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EZB-Präsidentin Lagarde: "Sie hat gewagt, den Markt zu enttäuschen"

EZB-Präsidentin Lagarde:
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Thomas Bergmann 12.03.2020 Thomas Bergmann

Die Erwartungen an Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, waren gewaltig. Angesichts der Coronapandemie hatte der Markt eine Zinssenkung, eine Ausweitung der Anleihenkäufe und am besten noch einen Blankoscheck für alle gefordert. Doch die ehemalige Chefin des IWF hat den Investoren diesen Gefallen nicht getan, sie hat es gar nicht versucht. Sie hat stattdessen die Regierungen in die Pflicht genommen, die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus zu lindern – mit entschlossenem und koordiniertem Handeln. Hier die Statements von Experten zum jüngsten EZB-Entscheid.

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Christine Lagarde kann die (Finanz-)Welt nicht im Alleingang retten.

Ifo-Präsident Clemens Fuest:

"Die Beschlüsse der EZB weisen insgesamt in die richtige Richtung. Sie sind vor allem darauf ausgerichtet, krisenbedingt aufkommenden Liquiditätsproblemen bei Banken und kleinen und mittleren Unternehmen entgegenzuwirken. Die Ausdehnung der Anleihekäufe mit Konzentration auf Anleihen privater Emittenten kann dazu ebenso beitragen wie die Verbesserung der Konditionen des gezielten und langfristigen Programms für die Banken-Refinanzierung (TLTRO III)."

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank:

"Ich habe in der Vergangenheit nie gezögert, die Geldpolitik der EZB zu kritisieren. Aber heute muss ich sagen, dass ich Respekt vor der Entscheidung der EZB habe, ihre Leitzinsen nicht weiter zu senken – obwohl der Druck von Seiten der Finanzmärkte sicher hoch war. Anders als Draghi hat es Lagarde gewagt, den Markt zu enttäuschen. EZB-Präsidentin Lagarde sagte zurecht, dass die anderen heute beschlossenen Maßnahmen zielgerichteter seien."

Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter LBBW Research: 

"Das Paket war kleiner als gedacht. Der Markt hat enttäuscht reagiert. Aber wenn die EZB in dieser Situation die Leitzinsen nicht senkt, dann haben die Leitzinsen wirklich ihren Boden erreicht. (...) Die EZB wird möglicherweise noch vor dem nächsten Ratstreffen am 30. April nachbessern müssen. Wohlwissend, dass die Geldpolitik in dieser Situation eigentlich nichts ausrichtet – weder gegen das Virus noch gegen den Angebotsschock für die Unternehmen. Aber das letzte, was wir jetzt brauchen können, ist zu all dem auch noch eine Panik an den Finanzmärkten."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank: 

"Christine Lagarde hat sich ihre ersten Monate im Amt sicherlich anders vorgestellt. Das Coronavirus stellt die Französin vor ihre erste Feuertaufe. Das Arsenal der EZB ist aber nicht mehr allzu voll. So sehr sich die Notenbanken derzeit bemühen, ihr Scherflein zur Krisenbewältigung beizusteuern, noch niedrigere Zinsen und noch mehr Staatsanleihekäufe werden nur bedingt ökonomischen Nutzen haben. Es müssen jetzt die richtigen Instrumente benutzt werden. Christine Lagarde hat dies erkannt. Es ist richtig, dass die EZB mehr Unternehmensanleihen kaufen wird. Das hat tatsächlich einen direkten positiven Einfluss auf die Unternehmensfinanzierung. Die EZB setzt mit höheren Käufen von Unternehmensanleihen also an der richtigen Stelle an." 

Ralf Umlauf, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen: 

"In den letzten Tagen hat die Spekulation auf ein umfassendes Maßnahmenpaket der EZB zugenommen. Die unveränderten Zinsen sind eine Überraschung, denn die Geldmark-Futures hatten sogar mehr als eine Reduzierung um 10 Basispunkte eskomptiert. Die EZB ermöglicht aber durch die TLTRO III-Anpassungen eine günstigere Refinanzierung, sogar unterhalb des Einlagenzinses. Die EZB nimmt dadurch Verluste aufgrund von Refi-Operationen in Kauf. Dies ist unseres Erachtens ein Novum in der EZB-Geschichte und stellt die entscheidende, stimulierende Maßnahme in diesem Paket dar."

Jörg Zeuner, Chefvolkswirt Union Investment: 

"Christine Lagarde versteht es, in schwierigen Zeiten rasch und mutig zu handeln. Statt sich zu sinnlosen Zinssenkungen verleiten zu lassen, zielen die heute beschlossenen Maßnahmen darauf ab, die europäischen Unternehmen in der schwierigen Situation zu stützen. Das ist ein ermutigendes Zeichen und sollte helfen, ungewollte Zweitrundeneffekte zu vermeiden. (...) Die EZB hätte aber noch mehr tun können: Eine stärkere Risikoübernahme durch eine noch mutigere Erhöhung des Ankaufsprogramms wäre eine große Hilfe gewesen. Auf nachhaltig steigende Kurse kann man erst hoffen, wenn das Corona-Virus wirksam bekämpft werden kann."

Bernd Krampen, Analyst NordLB: 

"Christine Lagarde betonte auf der anschließenden Pressekonferenz die Notwendigkeit für ehrgeizige und koordinierte Reaktionen der Regierungen, um zeitnah und gezielt auf den Schock zu reagieren. Die Aktienmärkte hatten auf 'einfachere' Lösungen gehofft - die lieferte Lagarde nicht. Die Augen richten sich wieder auf Washington, von wo eine Orientierung herkommen müsste. Doch können Ausgabenprogramme das Virus bekämpfen? Am besten wäre jetzt ein ausreichend getestetes, wirksames Medikament! Bis dahin heißt es Hände waschen!" 

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank:

"Beim Coronavirus handelt es sich um einen Angebots- und Nachfrageschock, den die Notenbanken nicht wirklich beeinflussen können. Sie können globale Wertschöpfungsketten nicht retten oder heilen, und sie bringen auch keine Konsumenten in die Reisebüros, um Pauschalurlaube zu buchen. Es wäre grob vermessen, darauf zu setzen, dass Notenbanken aktuell mit ihrer Geldpolitik eine stabilisierende Wirkung auf Finanzmärkte und Wirtschaftsräume ausüben können. Das hat bereits die außerplanmäßige US-Leitzinssenkung vom 3. März gezeigt, die die gewünschte Wirkung völlig verfehlt hat. Das hat die EZB begriffen und ihre Leitzinsen heute unverändert gelassen. Dagegen verkündete sie ein Maßnahmenpaket, um den Banken und Unternehmern als Kreditnehmern unter die Arme zu greifen."

mit Material von dpa-AFX


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