Börsengänge sind zeitaufwendig und enorm teuer. SPACs bieten Firmen den Sprung auf das Parkett sozusagen durch die Hintertür.
Trotz Coronakrise hat sich 2020 bislang gut entwickelt, was die Zahl der Börsengänge insbesondere an der Wall Street betrifft. Laut Branchendienst Renaissance Capital reichten im laufenden Jahr insgesamt 99 Firmen die für einen Börsengang notwendigen Dokumente bei der US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC ein, bei 65 klappte bislang der Sprung auf das Parkett. Dass beide genannten Werte unter dem Vorjahr liegen, ist dem globalen Aktiencrash vom Frühjahr geschuldet und zu vernachlässigen, zumal die Pipeline an IPOs weiter gut gefüllt ist. Immer häufiger nutzen börseninteressierte Firmen dabei ein Konstrukt namens SPAC, statt auf ein klassisches IPO zu setzen. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff SPAC und weshalb sollten sich Anleger dafür interessieren?
Langwierig und teuer
Die Vorbereitungen für einen klassischen Börsengang sind vom Gesetzgeber klar definiert und entsprechend aufwendig, auch kosten sie viel Geld. Abschlüsse müssen erstellt und Dokumente vorbereitet werden, SEC und Börse müssen dem Ganzen ihren Segen erteilen. Üblicherweise vergehen von der Ankündigung eines Börsengangs bis zu dessen Umsetzung zwischen sechs bis neun Monate, die Kosten gehen in die Millionen. Mit einem SPAC sparen sich Börsenaspiranten eine Menge Arbeit und unter Umständen auch viel Geld. Die Abkürzung steht dabei für Special Purpose Acquisition Company und bedeutet ins Deutsche übersetzt in etwa Zweckgesellschaft für eine Akquisition, früher auch als Mantelgesellschaft tituliert. Ein SPAC wird üblicherweise mit dem Zweck gegründet zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Gesellschaft zu übernehmen.
Die Gründung eines SPACs wird dabei in der Regel von erfahrenen Profis übernommen, die über Kenntnisse in bestimmten Branchen verfügen, etwa der Biotechnologie, und die das mit dem anschließenden Börsengang eingesammelte Kapital für eine Übernahme in diesem Bereich nutzen. Der Knackpunkt: Nicht immer ist den Initiatoren des SPACs zum Börsengang ihr Ziel bekannt (oder sie wollen es nicht verraten), sodass die Anleger keine Ahnung haben, in was sie eigentlich investieren. Bei der Mittelverwendung der SPACs in den Börsenprospekten ist daher gern die Rede von „for general purposes“, was also alles sein könnte. Der Anleger bleibt im Dunkeln, weshalb SPACs auch „Blank Check Company“ heißen, denen die Geldgeber quasi einen Blankoscheck ausstellen.
Boom bei SPACs
Trotz dieser offensichtlichen Nachteile, die Anleger in Kauf nehmen müssen, läuft das Geschäft mit SPACs glänzend. Laut Renaissance Capital haben bislang 39 ihr Börsendebüt gegeben und warten nun darauf, ihre Bestimmung zu erfüllen. Dass das Segment boomt, erklärt sich mit den Vorteilen für jene Unternehmen, die schließlich von einem SPAC übernommen werden. Der Umweg über die Übernahme spart zunächst einmal Zeit, weil der SPAC bereits börsennotiert ist und ein Großteil des „Papierkriegs“ damit erledigt. Die von SPACs gezahlten Preise liegen zudem üblicherweise um bis zu 20 Prozent über dem, was eine Private-Equity-Gesellschaft zu zahlen bereit wäre. Ein zusätzlicher Vorteil: Die Übernahme durch einen SPAC unterliegt selten Marktschwankungen und damit der „Laune“ der Wall Street.
Doch natürlich profitieren auch SPACs. Kommt es zu einem Deal, erhalten die Initiatoren üblicherweise einen Anteil an der neuen Gesellschaft. Auch diejenigen, die beim Börsengang des SPACs Kapital investiert haben, profitieren. Sie erhalten zunächst Anteile sowie Optionen, die sie später in Aktien tauschen können. Der Teil mit der Aktienoption ist ein weiterer Anreiz für die frühen Investoren, ihr Kapital überhaupt in eine „Blank Check Company“ zu stecken.
Virgin Galactic hebt ab
Einer der größten SPAC-Deals der jüngeren Vergangenheit war der Einstieg von Chamath Palihapitiyas Social Capital Hedosophia Holdings bei Richard Bransons Virgin Galactic. Palihapitiya ließ sich den Einstieg ins Weltraumtourismus-Geschäft rund 800 Millionen Dollar (für 49 Prozent der Anteile) kosten. Ein Riesengeschäft für alle Beteiligten. Branson schaffte es mit seiner Träumerei an die Börse und Palihapitiya erzielte enorme Kurszuwächse. Die Aktie von Virgin Galactic kletterte von unter zehn Dollar auf in der Spitze 43 Dollar. Selbst nach einer Korrektur auf zuletzt 16,50 Dollar beträgt die Marktkapitalisierung noch rund 3,6 Milliarden Dollar.
Nikola gibt Strom
Beim „Börsengang“ von Nikola Motor war ebenfalls ein SPAC involviert: VectoIQ. Der SPAC wurde 2018 gegründet und sammelte von Investoren 225 Millionen Dollar ein. Lange passierte nichts bei VectoIQ, dann – Trommelwirbel – die Nachricht: VectoIQ übernimmt Nikola, den Hersteller von Elektro- und Brennstoffzellen-Lkws – und aus Sicht vieler Anleger die „nächste Tesla“. Seit dem Merger ist die Aktie von zeitweise zehn Dollar auf in der Spitze 86 Dollar regelrecht explodiert. Ein tolles Geschäft auch hier für alle, die bei dem Deal involviert waren und sich noch immer fragen dürften, wie es ein Unternehmen ohne Umsätze zu einem Börsenwert von (aktuell) 18 Milliarden Dollar bringt.
Laserscharf mit Velodyne
In der SPAC-Szene zieht aktuell Graf Industrial Aufmerksamkeit auf sich. Geplant ist die Fusion mit Velodyne Lidar, einem Entwickler von lasergestützten Sensoren für den Betrieb von selbstfahrenden Autos und autonom agierenden Robotern. Velodyne war nie an der Börse, gilt aber als zukunftsträchtig und verfügt zudem mit Ford und Baidu über renommierte Investoren (seit 2016), die die Sensoren von Velodyne selbst nutzen. Graf zufolge soll die Fusion bis September über die Bühne gehen – bis dahin dürfte der Kurs des SPACs dann nochmals kräftig angezogen haben.
Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 29/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.