Die aktuelle Krise trifft die Automobil-Hersteller in einer schwierigen Phase. Milliarden-Investitionen in neue Mobilitätsdienste, autonomes Fahren und vor allem in die Elektromobilität haben BMW, Daimler und Volkswagen bereits vor der Krise schwer gebeutelt. Aufgrund der Corona-Krise werden jetzt viele Werke in Europa und in den USA geschlossen.
Die Aktien der drei großen deutschen Autobauer haben massiv an Wert verloren. Wie steht es um BMW, Daimler und VW? DER AKTIONÄR sprach mit dem Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität St. Gallen.
Herr Dudenhöffer, die Aktien von Daimler, VW und BMW fallen ins Bodenlose. Es scheint, als würde es morgen keine Autokäufe mehr geben. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Ferdinand Dudenhöffer: Wir sind mit einer sehr ernsten Situation konfrontiert. Es ist die größte Bedrohung der weltweiten Autoindustrie seit dem zweiten Weltkrieg. Die Krise ist nicht, wie etwa 2009 auf einzelnen Hauptmärkte beschränkt, sondern es sieht so aus, als würden wir eine Kettenreaktion aller Kernmärkte haben: China - Europa - USA. Es sieht nach einem äußerst ernsten Nachfrageinbruch aus, der lange Zeit braucht, um sich wieder zu stabilisieren. Damit entstehen quasi über Nacht gewaltige Überkapazitäten, die hohen Abschreibungsbedarf und hohe Mitarbeiter-Freisetzungen erzwingen. Nicht umsonst hat Peter Altmaier das Wort Verstaatlichung in den Mund genommen. Das werden nicht alle überstehen. Die Landkarte der Autoindustrie wird sich gewaltig verändern.
Lieferketten wurden unterbrochen, in vielen Werken wurde bereits die Produktion stillgelegt. Welche Probleme kommen als nächstes auf die Automobil-Hersteller zu?
Ferdinand Dudenhöffer: Lieferketten sind nicht das Problem. 4 Wochen oder gar 6 Wochen mit eingeschränkter Produktion tut weh, aber gefährdet nicht die Existenz. Das sind Einmalverluste und ein Großteil kann durch Überstunden und ähnliche Maßnahmen wieder aufgeholt werden. Das Problem ist die Nachfrage, die durch den Einbruch des Sozialprodukts über Jahre abbricht. Und als wäre das noch nicht genug. Mit den großen Einbrüchen des Sozialprodukts und den gewaltigen Finanzmassen, die von der Regierungen ins Rennen geworfen werden, besteht zusätzlich die Gefahr des Kollaps des Finanzsystems und von Staatsinsolvenzen.
Vergessen die Börsen nicht, dass die Autobauer mittlerweile weltweit produzieren, heißt im Umkehrschluss auch, dass die Produktion in China ja bereits wieder hochgefahren wird…
Ferdinand Dudenhöffer: Die Börsen schauen nicht auf die Produktion, sondern den Absatz. Nur Absatz bringt Umsatz und lastet Anlagen aus. In China wird durch beherztes Eingreifen der Staatsregierung sicher der Wachstumspfad schneller erreicht als in USA oder Europa. Aber auch dort wird nur mit Wasser gekocht. Es gibt nicht „den“ Schalter, der nach dem Einbruch über Nacht das Sozialprodukt wieder in die Ausgangslage bringt.
Welche Auswirkungen erwarten sie für die deutschen Autobauer im Worst Case?
Ferdinand Dudenhöffer Es gibt Autobauer, die deutlich schwieriger dastehen als VW, BMW oder Daimler, wobei Daimler unter den drei derzeit als schwächster gesehen werden muss. Nehmen Sie Renault, die sich in der Nach-Ghosn-Ära deutlich mit Nissan auseinandergelebt haben, oder der geplante Merger FCA mit PSA, oder Jaguar-Landrover, oder Unternehmen wie Mazda oder Honda.