Die Stimmung bei den Autozulieferern ist schlecht. Continental steckt seit längerem in der Krise. Der Konzern um CEO Nikolai Setzer hat Mühe, das Geschäft mit Innenausstattung, Sensoren, Elektronik schwarze Zahlen zu schreiben. Die kränkelnde Autozuliefersparte soll jetzt mit tausenden Stellenstreichungen wieder auf Vordermann gebracht werden. Ab 2025 soll eine jährliche Kostenentlastung von 400 Millionen Euro im Verwaltungsbereich greifen, wie das Unternehmen im Zuge der Vorlage der Zahlen mitteilte. DER AKTIONÄR sprach mit Finanzvorständin Katja Garcia Vila über den aktuellen Stand und die zukünftige Ausrichtung von Continental. (Teil 2)
DER AKTIONÄR: Frau Garcia Vila, wie sehen die Systeme aus – setzen sie dabei auf Radar, Lidar, Kameras?
KATJA GARCIA VILA: Als Anbieter für Komplettlösungen haben wir alle relevanten Technologien in unserem Portfolio. Neben leistungsstarken und energieeffizienten Hochleistungsrechnern für assistiertes und automatisiertes Fahren, setzen wir bei der Sensorik auf ein breites Spektrum. Radar, Lidar, Kameras und Ultraschallsensoren decken im Systemverbund Lösungen für das assistierte und automatisierte Fahren der Stufen Level 2 bis Level 4 ab. Hierbei halten wir weiterhin an einer Kombination an Umfeldsensoren fest, da Redundanzen für einen sicheren Betrieb unabdingbar sind. Nur so können alle kritischen Grenzfälle adäquat gelöst und sichere, automatisierte Mobilität ermöglicht werden. Allein im vergangenen Jahr haben wir mehr als 35 Millionen Kameras, Radar- und Lidar Sensoren produziert. Neben der leistungsstarken Hardware runden unsere Softwarelösungen das Angebotsspektrum ab. Dies beinhaltet auch die benötigte Rechenpower der zentralen Steuergeräte.
Wie sehen Sie das allgemeine Preisumfeld bei Reifen und die Entwicklung der Lagerbestände?
Im Reifenbereich haben wir im abgelaufenen Quartal ein gutes Ergebnis erzielt. Trotz zuletzt rückläufiger europäischer und nordamerikanischer Märkte im Reifenersatzgeschäft. Unsere Marge haben wir im Vergleich zum Vorjahresquartal gesteigert. Diese höhere Marge resultiert vor allem aus dem weiterhin hohen Anteil an Premiumreifen sowie geringeren Kosten für Rohmaterialien.
Die Autobranche ist im Wandel – mehr KI, Infotainment, Software und ein Motor, der nicht mehr aus über 1.000, sondern nur noch aus rund 200 Teilen besteht. Die chinesischen Hersteller entwickeln vieler ihrer Bauteile und Produkte selbst. Wie stellt sich Continental auf die Veränderung des Gesamtmarkts ein?
Wir bieten unseren Kunden passende Lösungen für die Industrie- und Mobilitätsaufgaben von morgen. Kein anderer Zulieferer weltweit bietet ein vergleichbar umfassendes Portfolio von Hard- und Software, analoger und digitaler Zukunftstechnologie. Über KI und autonomes Fahren haben wir bereits gesprochen. Nachhaltigkeit ist ein weiteres überaus wichtiges Zukunftsthema. Und auch hier sind wir gut positioniert. Internal Beispielsweise stammt der derzeit weltweit nachhaltigste Serienreifen von uns: der UltraContact NXT. Mit bis zu 65 Prozent nachwachsenden, wiederverwerteten und massenbilanzzertifizierten Materialien kombiniert der neue Sommerreifen von Continental einen besonders hohen Anteil nachhaltiger Materialien mit maximaler Sicherheit und Leistung. Dies zeigt sich auch darin, dass der Reifen die Bestnote im EU-Reifenlabel („A“) in den Bereichen Rollwiderstand, Nassbremsen und Außengeräusch erhalten hat. Seit Juli 2023 ist der Reifen im Handel erhältlich. Unsere Serienkompetenz ist unsere große Stärke. Oder bei ContiTech: Dort verarbeiten wir unter anderem beispielsweise Kaffeesatz zu einem Polsterbezugsstoff. So binden wir Treibhausgase, und das Ganze sieht auch noch ziemlich schick aus.
Die Neuordnung innerhalb der Autoindustrie hat Continental zum Umbau gezwungen. Standorte werden geschlossen, Teilverkäufe wurden getätigt oder werden noch geprüft. Wie weit sind Sie mit der Transformation von Conti?
Grundsätzlich befindet sich die Automobilindustrie inmitten der Transformation. Zusätzliche Faktoren, wie die Pandemie, geopolitische Konflikte, gestörte Lieferketten und die Inflation haben die Industrie und Continental in den vergangenen Jahren vor weitere Herausforderungen gestellt und tun dies zum Teil auch noch heute und in Zukunft. Mit unserem Strukturprogramm 2019 – 2029 sind wir gut unterwegs: wir haben bereits mehr als die Hälfte der 23.000 Stellen verändert. Unsere Planungen sind langfristig und umfassend. Unabhängig davon prüfen wir fortwährend Anpassungen, die aufgrund der sich verändernden Rahmenbedingungen und der konjunkturellen Entwicklung notwendig werden. So haben wir, wie bereits gesagt, weitere Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensbereichs Automotive beschlossen. Wir verschlanken und vereinfachen bei Automotive Geschäfts- und Verwaltungsstrukturen. Mit den geplanten Maßnahmen avisieren wir ab 2025 eine jährliche Entlastung von 400 Millionen Euro. Automotive prüft aktuell zudem zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz bei Forschung und Entwicklung. Ein Strategie-Update erfolgt dann im Rahmen des Kapitalmarkttags von Continental am 4. Dezember 2023.
Frau Garcia Vila, vielen Dank für das Interview.