Das Unvorstellbare kann plötzlich Wirklichkeit werden: Frankreich will sich bei einer für Freitag angesetzten EU-Abstimmung offenbar gegen Deutschland stellen – ungeachtet der engen Partnerschaft beider Länder gegen eines der bedeutendsten Energie-Projekte Europas stimmen. Das Votum der Franzosen ändert für involvierte Unternehmen alles – allen voran für Gazprom. Aber auch Uniper, Shell und OMV wären betroffen. Jetzt ist Eile geboten.
Frankreich will sich im Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 einem Medienbericht zufolge überraschend gegen Deutschland stellen. Paris plane, bei einer für diesen Freitag angesetzten EU-Abstimmung, die für die Zukunft des umstrittenen Pipeline-Projekts entscheidend ist, gegen das Vorhaben zu votieren, berichtete die Süddeutsche Zeitung (Donnerstag) unter Berufung auf französische Regierungskreise. "Wir wollen nicht die Abhängigkeit von Russland verstärken und dabei noch den Interessen von EU-Ländern wie Polen und der Slowakei schaden", zitierte die Zeitung aus französischen Regierungskreisen. Weder in Paris noch in Brüssel gab es dafür zunächst eine Bestätigung.
Mit Nord Stream 2 soll russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland geliefert werden. Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine fürchtet, ihre milliardenschwere Rolle als Transitland für russisches Gas in die EU zu verlieren. Auch die USA sind gegen den Bau der Gaspipeline.
Paris würde mit der Ablehnung der Pipeline in Kauf nehmen, dass es zum Streit zwischen den beiden zentralen EU-Partnern kommt, deren Zusammenarbeit entscheidend ist für Europa, schrieb die Zeitung. Seit seinem Amtsantritt hatte Staatspräsident Emmanuel Macron stets die enge Partnerschaft mit Bundeskanzlerin Angela Merkel betont. "Wir stehen zu der Entscheidung", zitierte die Zeitung aus französischen Regierungskreisen. Nur wenn sich Macron noch persönlich einschalte, könne es zu einer Änderung der Position kommen.
Bei der Abstimmung am Freitag geht es der Zeitung zufolge um eine Revision der sogenannten Gas-Richtlinie. Deutschland will die Verordnung unbedingt verhindern. Die Europäische Kommission bekäme damit eine Handhabe gegen Nord Stream 2. Brüssel will mit der Richtlinie erreichen, dass die strengen Regeln für Pipelines innerhalb der EU auch für Gasleitungen außerhalb der Gemeinschaft gelten. So müssten etwa der Betrieb und die Erdgas-Belieferung der Pipelines strikt getrennt werden. Der russische Energieriese Gazprom hat bei Nord Stream 2 aber beides in der Hand.
Um eine Blockade der Pipeline zu verhindern, vertraute Berlin laut Süddeutsche Zeitung bisher auf Frankreich, damit eine von Berlin angestrebte Sperrminorität zustande kommt. Ohne Paris werde es für die Bundesregierung in der Abstimmung schwierig, ihren Willen durchzusetzen.
Jetzt ist also Eile geboten. Soll Nord Stream 2 nicht scheitern, muss Berlin alle (diplomatischen) Hebel in Bewegung setzen, die Franzosen doch noch von einer Ablehnung abzuhalten. Gelingt dies nicht, würde wohl allen voran der russische Gazprom-Konzern vor unerwartete Probleme gestellt werden. Aber auch die österreichische OMV hätte mit einem solchen Schlag zu kämpfen.
Mit Material von dpa-AFX
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