Die Gewinnwarnung hat gesessen. Störungen in den Lieferketten und deutlich gestiegene Kosten für Material, Energie und Logistik belasten Kion schwer. Der Logistikspezialist rechnet im dritten Quartal wegen gestiegener Kosten im Projektgeschäft überraschend mit einem Verlust. Auch der Gewinnausblick auf das Gesamtjahr enttäuscht. Die Aktie brach um 30 Prozent ein. Analysten senken den Daumen.
Kion war lange Zeit ein Profiteur der Corona-Krise. Das rasante Wachstum des Onlinehandels ließ viele Unternehmen reichlich Geld in den Ausbau und die Automatisierung ihrer Lagerhäuser und Lieferabläufe stecken. Dieser Trend ist zwar unberochen. Doch Kion hat ein Problem in der Warenhausautomation („Supply Chain Solutions“). Der Konzern bietet in diesem Bereich Lieferketten-Lösungen etwa in Form von Sortiersystemen und automatisierten Lagersystemen an. Es gilt als Zukunftsgeschäft des Konzerns.
Bei der Vertragsgestaltung der meist langfristig ausgelegten Projekte hat das Management allem Anschein nach Fehler gemacht bzw. das Ausmaß der Inflation falsch eingeschätzt. Die in den letzten Monaten deutlich gestiegenen Kosten könnten durch die Gestaltung der Verträge mit festen Preisen wohl nicht an die Kunden weitergegeben werden. Folge: Für dieses Geschäft werde ein operativer Verlust von bis zu 190 Millionen Euro erwartet. Die zur Verbesserung dieser Situation eingeleiteten Maßnahmen können ihre volle Wirkung aufgrund der Langfristigkeit des Projektgeschäfts erst zeitverzögert entfalten. Vor 2023 sei nicht mit merklichen Verbesserungen zu rechnen, so Fabian Semon von Oddo BHF. Der Analyst hat seine Einschätzung von "Outperform" auf "Neutral" heruntergesetzt und das Kursziel von 74 auf 39 Euro nahezu halbiert.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat die Einstufung für Kion auf "Sell" mit einem Kursziel von 40 Euro belassen. Der neue Ausblick des Gabelstapler-Herstellers liege deutlich unter den Markterwartungen, so Analyst William Turner. Bernstein Research hat die Einstufung nach der Gewinnwarnung auf "Underperform" mit einem Kursziel von 29 Euro belassen. Der Ausblick auf das Gesamtjahr liege mit Blick auf den Auftragseingang, die Profitabilität und die freien Barmittel deutlich unter den Erwartungen, so Analyst Nicholas Greene.
Im klassischen Geschäft mit Gabelstapler und Co laufen die Geschäfte dagegen im Rahmen der Erwartungen. Weitere Abstufungen von Seiten der Analysten dürften nach überarbeiteten Schätzungen in den kommenden Tagen trotzdem folgen. Spannend wird zudem, ob und wie Großationär Weichai Power auf die Entwicklung reagiert. Als größter Anteilseigner halten die Chinesen einen Anteil von knapp 41 Prozent. Ebenfalls im Fokus: Aufgrund des negativen Cashflows wird die Nettoverschuldung im dritten Quartal weiter spürbar ansteigen.
Die Aktie hat mit dem Kurseinbruch gestern zwar viel der negativen Entwicklung eingepreist und notiert mittlerweile deutlich unter dem Corona-Tief. Es dürfte dennoch noch eine Weile brauchen, bis sich die Aktie stabilisieren kann und das Vertrauen der Investoren in die Gesellschaft und das Management zurückkehrt – auch wenn der Vorstand dafür alle Hebel in Bewegung setzen wird.