Die Marktkorrektur bläst auch grünen Technologien Wind ins Gesicht. Doch Tim Schumacher, Mitgründer des World Fund, sieht weiterhin Chancen. Der erfolgreiche Unternehmer und Investor erinnert sich jedoch an die Folgen der Dot.com-Crashes. Zudem spricht er im exklusiven Interview mit uns über das mögliche Comeback der Atomkraft.
Ich habe jüngst 70 kleine Fichten gepflanzt. Mit sauberen Händen gelingt dies per Wechsel von Google hin zu Deiner grünen Suchmaschinen-Alternative Ecosia. In wie vielen Tagen Websuche pflanzt ihr für einen Nutzer diese Menge?
Tim Schumacher: Jede Art von Baumpflanzen ist gut, gerade lokale Projekte! Mit Ecosia schafft man das, wenn man viel sucht (rund 10 Suchanfragen pro Tag), in einem Jahr. 150 Millionen Bäume wurden bereits von der Community gepflanzt.
Platzhirsch Google ist scheinbar uneinholbar. Wie schätzt Du die Chancen ein, dass eines Tages politisch oder gesellschaftlich ein solcher Megakonzern in ein neues Licht gerückt wird?
Nicht nur im Fall von Google, sondern auch im Fall von anderen (Tech-)Konzernen, die ihre Marktmacht missbrauchen, schauen insbesondere die europäischen Kartellbehörden immer genauer hin, und das ist gut so! Eine Aufspaltung wäre die ultima ratio, meines Erachtens unwahrscheinlich – aber auch viele andere Dinge, um Marktmissbrauch zu beenden, würden eine Menge bewirken.
Welchen börsennotierten Tech-Riesen würdest Du privat kaufen? Und welchen auf keinen Fall?
Apple würde ich kaufen, ein starkes Ökosystem, gute Werte, wie etwa ein Bekenntnis zum Datenschutz und zu Nutzerrechten.
Facebook/Meta würde ich nicht kaufen, da läuft zu viel schief und wie man an TikTok sieht, ist das nächste Social Network nur eine App entfernt.
Wie läuft der Start des World Fund?
Wir sind insgesamt sehr zufrieden, dass wir als Newcomer innerhalb kurzer Zeit bereits über 100 Millionen Euro eingesammelt haben. Aktuell ist die makroökonomische Lage natürlich schwieriger geworden, was auch das Fundraising kniffliger macht - auf der anderen Seite hat der Ukraine-Krieg nochmal gezeigt, wie wichtig es ist, sich energiepolitisch unabhängig zu machen. Und regenerative Energie ist ein großes Standbein bei uns, wo wir jetzt natürlich Rückenwind verspüren.
Wie lange könnte ein Branchen-„Winter“ aufgrund höherer Zinsen und Inflation anhalten?
Nach dem Dotcom-Crash 2001 habe ich mein erstes Unternehmen (Sedo.com) gegründet, und der "Winter" dauerte gut zwei Jahre. Dito die Finanzkrise 2008. Ich würde daher auch hier auf etwa zwei Jahre tippen.
Wie stark kann die „grüne“ Branche in den nächsten Jahren wachsen?
Unternehmen werden nicht trotz, sondern gerade wegen ihres ökologischen Impacts überaus skalierbar und profitabel: Konsumenten verlangen nach nachhaltigen Lösungen.
Langfristig wird der Preis für CO2 steigen, und die Einsparung von CO2 ist für mich damit heute schon ein ‘early predictor’ für langfristigen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.
Thema Energiewende. Du warst – wie ich – als Junge gegen Atomkraft und hast da gegeben demonstriert.
Mich hat eines zum Umdenken gebracht. Besorgte Klimawandel-Aktivisten fordern laut, „radikal“ zu denken und handeln. Was wäre radikaler, eigene Vorurteile zu ändern und statt auf Kohle zunächst auch auf Atom zu setzen?
Ja, ich bin nahe dem französischen Atomkraftwerk Fessenheim groß geworden, und habe als Kind als prägendes Ereignis Tschernobyl erlebt, wo wir wochenlang nicht draußen spielen durften. Mittlerweile glaube ich allerdings auch den Zahlen, die zeigen, dass die negativen Effekte durch den Klimawandel und die Luftverschmutzung durch Kohle & Co weitaus zahlreicher und schlimmer (aber deutlich weniger spektakulär) als die der Atomkraft sind. Von daher kann ich mich mit einem Weiterbetrieb der bestehenden Atomkraftwerke inzwischen absolut anfreunden, und den Atomausstieg sollten wir ein paar Jahre verschieben. Aber sollten wir neue Atomkraftwerke bauen? Definitiv nicht! Denn Sonne und Wind kombiniert mit intelligenten Speicher- und Steuerungssystemen ist schon heute die wirtschaftlich günstigste Energieform, die gilt es auszubauen.
Wie schätzt Du die Chancen für junge europäische Solar-Technologiefirmen ein, gegen die Großen eine Nische zu finden?
Ich rechne ihnen gute Chancen aus. Firmen wie MeyerBurger und TubeSolar sind fantastisch innovativ. Und wir bauen erfolgreich in Masse Autos und Maschinen in Deutschland, warum also nicht auch Solartechnologie?
Was wird sich bis 2030 geändert haben?
2030 ist es hoffentlich ein gutes Stück CO2-neutraler, mit besserer Energie, veganerem Essen und menschenfreundlicheren Transportmitteln als dem (Verbrenner-)Auto.
Die Multiples für Start-ups kamen zuletzt unter Druck. Siehst Du hier eine Trendwende oder wird der Einstieg über Jahre hinweg günstiger?
Ich glaube, dass die hohen Bewertungen gerade in 2020-2021 eine kleine Blase waren, und sich hier dauerhaft – bis zur nächsten Blase – wieder vernünftigere und fundamental besser zu rechtfertigende Bewertungen eingependelt haben.
Mehr zum Gesamtmarkt und möglichen Wunschkursen bei Tech-Giganzen wie Apple und Alphabet sehen Sie im neuen AKTIONÄR TV.
Hinweis: Das grüne Depot 2030 setzt auf Solartitel wie SMA Solar und Solaredge (+600 Prozent seit Erstkauf). Gerade wird ein Value-Titel mit LNG-Chancen ins TFA-Depot gekauft. Mehr dazu hier.
Hinweis auf Interessenskollision:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Apple, Alphabet, TubeSolar.