Softing hat in den letzten Tagen des Jahres für Aufsehen gesorgt. Im Mai stellte Vorstandschef Dr. Wolfgang Trier gegenüber dem AKTIONÄR bei der Tochter GlobalmatiX den „Startschuss zur Skalierung“ in Aussicht. Mit einem Großauftrag, der GlobalmatiX den Einstieg in den Carsharing-Markt beschert, und der Kooperation mit dem Großflotten-Dienstleister MOSOLF kann die Softing-Tochter nun rund um Weihnachten mit gleich zwei positiven News aufwarten. DER AKTIONÄR fragte nach.
DER AKTIONÄR: Herr Dr. Trier, kurz vor Jahresende kann die Softing-Tochter GlobalmatiX mit gleich zwei positiven News aufwarten. Was leistet das System und ist die Zeit der Ernte bei GlobalmatiX nach Jahren der Investition nun gekommen?
Dr. Wolfgang Trier: Ja, das könnte man so formulieren. Die Flotten werden nach dem drastischen Abbau während des ersten Covid-Schocks in 2020 erstmals wieder ausgebaut, wenngleich derzeit die Verfügbarkeit von Neufahrzeugen den Ausbau noch bremst. Damit wird die Erhöhung der Rentabilität wieder eine Priorität aller Flottenbetreiber. Wir sehen auf breiter Front großes Interesse an unserer Lösung, für die uns in Bezug auf Leistung, Preis und Einfachheit eine führende Position bescheinigt wird.
Können Sie das näher erklären?
Gerade die Bagatellschäden bei Geschwindigkeiten unter 15 km/h, die mehr als die Hälfte aller Schadensfälle ausmachen, können derzeit nur mit dem GlobalmatiX-System zuverlässig erfasst und in Echtzeit ausgewertet werden. Systeme zur nachträglichen Schadenerkennung wie etwa hochauflösende Fotogassen können bestenfalls bei der klassischen Autovermietung sichtbare Schäden bei der Rückgabe erkennen. Beim Carsharing ist dies systembedingt unmöglich, ein Schaden muss dann zuverlässig erkannt werden, wenn er sich ereignet. Nur ein verbautes System kann erkennen, ob das Fahrzeug von Dritten angefahren wurde oder ob der Fahrer selbst den Schaden mitverursacht hat.
Welchen Mehrwert bietet GlobalmatiX seinen Kunden im Bereich Unfallerkennung?
Die im Carsharing tätigen Flottenbetreiber leiden massiv unter den Bagatellschäden, die über die Nutzungsdauer von sechs bis neun Monaten entstehen. Die Branche berichtet von durchschnittlich mehr als 5.000 Euro Schäden pro Fahrzeug während dieser Nutzungsdauer, die keinem Verursacher zugeordnet werden können, da die Fahrzeuge während dieser Zeit kaum je vom Flottenbetreiber in Augenschein genommen werden können. Mit unserer Lösung erhält der Flottenbetreiber unmittelbar nach dem Schadenereignis eine Nachricht, die den Unfallort, die Schwere des Schadens und den auf wenige Zentimeter genauen Aufprallpunkt am Fahrzeug meldet. Mit diesen Informationen kann der Flottenbetreiber über die Carsharing-App den aktuellen Nutzer kontaktieren, dem dann auch klar ist, dass der Unfall registriert wurde. So wird erstmals eine rechtssichere Zuordnung der Schäden zum Verursacher und deren Abwicklung ermöglicht.
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Der in der vergangenen Woche vermeldete Großkunde nimmt noch im laufenden Jahr mindestens 3.000 Telematikboxen ab, inklusive mehrjährige Serviceverträgen. Wie lukrativ ist dieser Vertragsabschluss für Softing und welche Folgeaufträge erwarten Sie?
Dieser Auftrag stellt für GlobalmatiX den Einstieg in den Carsharing-Markt dar, der allein in Europa deutlich mehr als 100.000 Fahrzeuge umfasst. Die Servicekosten zum Betrieb der Unfallerkennung betragen pro Fahrzeug weniger als 200 Euro für die übliche Nutzungsdauer. Man muss kein Mathegenie sein, um zu verstehen, dass sich die Anschaffung bei durchschnittlich mehr als 5.000 Euro Schäden im gleichen Zeitraum sehr schnell rechnet. Daher liegt unser Interesse nicht am Umsatz für 3.000 Einheiten. Es ist der Einstieg in diesen riesigen Markt, der uns reizt.
Mit MOSOLF kooperiert GlobalmatiX künftig mit dem führenden Fahrzeug- und Logistikdienstleister für die Automobilindustrie in Deutschland. Welchen Stellenwert hat diese Zusammenarbeit im digitalen Großflottengeschäft für Globalmatix?
MOSOLF ist der Marktführer in der Fahrzeuglogistik, durch dessen Hände im bestehenden Geschäft jährlich hunderttausende Fahrzeuge beim Ein- und Ausflotten gehen. Die xTCU Box von GlobalmatiX wird dazu anfangs in die Fahrzeuge eingebaut und vor der Verwertung der Gebrauchtfahrzeuge wieder entfernt. Wer das Fahrzeug beim Ein- und Ausflotten ohnehin physisch berührt, kann diese Leistungen für die Flottenbetreiber zu einem unschlagbar günstigen Preis anbieten. Gleichzeitig ist dies für MOSOLF eine attraktive Zusatzleistung, mit der MOSOLF seine Position beim Kunden weiter stärkt.
Für 2022 hat GlobalmatiX das Fertigungsvolumen für die xTCU auf über 50.000 Systeme rund verfünffacht. Wie groß schätzen Sie den Markt für die GlobalmatiX-Lösung insgesamt ein?
Der Verbau der xTCU Telematik-Box von GlobalmatiX ist eine Voraussetzung für die Nutzung unserer Dienste. Mithilfe dieser Box und unserer Software kann GlobalmatiX im Grunde alle elektronisch verfügbaren Daten aus den Fahrzeugen auslesen, Türen öffnen und schließen, Reifensensoren auswerten, Anbauteile überwachen, bei Elektrofahrzeugen die Hochvoltbatterien bis auf die einzelne Zelle überwachen und vieles mehr. Dies alles kombiniert mit der patentierten GlobalmatiX Datenverschlüsselung, der Übertragung vom Fahrzeug in 4G oder 5G Netzen und der Tatsache, dass GlobalmatiX als Mobilfunkbetreiber unabhängig von Diensten Dritter ist, ergibt für die Kunden einen unschlagbaren Vorteil: Er kann alle Leistungen aus einer Hand beziehen. Die Anzahl der Fahrzeuge klassischer Autovermieter, Carsharing-Dienste und kommerzieller Großflotten ergibt einen zweistelligen Millionenbetrag. Dies ist ein höchst interessantes Marktsegment. Die xTCU Telematik-Box ist entwickelt für alle Connected Car Anwendungsfälle.
Welches Umsatzniveau peilen Sie mittelfristig mit GlobalmatiX an und welche Margen sind in diesem Bereich realistisch?
Wir sind überzeugt davon, in wenigen Jahren einen hohen zweistelligen Millionenumsatz erreichen zu können, der über die Jahre immer weniger von Hardware und immer mehr von Serviceleistungen dominiert wird. Der Markt für Echtzeit erfasste Fahrzeugdaten und deren intelligente Cloud-Auswertung wird gerade bei kommerziellen Flotten stark anwachsen. Letztlich ist die Rentabilität genau wie beim Mobilfunk eine Frage des erreichbaren Volumens, da die Fixkosten ab einem gewissen Punkt kaum noch skalieren.
Die Anleger nehmen die Meldungen recht positiv auf. Der Anfang ist gemacht. Der Vorstand muss nun aber auch liefern. Zeigen die nächsten Zahlen, dass bei GlobalmatiX wirklich die Zeit der Ernte gekommen ist und Softing im Automotive-Sektor weiter Boden gut machen kann, könnte sich die Aktie im kommenden Jahr weiter nach oben bewegen. Ein Stopp bei knapp unter sechs Euro sichert die Position ab.