DER AKTIONÄR hat bereits heute früh erklärt, dass Chinas schwächelndes Wirtschaftswachstum die Finanzwelt in Alarmbereitschaft versetzt. Jahrelang haben große Nationen vom rasanten Wachstum in China profitiert - jetzt geht die Sorge um, die Zeit des chinesischen Konjunktur-Turbos könnte vorerst vorbei sein. Nach heftigen Kursturbulenzen in Asien stürzte der DAX wieder unter die 10.000-Punkte-Marke.
Vor allem an den chinesischen Aktienmärkten gab es massive Verluste: Die Shanghaier Börse erlebte den schlimmsten Einbruch seit acht Jahren, wichtige Aktienindizes lagen mit rund acht Prozent im Minus. Der japanische Nikkei-Index gab um 4,6 Prozent nach. Chinas Regierung denkt jetzt dem Wall Street Journal zufolge über verschiedene Maßnahmen nach, die die Konjunktur und den Finanzmarkt stützen sollen.
Zwar war Chinas Wirtschaft von Januar bis Juni im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 noch um sieben Prozent gewachsen. Aber das Wachstum war so schwach wie seit 25 Jahren nicht mehr. Die Kurseinbrüche an den Börsen halten die Experten von JPMorgan dennoch für übertrieben. "Die pessimistische Stimmung scheint überwältigend zu sein, während wir zugleich feststellen, dass eine Reihe wichtiger Variablen dieses negative Bild nicht untermauern", so Aktienstratege Mislav Matejka. Die immensen Sorgen um das Wachstum der Weltwirtschaft ließen sich weder mit den Entwicklungen in China noch mit wichtigen europäischen Konjunkturdaten oder der jüngsten Quartalsberichtssaison begründen. "China ist das Epizentrum der Wachstumssorgen, aber anders als der Marktkonsens sehen wir China nicht mehr als Hauptrisiko an." Vielmehr erscheint Matejka die Angst mit Blick auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt stark übertrieben. Der chinesische Yuan dürfte sich seines Erachtens nach so rasch nicht weiter abschwächen und wichtige chinesische Konjunkturdaten wie die Häuserpreise stabilisierten sich. Zudem dürften in Kürze weitere Impulse für die Wirtschaft seitens der chinesischen Regierung folgen.
„Wir gehen weiterhin davon aus, dass es in China nicht zu einem „Hard-Landing“ kommen wird. Ein regelrechter Einbruch der Konjunktur im Reich der Mitte droht somit wohl nicht“, sagt Tobias Basse von der Nord/LB. „Wenn die negative Stimmung – zum Beispiel aufgrund der Handlungen der Geldpolitiker – dreht, dürften also Schnäppchenjäger die Oberhand gewinnen. Insofern sind wir mit Blick auf die kommenden drei bis sechs Monate schon optimistisch“, führt der Kapitalmarktstratege aus.
Zuletzt hatte China die Landeswährung Yuan abgewertet. Davon dürfte Chinas Exportwirtschaft profitieren, weil der schwächere Yuan chinesische Produkte im Ausland billiger macht. Der Euro legte in den vergangenen Tagen wieder zu. Dies macht Waren der deutschen Exportwirtschaft außerhalb der Eurozone teurer, was den Absatz belasten kann. Einige Experten vermuten, dass Anleger in der Gemeinschaftswährung einen sicheren Hafen im turbulenten Fahrwasser der Finanzmärkte suchen. Aber auch die Unklarheiten um den Zeitpunkt der Zinswende in den USA drücken auf die Stimmung.
In diesem Umfeld werden die Anleger diese Woche Wirtschaftsdaten besonders genau im Auge behalten. Am Montag gibt es aber zunächst wenig Orientierung von dieser Seite. Im Wochenverlauf richten die Blicke dann auf von der EU erhobene Zahlen zur Wirtschaftsstimmung. In Deutschland steht das Geschäftsklima des Ifo-Instituts auf der Agenda. In den USA steht die neue Schätzung zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal im Mittelpunkt des Interesses.
Mit Blick auf die Unternehmensseite ist die Nachrichtenlage eher dünn. Alle 30 DAX-Werte notieren im roten Bereich. Aus charttechnischer Sicht hat der DAX die Unterstützungszone zwischen 10.050 und 9.800 Punkte bereits erreicht. Gelingt die Verteidigung dieser Zone nicht, muss mit einem Rutsch bis 8.900 Punkte gerechnet werden. Auf Basis einer erst am Anfang stehenden Abwärtsbewegung am US-Aktienmarkt und dem ungünstigen zyklischen Ausblick der traditionell schwachen Aktienmonate August und September verbleiben weitergehende Kursrückschlagsrisiken.
Anleger sollten sich nach Einschätzung der WGZ Bank nach dem Kursrutsch zunächst zurückhalten. Der deutsche Leitindex zeige zwar erste Anzeichen, die auf eine Gegenbewegung deuteten, ein eindeutiges Signal sei aber nicht zu erkennen, so Charttechnik-Experte Stephen Schneider. Erst in den kommenden Tagen wird sich Schneider zufolge zeigen, ob die Kurslücke zur Eröffnung am Montag ein sogenanntes "Exhaustion-Gap" ist. Eine solche Lücke markiere einen Ausverkauf und leite häufig eine Gegenbewegung ein. Klare Anzeichen eines Endes des Ausverkaufs seien allerdings noch nicht erkennbar. Ein mögliches, rechnerisches Ziel der Abwärtsbewegung liege bei 9.675 Punkten. Weitere Unterstützungsbereiche sieht der Analyst bei um die 9.380 Punkte sowie die 9.220 Punkten. Für eine übergeordnete Gegenbewegung nach oben müsste laut Schneider schnell die bisherige Unterstützung bei gut 10.000 Punkten zurückerobert werden. Das würde zwar noch kein Ende der Abwärtstendenz signalisieren, wäre aber ein Anfang.
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(Mit Material von dpa-AFX)