Bei der Lufthansa könnte es gerade in der Haupreisezeit des Jahres zu einem Arbeitskampf kommen. Die Atempause im Dauerkonflikt zwischen der Lufthansa und ihren rund 5.000 Stammpiloten hat nämlich nichts Greifbares gebracht. "Wir sind jetzt wieder in ganz normalen Tarifverhandlungen", heißt es. Die Aktie zeigt sich unbeeindruckt.
Die Streikwahrscheinlich ist damit deutlich gestiegen, obwohl VC-Tarifvorstand Marcel Gröls betont: "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ohne Streiks auskommen." Noch sind knapp drei Monate Zeit, bis zum Ende des Monats Juni die Friedenspflicht ausläuft. Die Partner haben Verhandlungstermine vereinbart, einen Stillstand der Tarifgespräche gibt es nicht. Klar ist aber, dass die VC ihre noch nicht öffentlich kommunizierten Forderungen hochtreiben wird, nachdem sie mit ihren Ideen zur strategischen Ausrichtung des größten Luftverkehrskonzerns Europas offenbar nicht durchgedrungen ist.
Mit der Einrichtung eines sogenannten geschlossenen Raums, aus dem tatsächlich nichts nach außen gedrungen ist, war die Lufthansa im Herbst ihren wichtigsten Angestellten weit entgegengekommen. Hier konnte vergleichsweise frei gesagt und diskutiert werden, was einer Gewerkschaft in öffentlicher Debatte sonst schnell als unzulässiges Tarifziel ausgelegt würde. So ist es der VC bereits einmal im Jahr 2015 gegangen, als das Landesarbeitsgericht Hessen einen Pilotenstreik wegen unzulässiger Ziele stoppte. Seitdem sind die Piloten in ihren öffentlichen Äußerungen extrem vorsichtig.
Offensichtlich bleibt, dass die VC ihren Einflussbereich bei der Lufthansa-Kerngesellschaft über den Konzerntarifvertrag (KTV) erhalten und für ihre Mitglieder gute Karrierechancen sichern will. Das funktioniert nur, wenn der Geltungsbereich des Tarifs nicht weiter zusammengedampft wird. In der Vergangenheit hatte sich die VC in einem Extra-Vertrag die Zahl von 325 Flugzeugen zusichern lassen, die ausschließlich mit KTV-Piloten besetzt werden durften. Nachdem Lufthansa in der Corona-Flaute diesen Vertrag gekündigt hatte, ist im "geschlossenen Raum" offenbar keine Nachfolgeregelung gefunden worden.
Konzernchef Carsten Spohr treibt nunmehr die Planungen für den neuen Flugbetrieb "City Airlines" wieder voran, der perspektivisch die Lufthansa-Zulieferflüge an die Drehkreuze Frankfurt und München übernehmen könnte. Der Kuchen der VC-Piloten würde kleiner, so dass eine bessere Bezahlung der Co-Piloten, die dann immer länger auf ihre Beförderung zum Kapitän warten müssten, eines der ersten Ziele der VC ist. Die Tarifkommission hat zudem zahlreiche Details zur Arbeitszeit auf die Agenda gesetzt, wie sie in einem Podcast erläuterte.
Die Lufthansa-Aktie gewinnt am letzten Tag der Karfreitag-Woche rund 1,5 Prozent auf 10,30 Euro. Nächstes Flugziel gen Norden wäre das Verlaufshoch vom 13. März bei 10,60 Euro. Danach rückt das 52-Wochen-Hoch bei 11,16 Euro ins Blickfeld. Nach unten sichern die psychologisch wichtige 10-Euro-Marke und der GD50 (aktuell: 9,90 Euro) ab.
Sommerstreiks sind noch weit entfernt, das scheint die Investoren derzeit nicht zu interessieren. Deshalb hat die Aktie gute Chancen – auch abhängig vom Gesamtmarkt – die 11-Euro-Marke wieder zurückzuerobern. Langfristig investierte Anleger haben jüngst einen Teil der seit September aufgelaufenen Gewinne mitgenommen und setzen mit dem vorhandenen Bestand auf wieder steigende Kurs. Dennoch: Die Aktie ist aktuell allerdings "nur" eine Halteposition, da für einen Neueinstieg ein frisches Kaufsignal fehlt.
(Mit Material von dpa-AFX)
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