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26.09.2017 Florian Söllner

Bitcoin und ICOs in voller Blüte: Tulpenmanie oder Geld-Revolution?

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Ach, wir wissen, dass die Blumen welken schon nach kurzer Frist, doch Erwartung ihrer Blüte unsres Herzens Leben ist“, so der japanische Kaiser. Mit Melancholie blickten im 16. Jahrhundert auch viele Holländer auf Tulpenzwiebeln in ihren Händen. Viele hatten auf dem Höhepunkt 10.000 Gulden für seltene Exemplare wie die „Semper Augustus“ bezahlt. Eine unfassbare Summe für eine Tulpe: Nach heutigem Maßstab entspricht dies in etwa 300.000 Euro. Viel Geld – vor allem, da gierige Spekulanten nach dem Platzen der Blase beim Verkauf quasi nichts mehr für ihre bunten Tulpen erhalten haben – der Kursverfall betrug im Schnitt 95 Prozent gegenüber dem Hoch. Zumindest was den rasanten Wertanstieg quasi aus dem Nichts angeht, sind die Parallelen zum aktuellen Boom der Kryptowährungen unverkennbar. Ein Bitcoin ist seit dem Entstehen in einem privaten Computer im Jahr 2009 von 0,0025 US-Dollar auf aktuell 4.619 US-Dollar gestiegen, weswegen Buchautor Thorsten Schulte („Kontrollverlust“) gegenüber dem aktionär von der „Tulpenzwiebel des 21. Jahrhunderts“ spricht. Auch Nobelpreisträger Robert Shiller sieht eine ähnliche „spekulative Blasenbildung“.

Vorteil Bitcoin: Strikte Begrenzung

Sind Bitcoins nur ein Hype wie der damalige irrationale Run auf Blumen? Der Vergleich hinkt: Während im 16. Jahrhundert nach der Verteuerung der Tulpenzwiebeln europäischen Bauern hastig Zwiebeln anbauten und für eine Vervielfachung des Angebots sorgten, ist es eine Eigenheit des Bitcoins, dass die Anzahl laut Algorithmus begrenzt ist.

Neben warnenden Stimmen von Experten wie Marc Faber gibt es daher auch viele Bitcoin-Superbullen. Bitcoin.de-Gründer Oliver Flaskämper träumt weiterhin von Kursen von 140.000 Euro. Noch optimistischer ist Blockchain-Experte Dr. Julian Hosp, der im Gespräch mit dem aktionär eine Verhundertfachung in Aussicht stellt.

Grenzenlos ist auch die Fantasie der Bitcoin-Experten, was mit dieser dank Blockchain-Technologie so effizienten Weltwährung noch möglich ist, sollten Menschen beginnen, sie nicht nur wie jetzt im Darknet zu benutzen, sondern damit auch bei Amazon oder Aldi einzukaufen. Zumindest bei Edeka kann man in einem Internet-Shop schon mit Bitcoin bezahlen. Und die Verbreitung könnte explosionsartig zunehmen. Das World Economic Forum verwies darauf: Aktuell liegt der Wert von Bitcoin mit 70 Milliarden Dollar bei weniger als 0,1 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung in Höhe von 80 Billionen – doch schon im Jahr 2027 könnten zehn Prozent des BIPs über Blockchain-Technologie abgewickelt werden.

Boom der Mini-Bitcoins

Ein gewaltiger Markt, um den immer mehr Kryptowährungen ringen – mittlerweile gibt es einen bunten Strauß von über 1.000 neuen Coins beziehungsweise Tokens. OmiseGo etwa will ein Bitcoin-Bezahlsystem etablieren: Im Juli wurden die Privatwährung beziehungsweise das Token für 0,27 Dollar ausgegeben – Stand heute wird das Token bei 10,85 Dollar gehandelt – Gesamtwert ein Milliarde Dollar! Ein Wildwuchs, der in vielen Fällen zu großen Verlusten führen wird – denn einen inneren Wert, eine Substanz, haben virtuelle Währungen nicht. Werden sie nicht genutzt oder von Investoren gekauft, droht Kursziel null.

Doch zumindest beim Platzhirsch Bitcoin ist ein Ende des Interesses noch nicht absehbar. Bisher wurde in den USA einem Bitcoin-ETF die Zulassung verweigert – doch mit Dalia Blass ist nun ein Fintech-freundlicher Topmanager bei der SEC dafür verantwortlich. Auch Trump-Berater Peter Thiel ist ein großer Fan der Blockchain.

Riskante Wetten

Bitcoin ist schon zu bekannt und groß, um komplett zu verschwinden. Doch der aktuelle Hype ist greifbar, die Euphorie immens, die Gefahr einer empfindlichen Korrektur und des Verwelkens so mancher Mini-Kryptowährung daher groß. Wahrscheinlichstes Szenario: Wie nach dem Crash von Internet-Aktien zur Jahrtausendwende, als 80 Prozent der Start-ups verschwanden, aber das Internet und die großen Player die Welt veränderten, werden auch die Technologie Blockchain und einzelne Kryptowährungen ihren Siegeszug fortsetzen.

(Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 37/2015 erschienen)

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