Herr Dr. Koller, in den vergangenen Monaten hatten Anleger am Biotechmarkt nur wenig Freude. Zuletzt haben insbesondere die US-Werte nun wieder zulegen können. Wie sehen Sie die derzeitige Lage im Biotech-Sektor? Sehen wir jetzt Einstiegskurse? Geht die Biotech-Story weiter?
Dr. Daniel Koller: Die Schere zwischen der fundamentalen Stärke und Innovationskraft der führenden Biotechnologie-Unternehmen und den Börsenbewertungen hatte sich im ersten Quartal 2016 deutlich ausgeweitet. Äußerungen der US-Präsidentenkandidaten zu den steigenden Gesundheitskosten und möglichen Kontrollen der bis anhin fast freien Preisgestaltung für Medikamente haben zu verbreiteten Gewinnmitnahmen im Sektor geführt.
Im zweiten Quartal hat sich die Situation stabilisiert. Wir konnten wichtige Produktzulassungen und Daten zu Pipeline-Kandidaten beobachten wie das Beispiel Tesaro zeigte. Die erneut aufgeflammte Übernahmeaktivität im Sektor hat die Biotechnologie-Aktien zusätzlich unterstützt. Das dritte Quartal hat klar positiv begonnen, getrieben durch die mehrheitlich überzeugenden Zweitquartalszahlen der großen Unternehmen.
Für den weiteren Verlauf von 2016 erwarten wir eine Vielzahl von Produktzulassungen und einige Meilensteine aus den Forschungs-Pipelines, aber auch die Fortführung der politischen Diskussion betreffend US-Medikamentenpreise.
Werfen wir einen Blick auf Ihr Portfolio. Die größte Position, Celgene, hat sich in den vergangenen Wochen enorm stark entwickelt. Was waren die Gründe? Was ist in Zukunft noch zu erwarten, zumal insbesondere im Hinblick auf Revlimid auch durchaus einige negative Stimmen zu hören sind?
Celgene hat starke Zweitquartalszahlen publiziert. Revlimid, das führende Produkt von Celgene zur Behandlung von Multiplen-Myeloma-Patienten überzeugte mit kontinuierlichem Wachstum. Celgene erzielte einen Umsatz von 1,7 Milliarden Dollar im zweiten Quartal. Die erfolgreiche Produktlancierung von Otezla stärkt den Entzündungs - und Immunologiebereich von Celgene. Dank dieser starken Q2-Zahlen erhöhte Celgene seine Umsatzerwartung für das Gesamtjahr 2016. Anleger positionieren sich zudem für die demnächst anstehenden klinischen Daten. Im Zentrum steht eine klinische Studie mit Endoskopie-Daten für GED-301 zur Behandlung von Crohn-Patienten. Celgene hat zudem eine sehr starke Pipeline für die kommende Jahre aufgebaut,um den Revlimid-Patentverlust in 2025 zu kompensieren und die hohen Wachstumsraten in den kommenden Jahren beizubehalten.
Ein regelrechter Highflyer in Ihrem Depot war die Aktie von Actelion, die vor Kurzem sogar ein neues Allzeithoch erreicht hat. Ist hier das Potenzial nun ausgeschöpft?
Die Aktie konnte im Gegensatz zu den amerikanischen Titeln im Verlauf von 2016 kontinuierlich zulegen. Die weiterhin sehr starken Umsatzgewinne für Opsumit wie auch die ersten Patientenzahlen für Uptravi stimmen den Markt zuversichtlich, dass Actelion ihren Umsatz und Gewinn auch in den kommenden Jahren steigern kann. Die Aktien von Actelion weist weiterhin deutlich Luft nach oben auf für den Fall, dass die PAH-Franchise sich weiterhin besser als erwartet entwickelt und sich weitere Erfolge in der Pipeline abzeichnen. Die marktkritische Haltung gegenüber Ponesimod und Cenerimod, zu Clazosentan, zum Orexin-Rezeptor-Antagonisten aber auch zum Drittgenerations-Endothelin-Antagonisten eröffnet bei klinischen Forschungserfolgen ein deutliches Bewertungspotenzial. Zudem könnte Actelion mit taktisch klugen Zukäufen überraschen.
Einen Kurssprung hat zudem die Aktie von Ionis vollzogen. Wie kam es dazu? Und wie geht es nun weiter bei dem Titel?
Mit dem frühzeitigen positiven Stopp der klinischen Studie von Ionis und ihrem Entwicklungspartner Biogen Idec für Nusinersen zur Behandlung von SMA-Patienten wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht. Nachdem die Gesellschaft vor Kurzem aufgrund seltener Nebenwirkungen für zwei klinische Kandidaten an der Börse abgestraft wurde, stellt dies eine willkommene Nachricht dar. SMA (Spinale Muskelatrophie) ist eine schwerwiegende genetische Erkrankungen, bei der die Motorneuronen die Funktion verlieren. Neugeborene, welche mit Nusinersen behandelt wurden, haben statistisch belegte Vorteile gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe erzielt. Ionis wird in den kommenden Quartalen weitere Phase 3 und Phase 2 Daten veröffentlichen und die enorm breit aufgestellte Pipeline weiter entwickeln. Ganz wichtig wird es sein, die Zweifel um den Wert der Technologie von Ionis, welche sich nach seltenen Nebenwirkungen in zwei Produktekandidaten am Aktienmarkt klar negativ ausgewirkt hatten, mit den kommenden Daten ausräumen zu können.
BB Biotech hat zuletzt auch einige Veränderungen in Portfolio vorgenommen. Was erwarten Sie von den drei neuen im Bunde? Was ist die Fantasie bei den Werten?
Alle drei Werte haben wir aufgrund ihrer vielversprechenden Pipelinekandidaten ins Portfolio aufgenommen. Intra-Cellular Therapies entwickelt ein Schizophrenie-Medikament und wird in den kommenden Monaten mit einer weiteren Zulassungsstudie aufwarten. MacroGenics entwickelt mehrere Antikörper zur Behandlung von Krebserkrankungen. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die DART und Trident Plattform, welche die Herstellung von multispezifischen Antikörpern erlaubt. Tobira entwickelt einen CCR2/5 Inihibitoren zur Behandlung von NASH (Anm. d. Red.: Leberfibrose) Patienten. Damit erweitert BB Biotech sein Portfolio um einen weiteren Neurologie-Titel, einer Plattform Gesellschaft mit Fokus auf Krebserkrankungen als auch einem weiteren Medikamentenkandidaten zur Behandlung von NASH.
Welche wichtigen Entscheidungen beziehungsweise News stehen in nächster Zeit bei Ihren Portfolio-Werten an?
Für das dritte und vierte Quartal erwarten wir eine Vielzahl von Nachrichten aus unserem Portfolio. Zum Beispiel von unseren Neurologie-Portfoliogesellschaften: Neben Intra-Cellular erwarten wir Phase-3-Daten von Sage. Das Unternehmen entwickelt mit SAGE-547 einen neuartigen GABA-Rezeptor-Modulator. Dieser wird in der allerschwersten Form der Epilepsie, dem superrefraktären Status Epilepticus, gestestet und wir erwarten ein Update im vierten Quartal.
Planen Sie Veränderungen in der Strategie von BB Biotech?
BB Biotech zeichnet sich durch ihre mittel- bis langfristige Strategie aus, sowohl in Bezug auf unser Portfolio als auch betreffend Strukturmaßnahmen. Vielversprechende kleinere und mittelgroß kapitalisierte Unternehmen stehen weiterhin im Fokus, um an den zukünftigen Innovationen als Investor teilzunehmen. Kein Geheimnis ist es aber, dass unser Portfolioumsatz aufgrund der längeren Haltedauer eher tief ausfällt. Eine gleiche Haltung zeigt sich in unserer Dividendenpolitik. An der diesjährigen Generalversammlung hat der Verwaltungsrat klar zum Ausdruck gebracht, dass die 5%-Dividendenpolitik fortgeführt wird.
Herr Dr. Koller, vielen Dank für das Interview.