Allzweckwaffe oder Teufelszeug? CRISPR polarisiert. CRISPR manipuliert. Das Werkzeug könnte die Behandlung von Krankheiten revolutionieren, ja sogar die Hungerproblematik in den Griff bekommen. Denn mit der Genschere CRISPR, was für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats steht, lassen sich Gene ersetzen, verändern oder gar ganz herausschneiden. Doch CRISPR ist nicht die einzige Möglichkeit, Gene beliebig zu editieren. DER AKTIONÄR hat exklusiv bei Doudna über die jüngsten Entwicklungen zur CRISPR-Technologie nachgefragt.
DER AKTIONÄR: Dr. Doudna, welche verschiedenen Arten von genetischen Modifikationen gibt es?
Dr. Jennifer Doudna: Seit geraumer Zeit befassen sich Wissenschaftler mit der Möglichkeit, das Genom zu verändern. Frühere Werkzeuge für die Genmanipulation sind TALENs, Zinkfinger-Nukleasen (ZFN) und in jüngster Zeit CRISPR-Cas9 und seine Familie.
Was sind die Vor- und Nachteile dieser verschiedenen Formen?
Sowohl TALENs als auch ZFN basieren auf Proteinen, die eine Affinität zu einer bestimmten Gensequenz haben. Während sie ein bestimmtes Gen herausschneiden können, erfordert jedes aufs Neue Protein-Engineering und -Tests, um auf ein bestimmtes Gen, welches von Interesse ist, abzuzielen. Im Gegensatz dazu ist CRISPR-Cas9 ein einzelnes Protein, das einfach programmiert werden kann, um die Genombearbeitung an einer gewünschten Stelle in einem Genom zu induzieren. Alle diese Technologien basieren auf großen Proteinen, die eine Herausforderung für die In-Vivo-Lieferung darstellen.
Was sind die Alleinstellungsmerkmale der CRISPR-Technologie?
CRISPR-Cas9 verwendet die RNA als Leitfaden, um eine bestimmte Gensequenz anzugreifen. Das bedeutet, dass das gleiche Cas9-Protein jedes Gen von Interesse angreifen kann, indem es einfach die RNA verändert, an die es gebunden ist. Die Leitfaden-RNA hilft Cas9, an die richtige Gensequenz zu binden, und dann schneidet das Protein die gewünschte DNA-Sequenz, um die DNA-Reparatur und -Editierung zu veranlassen.
Wie haben Sie diese Technologie entdeckt?
Wir haben diese Technologie durch unsere Fundamentalarbeit an einem angeborenen Immunsystem in Bakterien entwickelt. Bakterien können mit Viren infiziert werden, die Phagen genannt werden. Genetische Studien zeigten ein interessantes Muster in der DNA: Clustered-Regularly-Interspaced-Short-Palindromic-Repeats-(CRISPR)-Sequenzen. Erste Studien zeigten, dass diese Sequenzen in RNA übersetzt wurden, und als RNA-Experte engagierte sich mein Labor.
An welchen Projekten forschen Sie derzeit?
Mein Labor verfolgt eine Reihe aktiver Forschungsarbeiten, darunter die Erforschung neuartiger bakterieller Systeme, wie dasjenige, das die Entdeckung von Cas9 ermöglichte; Anwendungen in der biomedizinischen Forschung, einschließlich Diagnostik und Krankheit, und in grundlegenden mechanistischen Studien zu CRISPR-Cas und verwandten Systemen.
Gibt es etwas jenseits der CRISPR-Technologie? Steht das nächste „Next Big Thing“ in den Startlöchern?
Ich glaube, dass Wissenschaftler unsere Fähigkeit, genetische Informationen bei Pflanzen, Tieren und Menschen gezielt zu verändern, weiter verbessern werden. Ich bin stolz darauf, Teil der CRISPR-Revolution in der Genom-Editierung zu sein, und ich erwarte, dass zukünftige Entdeckungen diese Technologie – oder andere damit verbundene Technologien – noch weiter voranbringen. Insbesondere müssen wir bessere Mechanismen entwickeln, um diese Werkzeuge zur Genom-Editierung auf sichere Weise bereitzustellen, um Patienten von Krankheiten zu heilen.
In welchen medizinischen Bereichen könnte diese Art der Genom-Editierung den ersten großen Durchbruch landen?
Die CRISPR-Genom-Editierung bietet eine klare Möglichkeit für Menschen, die an genetischen Erkrankungen wie der Sichelzellkrankheit, Chorea Huntington oder Muskeldystrophie leiden, um nur einige zu nennen. Aktive Forschung wird betrieben, um die Technologie zur Behandlung von Krebspatienten, Immunkrankheiten und anderen häufigen Gesundheitsproblemen auf neue Weise zu nutzen.
Welche kurzfristigen Durchbrüche erwarten Sie bei der Technologie?
Die Entwicklung sicherer und effektiver Lieferwerkzeuge wird der nächste Schritt sein, bevor die CRISPR-Cas9-Werkzeugkästen ihr Potenzial zur Behandlung menschlicher Krankheiten ausschöpfen können.
Gibt es weitere mögliche Anwendungsgebietet außerhalb des medizinischen Bereichs?
Ja, die CRISPR-Technologie wird auch als Vorgehensweise zur Herstellung robusterer Nutzpflanzen, zur Herstellung sauberer brennender Biokraftstoffe und zur Ausrottung von Infektionskrankheiten wie Malaria durch „Gene Drive“-Initiativen eingesetzt.
Könnte diese Technologie das globale Hungerproblem lösen?
Ja, CRISPR könnte ein Teil des Werkzeugkastens sein, der es unserer globalen Nahrungsmittelproduktion ermöglicht, dem Tempo des globalen Bevölkerungswachstums gerecht zu werden. Insbesondere könnte dieses Instrument dazu beitragen, einige der negativen Folgen der globalen Erwärmung zu überwinden.
Welche Krankheiten könnten in den nächsten Jahren mit CRISPR behandelt werden?
Verschiedene Krankheiten kommen infrage, darunter Sichelzellanämie, Leukämie und die Best-Krankheit. Die ersten beiden beeinflussen das Blut, das leichter zugänglich ist als einige andere Körperorgane. Die Best-Krankheit, obwohl selten, verursacht Blindheit und könnte aus einer Vielzahl von technischen Gründen eine hilfreiche Erstkrankheit sein, um die Auswirkungen und die Sicherheit der CRISPR-Cas-Genombearbeitung bei Erwachsenen zu beurteilen.
Ist diese Technologie eine Option, um die Alzheimerkrankheit in Zukunft zu heilen?
Das hoffe ich doch. Obwohl wir noch viel über die Ursachen und Behandlungen von Alzheimer zu lernen haben, wird aktiv an möglichen genetischen Komponenten und Behandlungen dieser komplizierten Krankheit geforscht.
Vielen Dank für das Interview!
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