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"Biotech ist hocherfolgreich"

Foto: Börsenmedien AG
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05.08.2011 ‧ Frank Phillipps

Bereits zum zweiten Mal versammelte DER AKTIONÄR wichtige Vertreter der Biotech-Szene in Deutschland an einem Tisch. Nachfolgend die Highlights der zweistündigen Diskussion.

Nach der Premiere im vergangenen Jahr traf DER AKTIONÄR erneut, dieses Mal in München, sieben Vorstandschefs deutscher Biotech-Firmen. Thema der Runde war unter anderen die Akzeptanz der Branche bei den deutschen Investoren.

DER AKTIONÄR: Bei Biotech-Firmen lassen sich grob drei Geschäftsmodelle unterscheiden. Es gibt Dienstleister, reine Medikamentenentwickler, aber auch Firmen, die auf beiden Gebieten tätig sind. Herr Lanthaler, Sie sind als Finanzchef von Intercell den Weg des reinen Impfstoffentwicklers mit gegangen, Evotec haben Sie dagegen umgebaut hin zum Dienstleister. Warum?

Dr. Werner Lanthaler (Evotec): Ich denke, man muss immer das tun, worin ein Unternehmen am stärksten positioniert ist und es entlang dieser Stärke weiterentwickeln. Für Intercell bestand diese Stärke darin, sich durchzukämpfen und zu beweisen, dass man ein Phase-III-Produkt auch nachhaltig in den Markt bekommen kann. Man hatte keine unmittelbare Lizenzmöglichkeit gesehen. Es gibt einfach Produkte, die sind zu klein, um sie nach einer Phase-I- oder Phase-II-Studie zu verpartnern. Evotec hat eine andere Kernstärke, ein komplett anderes Technologieportfolio. Wir wollen eine pharmazeutische Pipeline entwickeln, aber nicht das Risiko der pharmazeutischen Pipeline tragen oder teilen. Das kann man, wenn man eine gewisse Größe hat. Es funktioniert allerdings nicht, wenn man ein kleines Portfolio hat. Wenn ich nur zwei Projekte bearbeiten würde, wäre das Risiko zu groß. Das war die Ausgangssituation, in der sich Evotec vor drei Jahren befunden hat. Und es gibt auch keine Überlegung, dahin zurückzugehen.

Herr Moroney, Sie gehen ja beide Wege, auf der einen Seite als Antikörperlieferant, auf der anderen Seite entwickeln Sie eigene Produkte. Wie ist es dazu gekommen? Das Zulieferer-Geschäft läuft doch prima, warum noch das Risiko einer eigenen Pipeline?

Dr. Simon Moroney (Morphosys): Ich glaube, der Punkt ist: Egal, was man plant, man muss die Pläne irgendwie finanzieren können. Man erreicht das entweder durch Kapitalerhöhungen oder man muss Umsatz generieren. Wir haben ein Modell, mit dem wir alle unsere Pläne, durch die Umsätze, die wir generieren, finanzieren können. Es war immer unser Plan, nicht auf einzelne Substanzen wetten zu wollen, weil es ein hohes Ausfallrisiko in der Entwicklung gibt. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen an vielen Produkten beteiligt werden. Einige Partnerprojekte und einige eigene Projekte. Und wir haben das große Glück dies selbst finanzieren zu können und absolut unabhängig von den Kapitalmärkten zu sein.

Aber der Grund, warum wir eigene Arzneimittel entwickeln, ist, dass wir der Überzeugung sind, dass wir nur dadurch die Ziele erreichen können, die wir für uns gesetzt haben. Und zwar, extrem zu wachsen. Wir haben ein gewisses Niveau mit unserer Marktkapitalisierung erreicht, über das wir nicht nachhaltig kommen würden, ohne viel mehr in Produktentwicklung involviert zu werden. Und das ist die Basis für die­se Entscheidung, mehr in Produktentwicklung zu investieren.  

Und dabei das Risiko einzugehen, dass etwas schiefgehen kann. Diese schmerzliche Erfahrung musste 4SC erst kürzlich machen. Aber genau in diesem Moment ist es beruhigend, wenn man kein One-Trick-Pony ist, sondern auf verschiedene Produktkandidaten setzt und das Risiko streut.

Dr. Ulrich Dauer (4SC): In der Tat. Aber ich würde gerne noch einmal daran anknüpfen, was Werner Lanthaler gesagt hat. Ich bin auch der Überzeugung, dass man ein Unternehmen entlang seiner Kernstärken entwickeln muss und entlang der Koordinaten, wo man selber überzeugt ist, dass man auch kompetitiv ist. In unserem Fall ist das die Medikamentenentwicklung. Und manchmal lassen sich diese Kernstärken eben nicht beliebig auf unterschiedliche Geschäftsmodelle projizieren. Ich habe viel Respekt vor der unternehmerischen Leistung von Herrn Moroney, der es wirklich geschafft hat, hier im Grunde so ein duales Modell zu fahren. Ich glaube, dass das für eine 4SC kein Weg ist. Und insofern müssen wir das Risiko, das neben den Chancen in unserer Branche eben existiert, managebar machen durch das Design einer Pipeline. Wir haben in einem von acht Projekten einen Rückschlag erlitten. Ich bin davon überzeugt, dass es verfrüht ist, heute eine Erfolgsbilanz für 2011 zu ziehen. Wir haben zwei weitere Phase-II-Studien, die in der zweiten Jahreshälfte zum Abschluss kommen werden, sowie weitere Phase-I-Studien. Wir sind nach wie vor vom Potenzial, das in unserer Pipeline steckt, überzeugt.

Prof. Dr. Olaf G. Wilhelm (Wilex): Ich würde sagen,  es gibt nicht DAS Modell. Es gibt Investoren, die Plattformfirmen präferieren, die sich dann selber finanzieren, andere wiederum bevorzugen andere Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel Medikamentenentwickler. Wir dürfen nicht vergessen, die großen Biotech-Firmen auf der Welt, wie Amgen oder Genentech, sind reine Medikamentenentwickler und sie sind sehr erfolgreich. Und wie Simon Moroney gesagt hat: Um die nächste Wertschöpfungsstufe zu erreichen, muss ich in die Produktentwicklung gehen. Es geht aber auch um die Balancierung des Risikos, indem man auf verschiedene Pferde setzt. Wir haben das von Anfang an im Auge ge­habt, genau wie bei unseren Akquisitionen. Sie müssen eine gewisse Basis schaffen, auf der Sie weiter aufbauen können. Es ist sicherlich ideal, wenn man eine Plattformfirma hat, die Geld generiert, um Produktentwicklung zu finanzieren und unabhängig vom Kapitalmarkt ist. Hierdurch verschiebt man das Risiko zeitlich nach hinten und möglicherweise auch gewisse Chancen, wie zum Beispiel Wettbewerbsvorteile.

Wichtig ist die Konzentration auf das Kerngeschäft, keine Diversifizierung, sondern nach ergänzenden Produkten zu suchen und eine Nische zu finden, um gegen die Großen konkurrieren zu können. Denn am Ende des Tages tun wir das alle, wir konkurrieren mit den Pfizers und den Roches dieser Welt und auch um deren Geld. Früher waren Lizenzvereinbarungen einfacher, weil es eine größere Anzahl von Pharmaunternehmen gab. Diese Gruppe der großen Pharmapartner ist massiv geschrumpft durch Übernahmen und Fusionen. Das heißt, die Finanzierungsquelle aus Pharmakooperationen verengt sich. Das Biotech-Modell, ein Medikament zu entwickeln bis Phase I oder II, dieses dann auszulizensieren und damit gut Geld zu verdienen, ist erheblich schwieriger geworden. Aber nicht unmöglich, wie auch unsere Vereinbarungen in der jüngsten Zeit zeigen.

Dr. Torsten Hombeck (Agennix): Wir würden auch gerne auf mehrere Produkte setzen, aber es muss eben auch alles finanziert werden. Die Finanzierung hört ja nicht auf, wenn man etwas einlizensiert, sondern sie fängt dann erst an. Mit der Investition in weitere klinische Studien, um die Produktentwicklung voranzutreiben. Letztendlich konkurrieren wir alle um finanzielle Mittel. Dabei gibt es unterschiedliche Wege. Unser Weg ist über den Kapitalmarkt gegangen und über die Investoren, wie beispielsweise Dietmar Hopp.

Dr. Wolfgang Söhngen (Paion): Wir haben bei Paion unser Unternehmen natürlich ebenso entlang unserer Kernkompetenz aufgebaut, also der Entwicklung in teilweise schwierigen Indikationen. Letztlich ist das Therapiegebiet nicht so wichtig. Wichtig ist, dass die Perzeption im Markt ist: Ja, das ist ein adäquates Portfolio, was die Paion heute hat, um am Kapitalmarkt Akzeptanz zu gewinnen. Auch Big Pharma ist momentan ein bisschen mehr risikoavers, als sie es schon einmal waren. Das heißt, die Produkte, die ein geringeres Risiko haben, haben heute auch zum Teil bessere Chancen, einen Lizenznehmer zu finden.

Dr. Ulrich Dauer: Die gesamte Gesundheitsbranche ist sicherlich völlig im Umbruch. Und auch Pharma ist völlig im Umbruch. Es fallen in den nächsten fünf Jahren zwischen 140 und 160 Milliarden Dollar an Umsätzen aus, weil Medikamente aus dem Patentschutz laufen. Die Pharmaökonomie wird sicher eine höhere Rolle spielen bei der Zulassung und beim Pricing. Aber das ist doch kein Problem für eine Branche wie unsere, die wesentlich flexibler auf solche Herausforderungen reagieren kann als diese Pharmariesen. Ich sehe das als immense Chance für unsere Branche.

Lesen Sie morgen im zweiten Teil des Biotech-Round-Tables, wie die deutschen Firmen ihre Akzeptanz am Kapitalmarkt erhöhen wollen und welche Medikamente die Biotech-Chefs für das "nächste große Ding" halten.

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