Der Telematik-und Softwarespezialist IVU Traffic Technologies hat vor kurzem solide Zahlen für das Geschäftsjahr 2010 präsentiert. Im Hintergrundgespräch mit dem AKTIONÄR verrät Finanzchef Frank Kochanski, was von den Berlinern in Zukunft zu erwarten ist.
Das auf Telematik für den öffentlichen Nachverkehr spezialisierte Softwareunternehmen IVU Traffic Technologies konnte das Geschäftsjahr 2010 mit einem Umsatz von 39,1 Millionen Euro und einem EBIT von 2,6 Millionen Euro abschließen, was einem Plus von 24 Prozent entspricht. Die Berliner sind komplett schuldenfrei und sind mit einem Gewinn je Aktie 2011 von knapp 14 Cent obendrein günstig bewertet. DER AKTIONÄR hat bei Finanzvorstand Frank Kochanski nachgefasst.
Herr Kochanski, wie zufrieden sind Sie mit dem Jahr 2010, ist es entsprechend Ihren Prognosen gelaufen?
Frank Kochanski: Auch das Jahr 2010 war ein grundsolides Jahr für uns. Mit Kunden in Australien, Argentinien und Spanien konnten wir unsere Präsenz im Ausland weiter ausbauen und zeigen, dass deutsche Ingenieurskunst aus dem Hause IVU weltweit gefragt ist.
Wie muss der Anleger das Inlandsgeschäft im Vergleich zu Ihren Aktivitäten im Ausland beurteilen?
Unsere Projekte im Inland dienen vor allem der Produktentwicklung. Der öffentliche Verkehr in der Bundesrepublik ist flächendeckend auf einem hohen technischen Niveau, das weltweit Eindruck macht. Um diese Qualität nachhaltig zu sichern, sind ständige Weiter- und Neuentwicklungen grundlegend. Durch strukturelle Besonderheiten wie länderübergreifende Verkehrsverbünde und umfassende Tarifregeln sind die Anforderungen des ÖPNV in Deutschland sehr komplex. Dementsprechend anspruchsvoll sind auch die Funktionalitäten unserer IVU.suite-Module. Kunden im Ausland profitieren von diesem kontinuierlichen Fortschritt. Hier werden öffentliche Verkehrssysteme oft völlig neu aufgebaut. Mit den modernen Softwareprodukten der IVU.suite stehen diesen Kunden IT-Lösungen für alle Anforderungen zur Verfügung. Das Auslandsgeschäft ist dementsprechend margenstärker als das Geschäft im Inland.
Welche Projekte sind im Inland für die IVU besonders prestigeträchtig?
Uns freut besonders, dass die Cottbusverkehr GmbH und die Nahverkehrs Schwerin GmbH seit 2010 die komplette IVU.suite im Einsatz haben und damit ihren gesamten Betrieb mit den Softwarelösungen der IVU planen, steuern und optimieren. Diese Lizenzerweiterungen zeigen, dass die Qualität der IVU.suite-Produkte in allen Bereichen überzeugt. Und das sind gute Referenzen für uns. Wir sind zuversichtlich, dass weitere Verkehrsunternehmen diesem Beispiel folgen und für alle Aufgaben des täglichen Betriebs auf Produkte der IVU.suite vertrauen werden.
Die IVU hat in den letzten Monaten durch Großaufträge aus Südamerika auf sich aufmerksam gemacht. Wie läuft in diesem schwierigen Markt die Projektabwicklung?
In Kolumbien haben wir einen Auftrag von etwa 17 Millionen Euro erhalten und setzen diesen sukzessive um. Ende des Jahres 2009 wurden bereits die ersten rund 500 Busse in Cali mit unseren Bordcomputern IVU.box sowie den Systemen zur Fahrgastinformation im Bus und an den Haltestellen, IVU.realtime und IVU.journey, ausgestattet. Weitere Busse folgen. Voraussichtlich im 4. Quartal 2011 wird das Projekt abgewickelt sein.
Mit Cali ist uns der Einstieg in den südamerikanischen Markt erfolgreich gelungen, was auch der Folgeauftrag aus Argentinien im 3. Quartal 2010 bewiesen hat. In Buenos Aires werden 200 Busse des Unternehmens RosarioBus zukünftig mit IVU-Systemen geplant.
Die Projektabwicklung vor Ort unterliegt dabei den besonderen landestypischen Herausforderungen. So werden Aufträge von den Behörden stets an ein großes Konsortium vergeben, das die Abwicklung organisiert. Hier sind viele Abstimmungsprozesse notwendig, die zeitlich zu Verzögerungen führen können. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir auch unser Argentinien-Projekt planmäßig umsetzen können.
Was müssen sich Ihre Aktionäre unter dem Auftrag mit Europorte vorstellen?
Europorte ist für uns aus zweierlei Hinsicht strategisch bedeutend: Zum einen konnten wir mit IVU.rail erstmals im reinen Schienengüterverkehr überzeugen, der den besonderen logistischen Anforderungen des Frachtverkehrs unterliegt. Zum anderen haben wir mit diesem Auftrag eine wichtige Referenz auf dem französischen Markt gewonnen. Bei der Umlauf-, Fahr- und Dienstplanung sowie der Personaldisposition setzt das französische Cargo-Verkehrsunternehmen und Tochter der Eurotunnel Group zukünftig auf unsere Softwarelösung IVU.rail. Und wir sind überzeugt, dass andere Cargo-Unternehmen folgen werden.
Hat IVU genügend Ressourcen, um das Auslandsgeschäft von 54 Prozent (2009) noch weiter steigern zu können?
Die Aufträge aus Argentinien,Neuseeland und Australien haben gezeigt, dass sich die IVU international bereits einen Namen gemacht hat. Immer mehr Verkehrsunternehmen weltweit werden auf uns aufmerksam. Wir sind optimistisch, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und wir beim Auslandsgeschäft zukünftig zulegen können.
Mit einer Rekordzeit von nur 9 Monaten konnten Sie den Auftrag in Australien mit einem Volumen von rund 2,5 Millionen Euro Anfang Juli 2010 abschließen. Hilft Ihnen dies auch in anderen Märkten weiter?
Viele Städte in Australien stehen heute vor der Herausforderung, ihre über Jahre gewachsenen Verkehrssysteme zu modernisieren und auszubauen. Hier sehen wir großes Potential. Die erfolgreiche Projektausführung in Adelaide hat uns die Tür zu diesem Markt ein Stück weit geöffnet. Die IVU ist bekannter geworden und darauf versuchen wir momentan aufzubauen. Der Auftrag aus Auckland (Neuseeland) beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Sie sind auch im Nahen Osten mit einer eigenen Niederlassung vertreten. Welche Bedeutung hat der Markt in den Vereinigten Arabischen Emiraten für Ihr Unternehmen?
Wir sind bereits seit 10 Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten aktiv. Mit Aufträgen wie SAPTCO in Saudi Arabien und RTA in Dubai hat sich unser Engagement bereits ausgezahlt. Der arabische Markt ist ein interessanter Markt, den wir auch weiterhin verfolgen. Wie Sie ja der Presse entnehmen konnten, ist die wirtschaftliche Situation in den Emiraten angespannt. Mit einer Normalisierung kommt auch die Investitionsbereitschaft zurück. Daher richtet sich unser Hauptaugenmerk derzeit auf Südamerika.
Wie lange reichen Ihre Verlustvorträge noch bevor die Steuerzahlung beginnt?
Wir zahlen bereits Steuern. Die Verlustvorträge sorgen für eine reduzierte Steuerlast, von der wir noch die nächsten Jahre profitieren werden. Per Dezember 2009 weisen wir einen Verlustvortrag Körperschaftsteuer Inland über circa 48 Millionen Euro aus.
Zählt üstra immer noch zum Kreis Ihrer Aktionäre oder wurde dieser Aktienanteil komplett in den Freefloat abverkauft?
Nein, die üstra AG zählt nicht mehr zum Kreis der IVU-Aktionäre. Sie hat ihre Anteile Ende 2009 über die Börse komplett verkauft.
Herr Kochanski, vielen Dank für das Gespräch.