Selten war der Unterschied zwischen gefühlter Realität im „echten Leben“ und der Kursentwicklung an den Weltbörsen so massiv wie in diesem Jahr. Ein Rückblick.
EM-Viertelfinale, 5. Juli, 106. Minute, es steht 1:1. Cucurella blockt einen Schuss von Musiala mit dem Arm. Schiedsrichter Taylor lässt weiterspielen. Am Ende kassieren wir in der 119. Minute das 1:2 und sind raus. Einer der Momente des Jahres 2024. Einer, an den wir uns erinnern, aber keiner mit echten Auswirkungen auf das Leben auf diesem Planeten.
Da gab es andere. Den hier zum Beispiel: Washington, D.C., 5. November. Donald Trump schlägt Kamala Harris beim Kampf ums Weiße Haus. Das war ein Moment, der für die nächsten Jahre Spuren hinterlassen wird. Ob Russland und Ukraine, China, Naher Osten, Syrien, Israel, NATO oder Deutschland – die große Frage ist jetzt: Was werden die USA unter Donald Trump tun – und was lassen?
Deutschland, 6. November. Die Ampel platzt. Scholz entlässt Lindner, zaudert erst noch mit der Vertrauensfrage, stellt sie dann nach einer hitzigen Redeschlacht am 16. Dezember. Danach ist die Ampel endgültig Geschichte und Deutschland befindet sich im Wahlkampf. Außerdem in der Krise. Die suizidale Wirtschaftspolitik der Ampel hinterlässt Spuren. Das Gespenst der Deindustrialisierung geht um. Insolvenzen häufen sich. Schlüsselbranchen wie die Autobauer haben und machen große Sorgen.
Wohin man sieht, herrscht Unsicherheit. Über die Politik der USA, über die wirtschaftliche Zukunft Frankreichs und auch Deutschlands, über die weiteren Entwicklungen im Nahen und Fernen Osten und vieles mehr.
Lehrbuchmäßig würde jeder einzelne dieser Faktoren den Aktienkursen mehr als nur einen Dämpfer verpassen. Anno 2024 konnte scheinbar kommen, was da wollte. Die Anleger ließen sich nicht beirren. Ich kann mich nicht erinnern, wann unter derart schlechten Rahmenbedingungen ein derart erfolgreiches Börsenjahr zustande kam und Anleger so viel Geld ohne viel Aufwand verdienen konnten. Der DAX stieg auf über 20.000 Punkte und machte Stand jetzt mehr als 20 Prozent Plus. Der Bitcoin notiert bei über 100.000 Dollar und bescherte eine Performance von mehr als 150 Prozent. Ob eine Trendaktie wie Nvidia mit 180 Prozent oder ein Evergreen wie die Münchener Rück mit 37 Prozent – Anleger konnten nicht klagen.
André Kostolany hat einmal gesagt: „Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, der hat sie auch nicht, wenn sie steigen.“ Wer das als Aufruf zu „Kaufen und liegen lassen“ interpretiert hat, der lag in diesem Jahr goldrichtig. Und auch im nächsten Jahr wird Kostolany recht behalten. Die aktuelle Situation zeigt Parallelen zur Lage Ende 2021, auf die Anfang 2022 Kursverluste folgten. Der Unterschied ist: Aktuell ist im Markt keine Euphorie zu spüren. Somit besteht für mich kein Anlass zu übertriebener Sorge.
Ein für alle Anleger und auch für mich persönlich sehr herausforderndes Jahr geht langsam zu Ende. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben, dass Sie in den nächsten Tagen ein wenig zur Ruhe kommen. Dass Sie Zeit finden, dass Sie Freude finden und dass Sie gesund bleiben. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien von Herzen alles Gute! Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in ein bestimmt wieder spannendes Jahr 2025. Wir sehen uns!