Die Biotech-Branche gilt als eine der innovativsten Sektoren mit hohen Wachstumsraten. Kein Wunder, dass die Crème de la Crème der Pharma- und Biotech-Branche sich regelrecht auf die Jagd begibt, um das eigene Portfolio mit den aussichtsreichsten Technologien der Zukunft zu ergänzen. Mit Novartis hat sich jüngst ein solcher Big Player im vielversprechenden Bereich der Gentherapie verstärkt. Satte 8,7 Milliarden Dollar legen die Schweizer für Avexis auf den Tisch – ein US-Unternehmen, welches weder ein zugelassenes Produkt noch eine zulassungsrelevante Studie erfolgreich abgeschlossen hat. Allein die Technologie von Avexis, seltene Krankheiten wie beispielsweise Spinale Muskelatrophie zu therapieren, hat Novartis schwach werden lassen. Die Folge: ein Aufschlag von unfassbaren 88 Prozent auf den Schlusskurs des Übernahmeziels vom Vortag – in dieser Größenordnung ein neuer Rekorddeal.
Der Kampf um die Vorherrschaft im Bereich der Behandlungsoptionen der nächsten Generation hat aber gerade erst begonnen. Denn nach wie vor sitzt das Geld bei den großen Playern der Szene locker. So locker, dass sogar Partnerschaften oder Lizenzdeals den kleinen Playern im Erfolgsfall mehrere Milliarden Dollar bescheren könnten. Zuletzt waren verstärkt solche Aktivitäten im Bereich der Krebsimmuntherapien (eine Kombination aus Gen- und Immuntherapie) zu beobachten. Das Wachstum in diesem Markt ist gigantisch: 2014 setzte das Segment weltweit rund 1,4 Milliarden Dollar um. Für das Jahr 2021 wird das Potenzial auf satte 27,1 Milliarden Dollar taxiert. Doch Gilead, Celgene und Co überlegen bereits, das eingekaufte Know-how – in Form der Übernahmen von Kite Pharma und Juno Therapeutics – zu optimieren. Konkret geht es dabei um die Herstellung effizienterer und kostengünstigerer Therapien, aber auch um die Reduzierung von schwerwiegenden Nebenwirkungen. Denn aktuell belaufen sich die Kosten einer Therapie auf einen mittleren sechsstelligen Betrag pro Patient. Das Interessante an dieser Entwicklung: Die drei großen Biopharma-Player Gilead, Celgene und Pfizer setzen dabei in Zukunft auf völlig unterschiedliche Ansätze, um diese Probleme zu lösen. Auf den folgenden Seiten erklärt der aktionär die unterschiedlichen Strategien und zeigt auf, über welches Potenzial die möglichen Krebsimmuntherapien der nächsten Generation verfügen.
Cellectis: Deal mit Start-up Allogene
Bislang ist Pfizer weniger im Bereich der Krebsimmuntherapien in Erscheinung getreten. Das hat sich vor Kurzem schlagartig geändert: Mit 25 Prozent hat sich der amerikanische Konzern am Start-up Allogene beteiligt. Die Fäden bei der neuen Biotech-Schmiede haben alte Bekannte in der Hand – Arie Belldegrun und David Chang, die als Vorstandsvorsitzender beziehungsweise als Entwicklungsvorstand bei Kite Pharma agierten. Ihre Arbeit bei der ehemaligen Firma wurde schließlich mit dem Verkauf des Krebsimmuntherapie-Spezialisten an Gilead gekrönt. Mit Allogene plant das erfahrene Management nun den nächsten großen Wurf. In einer Finanzierungsrunde hat das Unternehmen zuletzt spielerisch leicht 300 Millionen Dollar eingenommen.
Pfizer ist Allogene entgegengekommen und hat die Entwicklungsaktivitäten mit der französischen Cellectis (bestehende Kooperation seit 2014) in Form einer Partnerschaft in das Start-up eingebracht. Ziel ist es, Krebsimmuntherapien mit gesunden Spenderzellen zu entwickeln, welche quasi „off the shelf“, also „gebrauchsfertig“ für die jeweiligen Patienten zur Verfügung stehen sollen. Gelingt dieser Schritt, könnten kostengünstigere und effizientere CAR-T-Zelltherapien entwickelt werden. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg – UCART19, das Flaggschiffprojekt von Cellectis, konnte bislang nur mit gemischten Studiendaten aufwarten. Und dennoch: Der Deal mit Allogene ist als äußerst positives Signal zu werten. Die neue Biotech-Gesellschaft hat fortan die Rechte an 16 präklinischen Projekten, welche von den französischen Firmen Cellectis und Servier auslizenziert wurden. Im Idealfall würde Cellectis (Pfizer hält auch hier eine Beteiligung von rund acht Prozent) bis zu 2,8 Milliarden Dollar von Allogene erhalten.
Celgene ist bestens vernetzt
Im lukrativen Markt der Krebsimmuntherapie hat sich auch Celgene stark positioniert. Zum einen hat die Biotech-Gesellschaft im Januar für neun Milliarden Dollar den Immuntherapie-Spezialisten Juno Therapeutics komplett übernommen. Das Unternehmen entwickelt Krebstherapien mit genetisch veränderten Abwehrzellen (CAR-T-Zellen), die den Krebs erkennen und bekämpfen sollen. Mit Juno hat sich Celgene auch gleich das am weitesten fortgeschrittene Projekt des Unternehmens zur Behandlung des B-Zell-Lymphoms gesichert. Bereits 2019 könnte dies auf den Markt kommen. Experten sehen allein dafür ein Spitzenumsatzpotenzial von drei Milliarden Dollar. Zahlreiche weitere Projekte aus dem Bereich der Krebsimmuntherapie befinden sich in der Pipeline. Zudem hat Celgene vor Kurzem einen vielversprechenden Deal mit Bluebird Bio eingefädelt und damit sein Portfolio im Bereich der CAR-T-Zelltherapie erneut gestärkt.
Beim Krebsimmuntherapie-Projekt bb2121 werden sich die Partner in Zukunft Kosten und Gewinne in den USA teilen. Hier darf man auf die nächsten News gespannt sein.
Hochinteressant außerdem: Celgene hat bei der Forschung mit der Gen-Schere CRISPR einen großen Fuß in die Tür gestellt. Die immuntherapeutischen Ansätze erhalten durch die CRISPR-Methode noch einmal einen deutlichen Schub. Die neue Technik gilt als besonders leicht anwendbar, präzise, preiswert und selbst in einfach ausgestatteten Laboren durchführbar. Celgene profitiert hier zum einen von der seit 2015 bestehenden Juno-Kooperation mit Editas Medicine. Dem Unternehmen sind bereits bedeutende Meilensteine bei der Schaffung von T-Zellen und T-Zell-Rezeptoren gelungen, was wichtig ist, um effektivere und sicherere CAR-T- und TCR-Therapien durchführen zu können. Bis 2022 will Editas zwei Projekte in späten Phasen der klinischen Entwicklung haben. Und Celgene ist am wohl bekanntesten Gen-Schere-Unternehmen CRISPR Therapeutics beteiligt. Zwar hat sich Celgene zum Jahreswechsel von einem großen Aktienpaket getrennt, an den starken Aussichten für diese Firma hat sich jedoch nichts geändert. In diesem Jahr soll die erste klinische Studie durchgeführt werden. Zudem verfügt CRISPR über zahlreiche weitere namhafte Partner, darunter Vertex. Auch eine Übernahme ist nicht ausgeschlossen. Dennoch: Die aktuelle Bewertung beinhaltet jedoch schon einiges an Vorschusslorbeeren, charttechnisch ist die Aktie aber eine Augenweide.
Sangamo perfekt positioniert
Ein weiterer vielversprechender Ansatz im Bereich der Krebsimmuntherapien ist die Zinkfingernukleasen-Methode. Sie ist die älteste und gleichzeitig am weitesten fortgeschrittene Gen-Schere. Zinkfingernukleasen (ZFN) bestehen aus nur zwei Elementen, die alle erforderlichen Funktionen erfüllen: Ein synthetisches Protein (Zinkfinger-Protein) erkennt sein Ziel im Erbgut und dockt dort an. Ein zweites Element (Nukleasen) schneidet an dieser Stelle die DNA-Stränge. Die Entwicklung ist zwar sehr aufwendig, im Vergleich zu anderen Gen-Scheren punkten ZFN jedoch unter anderem mit ihrer geringen Größe. Führend in diesem aussichtsreichen Forschungsbereich ist die Biotech-Schmiede Sangamo. Die Vorzüge dieser Methode haben auch bereits einige große Player am Markt erkannt. Pfizer und die zu Sanofi gehörende Bioverativ setzen auf den Sangamo-Ansatz. Vor Kurzem hat auch der Krebsimmuntherapie-Spezialist Kite Pharma, der inzwischen zu Gilead gehört, einen hochinteressanten Deal mit der US-Firma abgeschlossen.
Im Rahmen der Kooperation sollen mithilfe der Zinkfinger-Methode neuartige Zelltherapien außerhalb des Körpers der Patienten entwickelt werden. Sangamo hat eine Upfront-Zahlung von 150 Millionen Dollar, bis zu 3,01 Milliarden Dollar an Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen an den Nettoverkäufen von bis zu zehn Produkten vereinbart. Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung von Sangamo beträgt gerade einmal rund 1,6 Milliarden Dollar. Ohnehin besticht Sangamo mit einer enorm starken Pipeline. Derzeit befinden sich insgesamt zwölf Produkte in der Forschung, sieben Programme sind bereits in der klinischen Überprüfung. Demnächst dürften hier weitere Studienergebnisse veröffentlicht werden, die im Erfolgsfall dem Kurs der Sangamo-Aktie kräftigen Auftrieb verleihen könnten. Neben Pfizer, Bioverativ und Gilead könnten in Zukunft zudem noch mehr große Vertreter der Branche auf Sangamo aufmerksam werden. Weitere lukrative Deals für Sangamo und gleichzeitig enorme Fortschritte in der Krebsimmuntherapie könnten die Folge sein. Die Aktie von Sangamo bleibt ganz klar einer der großen Favoriten des aktionär.
Fünf Top-Chancen für jeden Anleger
Die Forschung im Bereich der Krebsimmuntherapie schreitet rasant voran. Insbesondere die verschiedenen Arten der Gen-Schere könnten die Entwicklung noch einmal forcieren. Mit Celgene setzen Anleger auf einen unterbewerten Big Player im Biotech-Sektor, der stark in diesem Bereich engagiert ist. Sangamo bietet derzeit das wohl interessanteste Chance-Risiko-Verhältnis. Mit Editas Medicine, CRISPR Therapeutics und Cellectis können risikobewusste Investoren den Turbo in ihrem Depot zünden.
Hinweis: Dieser Artikel erschien bereits in der AKTIONÄR-Ausgabe 16/2018, welche hier bequem als Download zur Verfügung steht.