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01.10.2021 ‧ Leon Müller

Unfreiwillige Abkehr von fossilen Brennstoffen: Das Brexit-Erbe von Farage

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"Sorry, out of use“ – es sind diese vier Worte, die Briten derzeit Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Direkt angebracht an den Zapfsäulen der Tankstellen sorgen sie für zunehmende Frustration. Und Wut. Immer öfter sorgen größere, von der Straße aus sichtbare Schilder mit dem Hinweis „no petrol“ dafür, dass Autofahrer gar nicht erst vom Gas gehen, sondern einfach weiterfahren. 

Neun von zehn Tankstellen in Großbritannien haben kein Benzin mehr, keinen Diesel, sind leer getankt. Krankenpfleger können keine Hausbesuche mehr machen, Lieferfahrer Pakete nicht ausliefern. Es droht der Verkehrs-Exitus. Inzwischen hat die Regierung unter Boris Johnson das Militär in Gang gebracht. Soldaten werden für die Auslieferung von Benzin geschult. Derweil erklärt Verkehrsminister Grant Shapps den Bürgern, sie sollten doch einfach für nur 20 Pfund tanken. Würden sie vermutlich sogar, aber was dann? Die Briten holt jetzt das Erbe von Farage ein. Nigel Farage war es, der den Briten eintrichterte, der Brexit werde das Land voranbringen. Mehr Freiheit, sichere Arbeitsplätze, stärkere Wirtschaft. Er war Gründungsmitglied der UK Independence Party und deren langjähriger Vorsitzender. Bis heute ist er das Gesicht der Brexit-Bewegung.

Jetzt gibt es keinen Sprit mehr auf der Insel. Hinzu kommt: 100.000 Lastkraftwagenfahrer fehlen. Den Verweis des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz auf die Bedeutung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für den Arbeitsmarkt innerhalb der Europäischen Union haben viele britische Medien als Affront aufgefasst. Dabei hat Scholz recht. Weil nicht wenige Lkw auf europäischen Straßen von Fahrern aus Rumänien, Bulgarien, Polen oder Ungarn bewegt werden, rollen die Lkw heute zwar weiter auf dem Festland, nicht aber im Vereinigten Königreich. Das Problem ist so raumgreifend, dass jetzt nicht mehr nur der Sprit fehlt, sondern mancherorts auch Regale in den Supermärkten leer bleiben. Der Brexit und mit ihm verbundene Versprechen, das alles wird jetzt zum Bumerang. 

Europas Politiker sollten in diesen Tagen daher genau über den Ärmelkanal blicken. Insbesondere jene mit Nationalisierungsbestrebungen. Die Folgen des Brexits legen offen, wie wichtig die Europäische Union, der gemeinsame Wirtschaftsraum, für die einzelnen Länder und die Versorgung der dort lebenden Bürger ist. Und die Bürger wiederum sollten die Versprechen ihrer Regierenden stärker hinterfragen. Denn auch das zeigt der Brexit: Viele der Ankündigungen der Befürworter von Farage bis Johnson haben sich nicht bewahrheitet. Etwa jene, das Gesundheitssystem werde sich massiv verbessern, weil durch die Nicht-Teilhabe am EU-Transfersystem mehr Geld zur Verfügung stünde.

Das Erbe von Farage spürt auch die London Stock Exchange. Lange galt die Börse dort als bedeutendster Finanzplatz Europas. Das war einmal. Sechs Milliarden Euro Volumen pro Tag fehlen nun. Bedeutendster Handelsplatz jetzt: Amsterdam. Dass es nicht Frankfurt geworden ist, sollte wiederum der deutschen Regierung und ihrem mangelnden Willen zur Reformierung des Kapitalmarktes zu denken geben. Nicht, dass es mit Blick auf die Börse in Frankfurt und ihren Bedeutungsverlust eines Tages heißt: „Sorry, out of use“

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