Über viele Monate hinweg sorgten sich BASF und Evonik, ob man auch dauerhaft genügend Erdgas für den Betrieb der Anlagen in Deutschland und anderen europäischen Ländern haben werde. Doch laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW wäre die Gas-Versorgung in der EU selbst bei einem kompletten Einfuhrverbot von russischem Erdgas nicht gefährdet.
Und dies auch im Falle einer dauerhaft hoch bleibenden Gasnachfrage bis zum Jahr 2030, heißt es in der Studie, die der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag vorab vorlag. "Der Gasbedarf könnte durch Pipeline-Importe aus anderen Ländern und LNG ohne Ausbau der Infrastruktur in fast allen Szenarien gedeckt werden", schreiben die Autoren. Auch in sehr von russischem Erdgas abhängigen mittel- und osteuropäischen EU-Ländern wie Österreich und Ungarn könnte die Versorgung sichergestellt werden. "Die Versorgungssicherheit steht also weiteren EU-Sanktionen gegen Russland nicht im Weg", heißt es in der Untersuchung. Grundlage der Studie waren Modelle, die sowohl mit schnell als auch mit langsam sinkender Erdgasnachfrage rechneten.
Zwar importiere die EU nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nur noch ein Viertel der ursprünglichen Menge aus Russland. "Dennoch bleibt das Land Exporteur von Flüssigerdgas (LNG) nach Europa und hat auch noch einige Länder Mittel- und Osteuropas energiepolitisch im Griff." So deckt Russland EU-weit aktuell noch 14 Prozent der Erdgasnachfrage. "Doch Deutschland und Europa kämen in den kommenden Jahrzehnten auch ohne Importe aus Russland aus, selbst die stark von russischem Erdgas abhängigen Länder wie Österreich und Ungarn", erklärte Autorin Franziska Holz. In Österreich kamen im März 2024 nach Angaben des Bundesministeriums für Energie 93 Prozent der Gasimporte aus Russland, im Dezember 2023 sogar 98 Prozent.
Würde die EU doch noch Sanktionen gegen russisches Erdgas verhängen, würde die Lücke vor allem über Norwegen und die USA geschlossen, so die Studie weiter. "Aber auch Länder wie Algerien, Katar, Nigeria und Aserbaidschan würden den Wegfall des russischen Erdgases ersetzen - selbst dann, wenn die Nachfrage in der EU nicht so schnell wie geplant sinken würde."
Studienautor Christian von Hirschhausen betonte zudem: "Wenn die fünf Milliarden Kubikmeter LNG entfielen, die die EU derzeit pro Quartal noch aus Russland bezieht, könnten diese Importe aber in fast allen Szenarien ohne die derzeit in Planung befindlichen Ausbauten auskommen." Lediglich in einem Szenario müssten die vorhandenen LNG-Kapazitäten in der EU in Italien und Kroatien leicht erweitert werden. "Der derzeit geplante Ausbau an LNG-Importterminals ist stark überdimensioniert", meinte von Hirschhausen. Die europäische Energiewirtschaft steuere auf einen Erdgasausstieg zu, erklärte die Leiterin der DIW-Abteilung Energie, Claudia Kemfert. Der rasche Umstieg auf erneuerbare Energien sei nicht nur klimapolitisch sinnvoll. "Er trägt auch maßgeblich dazu bei, bestehende Importabhängigkeiten und damit die vermeintliche Erpressbarkeit einiger europäischer Staaten zu verringern."
Die Studie belegt einmal mehr, dass die ganz großen Sorgen um die Versorgungssicherheit mit Erdgas mittlerweile der Vergangenheit angehören. Wichtig für die weitere Kursentwicklung von BASF und Evonik wäre nun vor allem, dass die Weltwirtschaft wieder richtig Fahrt aufnimmt. Geschieht dies, dürfte es mit den beiden Chemietiteln deutlich nach oben gehen. Mutige können bei den günstig bewerteten Dividendenperlen zugreifen. Bei BASF sollte der Stoppkurs bei 39,00 Euro belassen werden, bei Evonik weiterhin bei 16,00 Euro.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: BASF.
Mit Material von dpa-AFX