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08.05.2020 Andreas Deutsch

Chart des Grauens kursiert – aber was soll das?

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Das Coronavirus hat der Welt gezeigt, dass sie auch im hochtechnologisierten Jahr 2020 sehr empfindlich ist. Crashpropheten haben folglich Hochkonjunktur und glauben, dass das Schlimmste an der Börse erst noch kommt und es wie 1929 wird. Dabei gibt es zwischen diesen beiden Krisen gravierende Unterschiede.

Der US-Ökonom Gary Shilling ist sich sicher: „Lassen Sie sich nicht vom jüngsten Aufschwung an den Märkten täuschen. Ich erwarte, dass wir einen 40-Prozent-Crash sehen werden.“ Die Leute würden in den kommenden Jahren ihr Geld zusammenhalten. Die Schulden seien eh schon hoch und die Finanzreserven knapp.

Shilling weiter: „Die Pandemie ist wahrscheinlich das finanziell und gesellschaftlich folgenschwerste Ereignis seit dem Zweiten Weltkrieg.“

Die Worte sind Wasser auf die Mühlen der Bären. Im Internet macht bereits der „Chart des Grauens“ die Runde – ein Vergleich der Kursentwicklung von 1929 und jetzt. Damals ging es wie heute nach dem Crash nach oben. 1930 kam dann noch ein Crash – und was für einer. 

Wohlgemerkt ähneln sich die Charts bislang, und die Situationen damals und heute sind auf ihre Weise eine Katastrophe. Es gibt aber sehr gute Gründe, warum wir dieses Mal besser aus der Misere kommen als die Menschen vor 90 Jahren.

Während der Crash und die Rezession jetzt ein plötzlicher Schock sind, war der Zusammenbruch von 1929 die Summe einiger Sachen, die jahrelang in die falsche Richtung liefen. Die Amerikaner waren in den 20er Jahren von einem Aktienfieber gepackt worden, was dazu führte, dass die Bewertung der Unternehmen bald nicht mehr ansatzweise zum wirtschaftlichen Wachstum passte.

Die Lust der Spekulanten wurde befeuert durch die Möglichkeit, Aktien zu hebeln. Viele Amerikaner nahmen Kredite auf. Angst vor Verlusten hatte niemand. Das konnte nicht lange gutgehen.

Warum die Blase im Herbst 1929 platzte, ist noch heute umstritten. Die Folgen jedenfalls waren fatal. Die Wirtschaft lag in Trümmern, jeder vierte Amerikaner verlor seinen Job. Die Depression mündete im Zweiten Weltkrieg.

Eine sehr unglückliche Rolle spielte damals die Fed. Den US-Notenbankern war die Spekulationswelle in den USA schon 1928 unheimlich. Sie befürchtete eine Inflation und entzog dem Markt Geld, indem sie den Leitzins anhob. Ein fataler Fehler, denn der Kreditmarkt war damit trockengelegt. Gegen die folgende Pleitewelle war somit kein Kraut mehr gewachsen.

Aus diesem Fehler hat die Fed viel gelernt und sich in den vergangenen Jahrzehnten immer frühzeitig darum gekümmert, dass genug Geld in den Markt fließt. So auch in der Coronakrise. Am 23. März kündigte die Fed an, dass sie Anleihen kaufen wird. „Dabei haben sie kein Enddatum festgelegt“, sagt der renommierte US-Ökonom Edward Yardeni. „Auch gibt es kein Limit.“

Yardeni bezeichnet diese Maßnahme als "QE4ever". Heißt: Die Geldpolitik wird solange ultralocker bleiben, wie es sein muss. Genau das habe der Markt hören wollen, so Yardeni. Seine Prognose: In spätestens 19 Monaten steht der S&P 500 20 Prozent höher.

Aber nicht nur die Geldpolitik lässt die Gesamtsituation 2020 besser aussehen als vor 90 Jahren. Jedem ist klar, dass die Krise mit einem Schlag beendet ist, sobald ein Impfstoff oder ein taugliches Medikament auftaucht. Die Wirtschaft dürfte dann möglicherweise sogar besser laufen als zuvor, wenn es zu den berühmten Nachholeffekten kommt.

1929 hingegen waren viele Leute ruiniert. Die Staaten hatten gar nicht die Instrumente, die Leute, die ihren Job verloren hatten, aufzufangen. In den USA kam dies erst Jahre später mit dem New Deal unter Präsident Franklin Roosevelt.

Ein weiterer, wichtiger Unterschied zwischen damals und heute ist natürlich die moderne Technik. Dank Digitalisierung können wir nun unsere Arbeit von zu Hause aus erledigen. Amazon liefert uns die Pakete, Delivery Hero die Pizza. Die Wirtschaft kann zu einem großen Teil weiterlaufen.

Damals hingegen stand ganz viel ganz lange still.

DER AKTIONÄR ist optimistisch für die Aktienmärkte. Allerdings ist Stock-Picking bis zum Impfstoff noch wichtiger als sonst. Welche Aktien in den kommenden Monaten das Zeug zum Outperformer haben, lesen Sie in der neuen Ausgabe.

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