zuletzt von den Tiefs wieder deutlich gelöst. Dabei hatte sich einmal mehr die Range zwischen 52,50 Euro und 55,50 Euro als starke Unterstützungszone erwiesen. Bei 64,15 Euro lauert der nächste charttechnische Widerstand. Die Aktie ist eine Halteposition.
(Mit Material von dpa-AFX).