Daimler warnt, die Aktionäre fliehen. Die Aktie des Automobilkonzerns aus Stuttgart ist zu Wochenbeginn der größte Verlierer im Auswahlindex DAX, gibt mehr als vier Prozent an Wert ab. Die Trendwende? Zumindest vertagt. Anleger sorgt nicht so sehr die Tatsache, dass das Kraftfahrtbundesamt den Konzern zum Rückruf weiterer Diesel-Fahrzeuge drängt, als vielmehr ein Detail der Sonntagabend ausgesprochenen Gewinnwarnung.
Nach der Gewinnwarnung von Daimler wegen mutmaßlich manipulierter Dieselmotoren sorgen sich Anleger zunehmend um die generelle Verfassung des Autobauers. Die Aktie verliert zur Stunde mehr als vier Prozent und nähert sich wieder dem Jahrestief von 44,51 Euro vom Januar an. Eine besonders große Überraschung sei die Gewinnwarnung nicht, erklärte Analyst Jürgen Pieper von der Metzler Bank. Ihn sorge aber, dass nicht nur Extrakosten und die Van-Sparte für die zurückgenommenen Gewinnaussichten verantwortlich seien, sondern auch das Kerngeschäft Mercedes-Benz-Pkw in einer eher schlechten Verfassung sei.
Die Hoffnung, der Autobauer könne mit seinem neuen Vorstandschef Ola Källenius auch neue Orientierungsmarken setzen, schwinde rasch, schrieb er weiter. Analyst Jose M. Asumendi von der US-Bank JPMorgan schließt zudem weitere Rückstellungen von Daimler bis zum Jahresende nicht aus. Daimler hatte am Sonntag wegen steigender Kosten für die Bewältigung der Dieselaffäre seine Ergebnisprognose für das Gesamtjahr gekappt.
Weil der Konzern im zweiten Quartal einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag für laufende behördliche Verfahren und Maßnahmen um Dieselautos von Mercedes-Benz zurückstellt, dürfte das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern im Gesamtjahr nun nur noch etwa auf Höhe des Vorjahres liegen, warnte das Stuttgarter Unternehmen.
Der erst seit einem Monat amtierende neue Konzernchef Ola Källenius und sein ebenfalls erst jüngst angetretener Finanzvorstand Harald Wilhelm starten damit mit einer hohen Bürde in ihre neuen Aufgaben. Für das Gesamtjahr rechnen sie nun nicht mehr mit einem Anstieg des Konzernergebnisses vor Zinsen und Steuern um fünf bis 15 Prozent - sondern nur noch mit einem operativen Gewinn etwa auf Vorjahresniveau. Die Vans-Sparte mit den kleinen Nutzfahrzeugen dürfte in diesem Jahr operativ sogar in die roten Zahlen rutschen statt einen kleinen Gewinn einzufahren.
2018 hatte der Daimler-Konzern im laufenden Geschäft 11,1 Milliarden Euro verdient. Analysten rechneten für das laufende Jahr im Schnitt zuletzt noch mit einem Anstieg des Ergebnisses auf 11,8 Milliarden Euro. Daraus dürfte nun nichts mehr werden.
Maßgeblich für die Neueinschätzung der Ergebnisaussichten sei ein Anstieg der erwarteten Aufwendungen für verschiedene laufende behördliche Verfahren und Maßnahmen betreffend Mercedes-Benz Dieselfahrzeuge, hieß es vom Konzern. Bereits im vergangenen Jahr hatte Daimler seine Aktionäre mit einer Gewinnwarnung enttäuscht - und diese damals mit nahezu gleichem Wortlaut begründet. 2018 hat das Unternehmen unter anderem für die Umrüstung von Dieselmotoren einen mittleren dreistelligen Millionen-Betrag aufwenden müssen - und das ohne Rückstellungen gerechnet.
Am Freitag erst hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Rückruf für 60 000 Autos vom Typ Mercedes-Benz GLK 220 angeordnet. Das KBA habe im Rahmen seiner Untersuchungen bei verschiedenen Herstellern bei diesen Mercedes-Modellen der Euro-5-Norm eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung festgestellt, erklärte das Bundesverkehrsministerium.
Vergangenen August hatten die Behörden einen Rückruf von europaweit 690 000 Diesel-Fahrzeuge des Konzerns angeordnet. Betroffen vom Verdacht der illegalen Abschalteinrichtungen waren der Kleintransporter Vito sowie unter anderem Varianten der C-, E- und S-Klasse oder der SUVs GLC, GLE und GLS. Daimler bestreitet, illegale Abschalteinrichtungen verwendet zu haben.
Ohnehin laufen die Geschäfte aber nicht mehr so rund, weil auch die Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA die Branche belasten, genauso wie die Einführung neuer Abgas- und Verbrauchstests in der EU. Ex-Chef Dieter Zetsche musste in seiner letzten eigenen Jahresbilanz für das vergangene Jahr einen herben Gewinneinbruch verkünden.
Zetsche hat es Källenius überlassen, die Details festzulegen, an welcher Stelle im Konzern künftig der Gürtel wie eng geschnallt werden muss. Details dazu blieb der Schwede aber bisher schuldig. Am 22. Mai erst hatte Källenius das Ruder von Zetsche übernommen, der nach über 13 Jahren an der Konzernspitze sein Amt abgab. Nach einer Abkühlungsphase will sich Zetsche in zwei Jahren in den Aufsichtsrat wählen lassen.
Mit Material von dpa-AFX
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