Ein Kommentar von Alfred Maydorn: Mittwoch, 10. Mai 2017, 18:12 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit – die Solarworld AG meldet per Adhoc-Mitteilung, dass man beim zuständigen Amtsgericht einen Insolvenzantrag stellen werde. Die Reaktion am Aktienmarkt war deutlich: Die Aktie stürzte binnen Minuten von 3,60 auf weit unter einen Euro ab, zeitweise wurden nur noch etwas mehr als 50 Cent für ein Papier des Solar-Pioniers gezahlt.
Aktuell notiert die Aktie wieder bei 1,30 Euro. Ein Vorgeschmack auf die starken Kursschwankungen in den kommenden Tagen und Wochen. Das mittelfristige Kursziel für die Aktie lautet allerdings „0“, denn eine Rettung ist in Anbetracht der Nettoschulden von rund 300 Millionen Euro und des gleichzeitig weitaus geringeren Firmenwertes praktisch unmöglich. Hinzu kommt die Klage des Zulieferes Hemlock, der 720 Millionen Euro Schadenersatz von Solarworld fordert und in erster Instanz erfolgreich war.
Seit Jahren schon nicht mehr konkurrenzfähig
Wirklich überraschen kann die Solarworld-Pleite eigentlich niemanden. Es gab in den vergangenen Monaten Warnsignale zuhauf, eigentlich ist es fast ein Wunder, dass der Konzern überhaupt so lange durchgehalten hat. Denn schon seit Jahren ist Solarworld aufgrund der zu hohen Produktionskosten und zahlreicher strategischer Fehler nicht mehr konkurrenzfähig. Nur mit radikalen Kapitalmaßnahmen zu Lasten der Aktionäre wurde das Unternehmen mehr oder weniger künstlich am Leben gehalten.
Asbeck gibt sich uneinsichtig
Dass sieht Solarworld-Chef Frank Asbeck natürlich ganz anders. Der gerne als „Sonnengott“ bezeichnete Firmenlenker gibt sich auch beim letzten Akt seines Unternehmens wenig einsichtig oder gar demütig. Er sieht die Schuld für den Untergang seiner Firma bei der chinesischen Konkurrenz, die mit staatlichen Milliarden subventioniert den Markt mit billigen Solarmodulen überschwemmt habe. Dabei werden auf Druck von Solarworld in Europa seit Jahren Strafzölle auf chinesische Solarmodule erhoben, die dazu geführt haben, dass viele Chinesen sich weitgehend aus dem europäischen Solarmarkt zurückgezogen haben.
Solarworld hat die Entwicklungen der Branche über Jahre geradezu stoisch ignoriert und weiterhin auf teure Qualitäts-Solarmodule gesetzt als längst klar war, dass die Qualitätsunterschiede bei Solarmodulen gering sind und sie sich in erster Linie über den Preis verkaufen. Hinzu kam, dass es versäumt wurde, in neue und lukrative Geschäftsfelder einzusteigen, wie etwa in den Bau und Betrieb eigener Solaranlagen oder in den neuen Milliardenmarkt mit Solarstrom-Speichern.
Opfer des eigenen Erfolges
Solarworld ist ein weiteres Beispiel für einen Konzern der letztlich ein Opfer des eigenen Erfolges wurde. Frank Asbeck hatte innerhalb kurzer Zeit aus einer kleinen Solarbude einen Milliardenkonzern gemacht – zumindest was die Bewertung seines Unternehmens betrifft. Anfang 2009 stand Solarworld sogar unmittelbar vor einer Aufnahme in den DAX. Aber dieser schnelle Aufstieg sorgte dafür, dass Asbeck statt sich um das operative Geschäft zu kümmern, lieber wahnwitzige Ideen verfolgte, wie etwa die im Jahr 2008 angekündigte Übernahme von Opel.
Die Zeche zahlen die Aktionäre – und die Mitarbeiter
Die Eskapaden des Herrn Asbeck waren definitiv erheiternd, den Aktionären haben sie jedoch viel Geld gekostet. Und leiden müssen jetzt vor allem die Mitarbeiter unter der Pleite. Die meisten der rund 3.000 Solarworld-Mitarbeiter werden wohl ihren Job verlieren, denn es nicht davon auszugehen, dass sich ein Käufer für die hoch defizitäre Modulproduktion finden lassen wird.
Letztes Warnsignal im März
Die Solarworld-Aktionäre werden sich darauf einstellen müssen, dass sich ihre Aktien unter heftigen Schwankungen der Nulllinie annähern um dann irgendwann komplett vom Kurszettel zu verschwinden. Aber hier ist das Leiden im Gegensatz zu den Mitarbeitern selbst verschuldet. Denn spätestens als im März 2017 bekannt wurde, dass bei Solarworld mehr als die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt ist, hätte man die Reißleine ziehen sollen, ja sogar ziehen müssen.
Man kann lange darüber diskutieren, ob es überhaupt möglich gewesen wäre, Solarworld zu retten. Es wäre zumindest sehr schwer geworden. Jetzt ist die einst so erfolgreiche Geschichte zu Ende. Was bleibt sind viele enttäuschte Gesichter und die Erkenntnis, dass es mindestens so schwer ist, ein Unternehmen in der Erfolgsspur zu halten, wie es dorthin zu bringen.
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