Die Erholung der Autobranche nach dem Lockdown hat auch dem Zulieferer ElringKlinger wieder bessere Geschäfte beschert. Im dritten Quartal schaffte der Automobilzulieferer einen Nettogewinn von 3,4 Millionen Euro. Das ist im Vorjahresvergleich zwar ein Gewinneinbruch von 49 Prozent, andererseits dennoch aber eine deutliche Steigerung zum Vorquartal, als ElringKlinger hohe Verluste gemacht hatte.
Darüber hinaus hat ElringKlinger zuletzt einige spannende neue Deals eingefädelt. DER AKTIONÄR sprach mit ElringKlinger-Vorstand Dr. Stefan Wolf über die Phantasie im Wasserstoff- und Brennstoffzellensektor.
DER AKTIONÄR: Herr Wolf, nach drei Quartalen liegt Ihr Umsatz rund 21 Prozent unter Vorjahresniveau. Sind Sie in Anbetracht der Corona-Krise und den Schwierigkeiten in der Auto-Branche zufrieden?
Dr. Stefan Wolf: Die Coronavirus-Pandemie hat sich massiv auf das wirtschaftliche Geschehen ausgewirkt. Gerade die Automobilindustrie hat seit dem Frühjahr gelitten, wenn ich an die Produktionsunterbrechungen und die lange ausbleibenden Autokäufe denke. In Europa war die Erholungsbewegung im Sommer sehr schleppend, während sie in Nordamerika und China wesentlich dynamischer ausfiel. Unter diesen wirklich schwierigen Rahmenbedingungen sind unsere Quartalszahlen insgesamt durchaus erfreulich.
DER AKTIONÄR: Im dritten Quartal lag ihre Marge bei 5 Prozent – über dem Niveau des Vorjahres – welche Anstrengungen haben Sie getroffen, dieses Niveau zu erreichen?
Seit Anfang 2019 haben wir ein Programm zur Effizienzsteigerung umgesetzt, das an vielen Stellschrauben dreht. Neben dem Fokus auf den Cashflow gehört dazu auch, die Prozesse, die durch die anhaltend hohe Nachfrage in Nordamerika zusätzliche Kosten verursachten, neu aufzusetzen und Sonderkosten zu beseitigen. Dieses Programm entfaltet seit einigen Quartalen seine Wirkung und wir werden unsere Pläne auch in den kommenden Monaten weiter verfolgen.
DER AKTIONÄR: Sprechen wir über die Zukunft: Zuletzt haben Sie sich mit Europas größtem Flugzeugbauer Airbus verbündet, um Brennstoffzellen für die Luftfahrt zu entwickeln. Wie sieht der Deal konkret aus?
Airbus hat intensiv den Markt für Brennstoffzellenstacks analysiert, um die Technologie für die Luftfahrt weiterzuentwickeln. In diesem internationalen Auswahlprozess hat ElringKlinger mit der hohen Leistungsdichte seiner Stacks überzeugt. Deswegen hat sich Airbus entschieden, mit ElringKlinger den Weg gemeinsam weiterzugehen und in einer neu zu gründenden Gesellschaft luftfahrttaugliche Brennstoffzellenstacks zu entwickeln und zu validieren. An der neuen Gesellschaft wird ElringKlinger eine Minderheitsbeteiligung halten, die restlichen Anteile liegen bei Airbus. Für den Technologiezugang dieser neuen Gesellschaft erhält ElringKlinger eine Kompensation im niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Die Verträge sind unterzeichnet und werden derzeit rechtlich umgesetzt. Der Abschluss des Vollzugs ist bis zum Jahresende angestrebt.
DER AKTIONÄR: Wie sieht Ihr langfristiger Plan für die neuen Antriebstechnologien aus?
Weil wir uns schon früh Gedanken über die Mobilität der Zukunft gemacht haben, haben wir uns rechtzeitig mit den neuen Technologien beschäftigt. In der Brennstoffzellentechnologie beispielsweise forschen wir seit rund 20 Jahren. Für Batteriekomponenten sind wir seit knapp zehn Jahren Serienzulieferer und haben inzwischen auch zwei Serienaufträge für komplette Batteriesysteme gewonnen. Und nicht zuletzt bieten wir über unsere Beteiligung an hofer powertrain und die gemeinsamen Produktionsgesellschaften elektrische Antriebseinheiten für das hochklassige Sport- und Luxuswagensegment an.
Dieses breite Angebotsspektrum in der Antriebstechnologie wollen wir in Zukunft weiterentwickeln und damit die Transformation hin zu einer umweltfreundlichen Mobilität mitgestalten.
DER AKTIONÄR: Was steckt hinter der Kooperation mit Plastic Omnium?
Beide Unternehmen haben den gleichen Blick auf die Mobilität der Zukunft und gemeinsam wollen wir diese im Bereich der wasserstoffbasierten Brennstoffzellentechnologie entwickeln.
Für den Kunden werden Synergien geschaffen, weil er sich für einen Brennstoffzellenantrieb an echte Partner wenden kann. Das Joint Venture bietet Stacks und Komponenten an. Wenn der Kunde gleichzeitig ein System oder den Tank beziehen möchte, kann er Plastic Omnium ansprechen. Das bietet dem Kunden große Vorteile.
DER AKTIONÄR: Für wen werden Sie die Brennstoffzellenstacks bauen? Autos, Trucks, Schiffe?
Die Gesellschaft konzentriert sich zunächst auf Trucks, Busse und sogenannte Commercial Vehicles, also z.B. Transporter. Aber bereits heute gibt es in China den Trend zum Brennstoffzellen-Pkw. Mit zunehmenden Stückzahlen wird die Technologie dann in der ganzen Breite für Pkw interessant, die 2030 sicherlich den überwiegenden Teil der Anwendungen ausmachen. Sonderfahrzeuge oder auch Schiffe und Züge will ich neben Anwendungen im stationären Bereich einschließen, denn auch hier macht die Brennstoffzellentechnologie Sinn.
DER AKTIONÄR: Ab welchen Jahr in welcher Art Fahrzeug glauben Sie, dass ElringKlinger Brennstoffzellen im Markt beim Endkunden ankommen?
Wir können schon heute eine Produktion von Brennstoffzellenstacks nach Automobilstandards realisieren, verfügen über eine anfängliche Kapazität von bis zu 10.000 Stück pro Jahr und sind gerade in Asien in zahlreiche Projekte involviert. Bereits heute sind unsere Brennstoffzellenstacks straßentauglich und werden testweise eingesetzt. Es ist auch damit zu rechnen, dass erste Stacks mit der ElringKlinger-Technologie in regulären Testflotten in Europa auf die Straße kommen. Hinsichtlich der Stückzahlen denken wir, dass nach einer Anlaufphase bereits ab 2022 nennenswerte Stückzahlen produziert werden.
DER AKTIONÄR: Welchen Umsatzanteil soll dieser Bereich langfristig beisteuern?
Wir rechnen mit einem Umsatz von 700 Millionen bis zu einer Milliarde Euro im Jahr 2030.
DER AKTIONÄR: Auf dem „Autogipfel“ des Handelsblatts haben Sie gesagt, dass die Brennstoffzelle die Antriebsart der Zukunft sein wird. Was stimmt Sie da so zuversichtlich, schließlich kostet der Toyota Mirai derzeit rund 80.000 Euro…
Derzeit werden noch geringe Stückzahlen hergestellt. Sobald sich aber die Produktionszahlen erhöhen, wird die Technologie wettbewerbsfähig. Wir gehen davon aus, dass sich durch Skaleneffekte der Preis je kW bei der Brennstoffzellentechnologie bis 2030 um 80% gegenüber dem heutigen Niveau senken lässt.
DER AKTIONÄR: …und viele Auto-Hersteller setzen aber auf Elektromobilität…
Für kurze Strecken mag das batterieelektrische Fahrzeug eine gute Lösung sein, zudem ist die Technologie schon weiter fortgeschritten. Aber wenn es um längere Strecken oder bestimmte Anwendungen geht, in denen die Fahrzeugverfügbarkeit eine Rolle spielt, sind Brennstoffzellen die attraktivere, teilweise einzig sinnvolle Alternative. Beispielsweise benötigen Sie für entsprechende Reichweiten bei Trucks große, schwere Batterien. Diese verringern aber die Nutzlast. Zudem muss ein Truck, wenn er z.B. die Schwäbische Alb hochgefahren ist, zügig wieder aufgeladen werden. Dann steht er still und kostet den Spediteur Geld. Mit der großen Reichweite und der schnellen Betankung von Brennstoffzellenfahrzeugen, die an Bord die Energie des Wasserstoffs in elektrischen Strom umwandeln, kann dies vermieden werden.
Insgesamt rechnen wir damit, dass die Brennstoffzellentechnologie aufgrund ihrer Vorteile zunächst bei Nutzfahrzeugen ihren Durchbruch erleben und sich später auch durch sinkende Stückpreise der Systeme im Pkw-Markt etablieren wird.
Im Übrigen zeigt sich, dass sich mittlerweile alle namhaften OEMs sehr intensiv mit der Brennstoffzelle auseinandersetzen und entsprechende Programme gestartet haben.
DER AKTIONÄR: Autonomes Fahren, Fahrassistenzsysteme werden mehr und mehr im Auto verbaut - die Software wird das Herzstück eines jeden Autos – wie haben Sie sich hier positioniert?
ElringKlinger war schon immer ein technologischer Partner für effiziente Antriebssysteme und das wird auch so bleiben. Software ist vielleicht das eine Herzstück des Autos der Zukunft, das andere ist und bleibt aber der Antrieb – auch im Zeitalter des autonomen Fahrens.
DER AKTIONÄR: Wie wollen Sie in den nächsten Monaten die Effizienz steigern?
Wir werden unser konzernweites Programm zur Effizienzsteigerung weiterverfolgen, d.h. das Net Working Capital optimieren, den disziplinierten Ansatz bei den Investitionen fortführen und durch Kostenbewusstsein die Ertragsseite stärken. Auch dadurch werden wir operativen Free Cashflow generieren und das Verschuldungsniveau weiter senken. Das alles natürlich unter der Nebenbedingung, dass es keine größeren Effekte durch eine zweite Infektionswelle geben wird.
DER AKTIONÄR: Wie sieht ElringKlingers beziehungsweise Ihre Umsatzverteilung in fünf Jahren aus?
In fünf Jahren werden die neuen Technologien eine wesentlich größere Rolle spielen. Die Umsätze mit Brennstoffzellenstacks und -komponenten, mit Batteriekomponenten und -systemen sowie mit elektrischen Antriebseinheiten werden deutlich höher sein als heute. Hinzu kommen Produkte für die neue Mobilität, die aus unseren klassischen Bereichen heraus entwickelt werden. So stehen beispielsweise im Bereich Leichtbau/Elastomer, der auch Zylinderkopfhauben und Ölwannen herstellt, intelligente Leichtbaulösungen zum Unterbodenschutz von Batterien unmittelbar vor der aktiven Markteinführung. Wir werden die Transformation, auf die wir uns vorbereitet haben, bis dahin weiter vollzogen haben.
Die Aktie von Elringklinger hat sich zuletzt deutlich von ihren Tiefs gelöst. Elring klinger ist im Wandel. Die Deals mit Plastic Omnium und Airbus zeigen die Richtung und sollten dem Papier weiter Rückenwind verleihen. Nächstes Etappenziel ist die Marke von 20,00 Euro.