Für Kreuzfahrt-Gesellschaften ist Venedig ein Traumziel, für die Einheimischen und die vom Untergang bedrohten Bauwerke der Lagunenstadt sind die Riesenschiffe jedoch ein Albtraum. Nach der Rückkehr der Cruiser Anfang Juni flammte die Diskussion wieder auf. Nun greift Italiens Regierung durch. Ab 1. August ist die Einfahrt der Ozean-Riesen in die Lagune von Venedig verboten. Ein Rückschlag für Carnival, Aida, Royal Caribbean & Co?
Italiens Regierung hat ein Einfahrverbot für große Kreuzfahrtschiffe durch die Lagune Venedigs beschlossen. Die Maßnahme gelte für Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 25.000 Bruttoregistertonnen oder einer Länge über 180 Metern beziehungsweise mehr als 35 Metern Höhe, heißt es in einer Mitteilung aus Rom. Ab dem 1. August sollen keine Kreuzfahrer mehr durch die Lagune fahren.
Das Verbot gilt auch für Pötte, die gewisse Abgasnormen überschreiten. Schiffe, die als nachhaltig gelten oder nicht unter die Kriterien für das Verbot fielen, dürften weiterhin die Lagune passieren, hieß es weiter. Es könne sich dabei etwa um Kreuzfahrtschiffe mit einer Größenordnung von rund 200 Passagieren handeln. Zum Vergleich: Die großen, nun verdammten Cruiser nehmen teils mehr als 5.000 Passagiere auf.
Die italienische Regierung sieht in dem Verbot nach eigenen Angaben einen wichtigen Schritt zum Schutz der venezianischen Lagune. Die Aktien von Carnival Corporation oder auch Royal Caribbean reagieren am Mittwoch im US-Handel jedoch nur mit kleinen Kursabschlägen. Insgesamt halten sie sich auf dem zuletzt gedrückten Niveau.
Auch der Verband der Kreuzfahrt-Reedereien sieht in dem Verbot "keine schlechte Nachricht". Auf Venedig habe die Industrie ohnehin in diesem Jahr keine Priorität gelegt, sagte ein Verbandssprecher der dpa. Nun habe man etwas mehr Planungssicherheit, da der Hafen in Marghera, an dem derzeit etwa Containerschiffe anlegen, für den Übergang als temporäre Anlegestelle dienen solle. Zudem sieht das neue Gesetz Entschädigungen für betroffene Firmen und Arbeiter vor, verkündete das Kultusministerium.
Parallel sucht der Hafen von Venedig nach Anlege-Vorschlägen außerhalb der Lagune für die Zukunft, damit die Schiffe nicht mehr durch den Canale della Giudecca, vorbei am berühmten Markusplatz fahren. Bis zum 31. Dezember 2021 können Ideen vorgestellt werden, aus denen eine fünfköpfige Expertenrunde die drei besten aussucht. Dafür sollen bis zum 31. Dezember 2022 Machbarkeitspläne entwickelt werden. Bis zum 30. Juni 2023 soll das Gewinnerprojekt feststehen. Das Infrastruktur-Ministerium will dafür 2,2 Millionen Euro bereitstellen.
Auch die Kreuzfahrt-Gesellschaften sind nicht untätig. Bereits seit einigen Jahren arbeitet man am Einsatz von Flüssigerdgas (LNG), um die Kreuzfahrt-Umweltbilanz nachhaltig zu verbessern. Das gilt insbesondere für die Carnival Corporation. Unter dem Dach dieses mit mehr als 100 Schiffen größten Players im Kreuzfahrt-Business finden sich Marken wie Carnival Cruise, AIDA Cruise, Princess Cruises und P&O Cruises.
2022 sollen weitere LNG-Schiffe fertiggestellt werden. Insgesamt könnte die Carnival Corporation bis 2025 konzernweit zehn Cruiser mit LNG-Antrieb einführen. Die Emission von Stickoxiden verringert sich bei LNG-Schiffen um bis zu 80 Prozent, der CO2-Ausstoß eines Kreuzfahrtschiffes um weitere 20 Prozent.
Seit Jahren streiten Aktivisten, Einheimische und die Tourismus-Industrie um die Kreuzer in der Lagune. Sie hat mehrere kleine Landstreifen und Inseln und ist weitgehend vom offenen Meer abgetrennt. Dort liegt auch die historische Altstadt mit ihren Touristen-Attraktionen. Die Riesenschiffe zerstören nach Ansicht von Kritikern die Lagune, beschädigen die Fundamente der Stadt und verschmutzen die Luft. Der Kreuzfahrt-Tourismus bringe der Stadt auch wenig wirtschaftliche Vorteile, weil die Passagiere dort nicht schliefen und oft nur wenig Geld ausgäben. (Mit Material von dpa-AFX)
Der Kreuzfahrten-Anbieter Carnival Corporation steht vor allem wegen der sich ausbreitenden Delta-Variante des Coronavirus unter Druck. Das Venedig-Verbot hat derweil wenig Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des amerikanisch-britischen Konzerns.
Dank Impffortschritten und einer anvisierten Vollauslastung der Carnival-Schiffe ab kommenden Frühjahr bleibt DER AKTIONÄR deshalb längerfristig optimistisch für die Aktie gestimmt. Engagierte Anleger setzen sich jedoch bei knapp 20 Dollar (bzw. etwa 16,50 Euro) eine Stop-Loss-Marke.