Die Stimmung bei den Autozulieferern ist schlecht. Continental steckt seit längerem in der Krise. Der Konzern um CEO Nikolai Setzer hat Mühe, das Geschäft mit Innenausstattung, Sensoren, Elektronik schwarze Zahlen zu schreiben. Die kränkelnde Autozuliefersparte soll jetzt mit tausenden Stellenstreichungen wieder auf Vordermann gebracht werden. DER AKTIONÄR sprach mit Finanzvorständin Katja Garcia Vila über den aktuellen Stand und die zukünftige Ausrichtung von Continental.
DER AKTIONÄR: Viele Autohersteller ruderten zuletzt nach den Zahlen etwas zurück. Conti hingegen ist in der lukrativen Reifensparte etwas optimistischer geworden – woran liegt’s?
KATJA GARCIA VILA: Im Unternehmensbereich Tires haben wir den Ausblick für die bereinigte EBIT-Marge aufgrund der guten Ergebnisentwicklung leicht erhöht. Denn trotz zuletzt rückläufiger europäischer und nordamerikanischer Märkte im Reifenersatzgeschäft haben wir auch im dritten Quartal ein gutes Ergebnis im Reifenbereich erzielt.
Verbessern konnte sich Continental auch innerhalb der Autosparte. Welche Maßnahmen wurden ergriffen?
Im Unternehmensbereich Automotive haben wir das operative Ergebnis im dritten Quartal infolge der erzielten Preisanpassungen, einer hohen Kostendisziplin und einer Stabilisierung der Lieferketten im Vergleich zum ersten Halbjahr deutlich verbessert.
Conti-Vorstand Nikolai Setzer sprach davon, dass man sich an der operativen Marge von 2,8 Prozent anknüpfen und diese noch weiter verbessern wolle. Wo liegt ihre Zielmarge und welche Maßnahmen werden oder können dazu führen, die Renditen weiter zu steigern?
Für das laufende Jahr haben wir uns bei Automotive eine bereinigte EBIT-Marge zwischen 2 und 3 Prozent vorgenommen. Im vierten Quartal zahlen vor allem Erstattungen für Entwicklungsleistungen, die erzielten Preisanpassungen sowie eine hohe Kostendisziplin auf die angestrebte Verbesserung ein. Darüber hinaus haben wir Mittelfristziele definiert und diese im Rahmen unseres Kapitalmarkttages 2020 kommuniziert. Für den Unternehmensbereich Automotive liegt die von uns mittelfristig angestrebte bereinigte EBIT-Marge bei 6 bis 8 Prozent. Darauf einzahlen wird unser Strukturprogramm „Transformation 2019 – 2029“ in dessen Rahmen wir ab 2024 jährlich 850 Millionen Euro brutto einsparen werden. Erst kürzlich haben wir zudem weitere Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensbereichs Automotive beschlossen. Damit avisieren wir die Kostenseite ab 2025 um jährlich 400 Millionen Euro zu entlasten. Darüber hinaus befassen wir uns als Vorstand grundsätzlich mit dem Thema Portfoliomanagement. Dabei geht es, wie wir bereits auf dem Kapitalmarkttag 2020 angekündigt haben, beispielsweise um die Fokussierung unserer Geschäftsaktivitäten.
Nikolai Setzer will künftig Wachstum mit KI generieren. Wie kann man sich das vorstellen?
Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere Partnerschaft mit Google, welche wir auf der IAA Mobility in München in diesem Jahr vorgestellt haben. Gemeinsam bringen wir Künstliche Intelligenz (KI) ins Auto. Und zwar mit einer KI-gesteuerten Sprachanwendung, einer Art ChatGPT, der man während der Fahrt Fragen stellen kann. Beispielsweise zu Sehenswürdigkeiten auf der Strecke oder am Ziel. Künstliche Intelligenz setzen wir beispielsweise aber auch in der Qualitätskontrolle der Reifenfertigung, in der Produktentwicklung sowie in einigen Produkten selbst ein. So zum Beispiel bei autonomen Agrar- und Lieferrobotern.
Wie wichtig ist demnach das Thema KI für Continental?
KI spielt bei uns in vielfacher Hinsicht eine gewichtige Rolle. Dafür bauen wir seit 2016 unsere Kompetenzen auf diesem Gebiet strategisch aus. Inzwischen beschäftigen wir rund 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist das Testen von Systemen für das automatisierte Fahren. Dafür müssen diese Systeme in unzähligen Testfahrten trainiert werden. Der Einsatz von KI für diesen Zweck spart unnötige Straßenkilometer von Testfahrzeugen. Dadurch zahlt KI auch auf die Nachhaltigkeitsstrategie von Continental ein.
Wie weit ist Continental in Sachen autonomes Fahren?
Wir sehen den Bereich des assistierten und automatisierten Fahrens als Wachstumsfeld. Im Rahmen unserer Partnerschaft mit Aurora werden wir ab 2027 gemeinsam autonome Lkw-Systeme für den breiten Einsatz auf die Straße bringen. Initial in den USA. Wir stellen dabei nicht nur das gesamte Hardwaresystem, sondern auch ein neues Rückfallsystem zur Verfügung. Im unwahrscheinlichen Fall eines Ausfalls des autonomen Primärsystems dient es dazu, sicherzustellen, dass der fahrerlose Lkw die Fahraufgabe weiter übernimmt und bis zur nächstmöglichen, sicheren Position weiterfährt.
Wie sehen die Systeme aus – setzen sie dabei auf Radar, Lidar, Kameras?
Als Anbieter für Komplettlösungen haben wir alle relevanten Technologien in unserem Portfolio. Neben leistungsstarken und energieeffizienten Hochleistungsrechnern für assistiertes und automatisiertes Fahren, setzen wir bei der Sensorik auf ein breites Spektrum. Radar, Lidar, Kameras und Ultraschallsensoren decken im Systemverbund Lösungen für das assistierte und automatisierte Fahren der Stufen Level 2 bis Level 4 ab. Hierbei halten wir weiterhin an einer Kombination an Umfeldsensoren fest, da Redundanzen für einen sicheren Betrieb unabdingbar sind. Nur so können alle kritischen Grenzfälle adäquat gelöst und sichere, automatisierte Mobilität ermöglicht werden. Allein im vergangenen Jahr haben wir mehr als 35 Millionen Kameras, Radar- und Lidar Sensoren produziert. Neben der leistungsstarken Hardware runden unsere Softwarelösungen das Angebotsspektrum ab. Dies beinhaltet auch die benötigte Rechenpower der zentralen Steuergeräte.