Der österreichische IoT-Technologiekonzern Kontron hat vor wenigen Tagen starke Zahlen für die ersten neun Monate im Geschäftsjahr 2023 vorgelegt. Das operative Ergebnis (EBITDA) kletterte bei einem Umsatzwachstum um 14 % auf knapp 861 Mio. Euro um rund 40 % auf 95,5 Mio. Euro. Das Konzernergebnis der ersten neun Monate hat sich auf 52,8 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Angesichts eines soliden und wachsenden Auftragsbestandes auf rund 1,7 Mrd. Euro blickt der Vorstand zuversichtlich in die Zukunft und hat die Gewinnprognose für 2023 deutlich angehoben. Im Interview mit DER AKTIONÄR gibt Vorstandschef Hannes Niederhauser einen Einblick in die Entwicklung nach der Neupositionierung und die Zukunft der neuen Kontron.
DER AKTIONÄR: Herr Niederhauser, Kontron hat bei 14 % Umsatzwachstum einen EBITDA-Anstieg von knapp 40 % geschafft und das Nettoergebnis auf knapp 53 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Woher kommt dieses Profitabilitätswachstum?
HANNES NIEDERHAUSER: Wie Sie sicherlich wissen, haben wir uns vor rund einem Jahr neu aufgestellt, um uns auf selbst entwickelte Automatisierungslösungen im Bereich Internet of Things zu fokussieren. Dafür haben wir unser IT-Service-Geschäft verkauft. Unser Ziel ist es, bis ins kommende Jahr die 387 Mio. Euro der verkauften IT-Service-Umsätze auszugleichen. Dies werden wir durch unser organisches Wachstum sowie gezielte Übernahmen realisieren. Damit einher geht ein margenstarkes Wachstum bei unserem Segment Software + Solutions, das nach unseren Planungen bis 2025 zum größten Segment im Kontron-Konzern wachsen und bis 2027 für mehr als 50 % der Umsätze stehen wird. Dieses Segment ist im dritten Quartal um 42 % im Jahresvergleich gewachsen und hebt mit Bruttomargen von rund 60 % mit zunehmendem Umsatzanteil die Margen im Gesamtkonzern. Hinzu kommen auch die bessere Komponentenverfügbarkeit und Preisanpassungen insbesondere im US-Markt, was zu einer insgesamt steigenden Profitabilität führt.
Können Sie uns einen Überblick geben, in welchen Segmenten es gut gelaufen ist und wo es gegebenenfalls etwas hakt?
Wie erwähnt hat der Bereich Software + Solutions mit 42 % Wachstum am besten abgeschnitten. Wir verzeichnen insgesamt eine starke Nachfrage im Transportwesen, zum Beispiel bei Hochgeschwindigkeitszügen und für unsere Software-Lösungen in unserem Kontron susietec®-. Wir sehen auch eine robuste Nachfrage im Luftfahrtbereich, auch wenn unser Segment Global, das diese Aktivitäten beinhaltet, wegen der Dollar-Schwäche und der gedämpften Nachfrage in China mit 7 % insgesamt leicht rückläufig war. Das Segment Europa entwickelte sich dank einer regen Nachfrage aus den Bereichen Smart Factories und Medizintechnik weiterhin gut mit rund 14 % Umsatzwachstum.
Dieses Bild zeichnet sich auch beim Auftragseingang ab, sind rezessive Tendenzen bei Kontron spürbar?
Von rezessiven Tendenzen können wir, wenn überhaupt, nur in Teilbereichen sprechen. Wir gehen davon aus, dass wir auch im vierten Quartal erneut ein Book-to-Bill-Verhältnis von über 1 haben werden, sodass unser Auftragsbestand weiter steigen wird. Wir sehen insbesondere in den Bereichen Transport, Luftfahrt, Verteidigung und Medizintechnik eine solide Nachfrage. Das Industriegeschäft, das im dritten Quartal noch stark war, erwarten wir aufgrund der von Ihnen angesprochenen konjunkturellen Unsicherheiten etwas schwächer. Das wird allerdings wiederum durch die höhere Durchdringung von 5G- und 6G-Technologien im Kommunikationsbereich ausgeglichen. Diese Entwicklung stimmt uns sehr zuversichtlich, da vor allem die margenstarken Segmente ein solides Wachstum zeigen, sodass wir eine weitere Steigerung der Brutto- und EBITDA-Marge erwarten. Mit einem aktuellen Auftragsbestand von 1,7 Mrd. Euro haben wir das für 2024 geplante Wachstum bereits weitgehend im Orderbuch, und wir sind entsprechend optimistisch, auch im nächsten Jahr dynamisch bei Umsatz- und Gewinn zu wachsen.
Einer ihrer größten Wettbewerber, Advantech, musste im dritten Quartal ein Umsatzminus von knapp 20 % verbuchen, während Kontron gewachsen ist. Ist das gleichbedeutend mit Marktanteilsgewinnen ihrerseits?
Wir blicken vor allem auf uns selbst. Der Markt, in dem wir aktiv sind, ist sehr fragmentiert, sodass wir sicherlich auch Marktanteile hinzugewinnen, wenn Wettbewerber schwächeln. Wir beobachten zunehmend einen Trend insbesondere bei den US-Kunden, weg von taiwanesischen oder chinesischen Lieferanten hin zu global breiter positionierten Vertretern, wovon wir profitieren. Wir haben uns im globalen IoT-Markt ein gutes Standing erarbeitet, was sich allein daran zeigt, dass große Tech-Konzerne wie Intel, Qualcomm, oder Nvidia die Zusammenarbeit mit uns verstärken. Unsere breite globale Positionierung hilft, zyklische Schwankungen oder regionale Schwächen wie aktuell in China gut kompensieren bzw. überkompensieren zu können. Zudem ist unser Fokus auf Wachstumsmärkte und unsere breite Branchenkompetenz ein Vorteil, der sich in der sehr erfolgreichen Geschäftsentwicklung bei Kontron widerspiegelt.
Sie verzeichneten im dritten Quartal einen operativen Cashflow von knapp 27 Mio. Euro bei knapp 35 Mio. Euro EBITDA, während es im Vorjahr nur 6 Mio. Euro waren, ist dieser Grad der Cash-Conversion nachhaltig oder von Sondereffekten geprägt?
Der Grad der Cash-Conversion geht in die Richtung, wie wir es uns vorstellen. Wir hatten eher im Vorjahr Sondereffekte im negativen Sinn, da wir aufgrund der bekannten Lieferkettenprobleme eine höhere Cash-Bindung durch einen höher als üblichen Lageraufbau hatten. Dieser Effekt hat sich in diesem Jahr wieder normalisiert. Unser Cashflow hätte sogar noch stärker ausfallen können, allerdings haben wir aufgrund des Zinsanstieges unsere Factoring-Aktivitäten zurückgefahren. Dieser Effekt macht in den zurückliegenden drei Quartalen rund 20 Mio. Euro aus. Insgesamt rechnen wir im laufenden Jahr mit 100 Mio. Euro beim Factoring bereinigtem operativen Cashflow. Unsere Liquiditätslage ist mit 292 Mio. Euro an liquiden Mitteln erstklassig, zudem bekommen wir in diesem und im nächsten Jahr noch 59 Mio. Euro an Restkaufpreiszahlung für das IT-Geschäft von Vinci.
Sie haben im laufenden Jahr bereits vier Akquisitionen getätigt, mit dem Angebot für Bsquare hat Kontron Nummer 5 angekündigt. Bei dieser gibt es vereinzelt Gegenwehr von Berufsklägern in den USA, mutmaßlich aufgrund des cash-bereinigt günstigen Kaufpreises. Erwarten Sie Verzögerungen bei dieser Transaktion?
Nein, das sieht man auch am Kurs, der mit 1,85 $ knapp unter unserem Übernahmeangebot von 1,90 $ notiert. Der Markt preist keine Nachbesserung oder ähnliches ein. Wir gehen davon aus, dass die Transaktion wie geplant im Laufe dieses Jahres umgesetzt wird.
Welche Perspektiven sehen Sie mit dem geplanten US-Zukauf?
Bsquare ist ein Softwarespezialist für vernetzte Geräte, also alles, was in das Umfeld IoT gehört und wird unseren Bereich Software & Solutions stärken. Vor allem versprechen wir uns damit einen zusätzlichen Kundenzugang in den USA unter anderem zu den bereits bestehenden Bsquare-Kunden wie Coca-Cola, Paccar, Honeywell oder Itron. Wir werden das Software-Angebot von Bsquare mit unserem susietec® Software zusammenführen und Bsquare nach erfolgreicher Übernahme mit unser Tochterfirma Kontron America verschmelzen. Für Kontron America erwarten wir in den nächsten drei Jahren eine Umsatzsteigerung auf über 200 Mio. Dollar, wovon gut ein Viertel aus der Übernahme resultiert.
Können Sie uns schon einen Ausblick auf das kommende Jahr geben, was ist umsatz- und ergebnisseitig machbar – analystenseitig wird ein Umsatz zwischen 1,3 und 1,4 Mrd. Euro erwartet und mehr als 1,30 Euro Gewinn je Aktie?
Wir geben unseren Jahresausblick traditionell im Januar. Daher bitte ich noch um etwas Geduld. Wie Sie an unserem Auftragsbestand sehen können, ist es keine Überraschung, wenn ich sage, dass wir weiter dynamisch wachsen werden. Das Thema IoT ist ein nachhaltiger Wachstumstrend, der unser Geschäft trägt. Insofern sind die genannten Analystenerwartungen ein guter Anhaltspunkt.
Das Thema IoT ist ein Wachstumsmarkt, der mit 15 % bis 20 % jährlich wächst, und Kontron ist mittendrin. Trendthemen wie KI beflügeln zusätzlich. Dank des gut gefüllten Orderbuchs mit 1,7 Mrd. € Auftragsbestand und eines Book-to-Bill-Ratios von 1,19, was ein Umsatzwachstum von rd. 19 % impliziert, rechnet DER AKTIONÄR 2024 mit einer Fortsetzung des Wachstums. Dem Ziel, bis 2025 inklusive Zukäufen auf 2 Mrd. € Umsatz und 140 Mio. € Nettogewinn zu kommen, sind die Österreicher ein gutes Stück nähergekommen. Das KGV sinkt vor diesem Hintergrund von aktuell 18 für 2023 auf unter 10 für 2025. Die Aktie ist zwar schon gut gelaufen in den letzten Wochen, aber noch nicht ausgereizt.