Die energie-intensiven Chemieproduzenten Covestro, Lanxess und Evonik hoffen auf eine Entlastung bei den Stromkosten. Doch bisher stellen sich die FDP und Kanzler Scholz gegen einen Industriestromreis. Die SPD-Fraktion strebt nun noch im Oktober eine Einigung der Ampel-Koalition auf Maßnahmen zur Senkung der Industriestrompreise an.
"Wir brauchen zügig eine wirksame Strompreisbrücke, insbesondere für energieintensive Betriebe. Es geht darum, industrielle Wertschöpfung und Innovation in Deutschland zu halten", sagte Fraktionsvize Achim Post der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Donnerstag). Dafür seien zeitnahe, klare und verlässliche Beschlüsse nötig. "Die Gespräche dazu in der Regierung und den Ampel-Fraktionen laufen und ich erwarte, dass im Verlaufe dieses Monats eine Lösung steht", sagte er.
Es müssten "gezielte Subventionen mit sinnvollen steuerlichen Anreizen" verbunden werden. "Dazu gehört für mich als ein Element auch ein Industriestrompreis, der zielgerichtet mit Transformationsanreizen verbunden werden sollte." Offen zeigte sich Post auch für den Vorschlag aus der FDP, Lieferverträge zwischen der Industrie und Ökostrom-Anbietern besonders zu fördern
In der vergangenen Woche hatten sich die Energieminister der Länder bei ihrer Herbsttagung in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) einstimmig für einen günstigen Industriestrompreis ausgesprochen. Die hohen Energiekosten für Unternehmen und private Haushalte blieben eine Herausforderung, sagte Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) am Donnerstag zum Abschluss der Konferenz.
Die Energieminister der Bundesländer hätten sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass die Bundesregierung zeitnah und ohne bürokratischen Aufwand einen wettbewerbsfähigen Industrie- oder Brückenstrompreis für Unternehmen umsetzen soll. Darüber hinaus soll die Bundesregierung Vorschläge zur Reduzierung etwa der Stromsteuer machen. Es gehe darum, sowohl Industrie als auch Privatpersonen bei den Strompreisen zu entlasten.
Auch von anderen Branchen wird Druck gemacht. So protestierten wegen der hohen Strompreise in der Vorwoche in Bremen mehrere Hundert Beschäftigte der Stahlindustrie für eine Entlastung von Unternehmen. Nach Angaben des Stahlkonzerns ArcelorMittal versammelten sich am Donnerstag Beschäftigte des Unternehmens und von Partnerfirmen, um für die Einführung eines günstigeren Strompreises, wie aus einer Mitteilung hervorgeht.
Die Polizei sprach von etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Zu der Versammlung hatten IG Metall und ArcelorMittal aufgerufen.
"Wir benötigen dringend einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis, um die Phase der Transformation zu bewältigen, in der wir auf klimaneutrale Stahlproduktion umstellen wollen", forderte Michael Hehemann, Vorstandsmitglied von ArcelorMittal Bremen.
Auch Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) warb für den Industriestrompreis, auch Brückenstrompreis genannt. "Die Bundesregierung muss den Industriestrompreis umsetzen, wenn der Standort der Hütte gesichert werden soll", sagte er laut einer Mitteilung der Senatspressestelle.
Sollte ein Industriestrompreis eingeführt werden, könnte das den Aktienkursen von Lanxess, Covestro und Evonik einen Schub verleihen. Ansonsten ist die Lage angesichts der anhaltend schwachen Entwicklung der Weltkonjunktur relativ trist. Trotz der im historischen Vergleich sehr günstigen Bewertung drängt sich daher vorerst kein Kauf der Aktien von Evonik oder Lanxess auf. Wer die MDAX-Titel im Depot hat, sollte die Stoppkurse bei 15,00 Euro (Evonik) beziehungsweise 22,00 Euro (Lanxess) im Auge behalten.
Mit Material von dpa-AFX