Mit der Übernahme des niederländischen Wettbewerbers Brandfield stellt sich die fashionette AG nicht nur international breiter auf, die Düsseldorfer wachsen auch in eine neue Dimension. Auf Pro-Forma-Basis sollen die Umsätze in diesem Jahr bereits auf 160 bis 170 Millionen Euro steigen, nach 94,8 Millionen Euro im Vorjahr. Die Redaktion von DER AKTIONÄR sprach mit CEO Daniel Raab über die Akquisition und die daraus resultierenden Synergien, die weitere Expansion sowie eine zweistellige EBITDA-Marge.
DER AKTIONÄR: Herr Raab, war Brandfield Ihr Wunschkandidat für die zum IPO angekündigte internationale Expansion?
Als Unternehmen wollen wir organisch, aber auch anorganisch kontinuierlich wachsen und uns profitabel weiterentwickeln. Aus diesem Grund sind wir stetig auf der Suche nach geeigneten Expansionsmöglichkeiten. Im Rahmen unseres IPOs haben wir die anorganische Wachstumsstrategie und hier insbesondere die geografische Expansion als eine unserer Prioritäten ausgegeben. Dabei stand die Expansion in Richtung der Benelux-Länder von Beginn an ganz oben auf unserer Agenda. Insofern ist Brandfield dank der exzellenten Markenbekanntheit, des dynamischen, aber auch profitablen Wachstums und der großen Synergien in dieser von uns favorisierten Region ein „Perfect Fit“.
Mussten Sie sich beim Kauf von Brandfield gegen Konkurrenten durchsetzen?
Es gab keinen klassischen Verkaufsprozess bei Brandfield. Wir haben die Synergiepotenziale erkannt und sind bereits früh proaktiv auf den Gründer zugegangen. Beide Parteien waren von den Synergien überzeugt und haben die Vorteile der Akquisition erkannt, um die damit einhergehenden Wachstumschancen zu realisieren. Hierbei ist auch zu erwähnen, dass das Brandfield-Team weiterhin aktiv an Bord bleiben und gemeinsam mit fashionette die Marke Brandfield weiterentwickeln wird.
Sie sprechen die Synergiepotenziale an. Wo sehen Sie hier den größten Hebel?
Die Akquisition von Brandfield verspricht zahlreiche Synergiepotenziale. Beide Unternehmen beherrschen das E-Commerce-Geschäft sehr gut, mit dem Unterschied, dass fashionette in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und der Schweiz) und Brandfield in den Benelux-Ländern jeweils ein führender Online-Retailer ist und sich damit sehr gut ergänzen. Der zweite wesentliche Ansatzpunkt ist der komplementäre Produktfokus. Während unser Kerngeschäft den datengesteuerten Verkauf von Premium- und Luxus-Modeaccessoires wie Handtaschen, Schuhe und Sonnenbrillen umfasst, fokussiert Brandfield bisher insbesondere die Produktkategorien Uhren und Schmuck. Zusätzlich hat es das Brandfield-Team geschafft, Eigenmarken aufzubauen, die bereits ca. 40 Prozent des Nettoumsatzes ausmachen. Sicher wird Brandfield auch von unserer proprietären Technologieplattform profitieren, denn Technologie und Business Intelligence sind die Basis, um die wachsende Nachfrage der Kund*innen nach einem personalisierten Einkaufserlebnis zu bedienen. Nicht zuletzt wird uns die neue Umsatzgröße auch nachhaltige Skaleneffekte bescheren, die sich positiv auf unsere Profitabilität auswirken werden.
Der Netto-Kaufpreis lag im unteren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Das ist überraschend günstig für ein profitables E-Commerce-Unternehmen in der Umsatzgröße von 40 Millionen Euro.
Zum Kaufpreis kann ich nur so viel sagen, dass dieser sich im Rahmen der zum Börsengang angekündigten Mittelverwendung der IPO-Erlöse bewegt und das Ergebnis von vielen Gesprächen ist, die letztendlich zu einer wirtschaftlichen Einigung geführt haben. Wie schon erwähnt haben die Gesellschafter von Brandfield keinen Verkaufsprozess initiiert, sondern sind von uns direkt angesprochen worden. Unsere Gespräche waren vom ersten Termin an, als uns der Gründer in Düsseldorf besucht hat, geprägt von den großen Synergiepotenzialen beider Unternehmen und der Möglichkeit einer bereichernden Zusammenarbeit. Das hat sich auch in den Tagen nach der Bekanntgabe der Vereinbarung zu 100 Prozent bestätigt – beide Teams freuen sich riesig auf die Zusammenarbeit.
Welchen Anteil hat Brandfield an Ihrer Umsatz- und Ergebnisprognose 2021? Und wie sieht Ihre Prognose auf Pro-Forma-Basis aus, wenn Brandfield in 2021 bereits die vollen zwölf Monate konsolidiert wäre?
Für das laufende Geschäftsjahr 2021 erwarten wir einen Anstieg der Nettoumsatzerlöse um 49 bis 58 Prozent auf 141 bis 150 Millionen Euro. Organisch rechnen wir mit einem Wachstum um 25 bis 30 Prozent für 2021. Nachdem die Konsolidierung mit dem Vollzug der Transaktion für den 1. Juli erwartet wird, ist Brandfield nur für die Monate Juli bis Dezember mit einem Umsatzanteil von 23 bis 27 Millionen Euro berücksichtigt. An der Prognose für das bereinigte EBITDA von 5,0 bis 6,9 Millionen Euro hat Brandfield einen Anteil von 0,9 bis 1,4 Millionen Euro. Würden wir Brandfield für die vollen zwölf Monate einrechnen, läge die Prognose auf Pro-Forma-Basis bei einem Umsatz von 160 bis 170 Millionen Euro und einem bereinigten EBITDA im Bereich von 6,0 bis 8,1 Millionen Euro.
Wie werden sich die erhofften Lockerungen der Corona-Beschränkungen in den kommenden Monaten voraussichtlich auf Ihr Geschäft auswirken? Müssen Sie befürchten, dass Sie einen Teil Ihrer neu gewonnenen Kunden wieder an den stationären Handel verlieren? Oder überwiegt voraussichtlich der positive Effekt, wenn sich Ihre Kundinnen wieder verstärkt mit Modeaccessoires ausstatten nach dem Ende des Lockdowns?
Wir rechnen überwiegend mit einem positiven Effekt. Wir gehen davon aus, dass die Lockerung der Corona-Beschränkungen in der Tat wieder eine größere Nachfrage nach den Kategorien Handtaschen, Schuhe, Sonnenbrillen, Schmuck und Uhren auslösen dürfte, wenn private Zusammentreffen und Events wieder möglich sein werden. Zusätzlich ist fest davon auszugehen, dass die Online-Penetration generell deutlich zunehmen wird. Bis 2025 wird sich der Online-Anteil am Gesamthandel im Premium- und Luxussegment nach Expertenschätzungen auf rund 30 Prozent kräftig erhöhen. Unser Fokus lag schon immer auf unseren Kund*innen und einer nachhaltigen Kundenbeziehung. Wir nehmen daher an, dass wir von der Rückkehr des sozialen Lebens überdurchschnittlich profitieren werden und 2021 ein starkes Neukundenwachstum von über 20 bis 30 Prozent realisieren können – und das ohne Berücksichtigung der zusätzlichen Neukunden von Brandfield.
Für das laufende Jahr rechnen Sie mit einer rückläufigen EBITDA-Marge. Was sind die Hintergründe und ist diese Entwicklung nur temporär?
In den vergangenen zwei Jahren konnten wir eine starke bereinigte EBITDA-Marge von über neun Prozent realisieren und damit bereits beweisen, wie profitabel unser Business Model ist. Mit der erwarteten weiteren Steigerung der Online-Penetration werden wir in diesem Jahr bewusst höhere Marketinginvestitionen tätigen, die unsere Neukundenakquisition noch einmal um rund 20 bis 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 steigern wird, und nicht zuletzt auch unsere datengesteuerte Online-Plattform weiterentwickeln. Wir möchten langfristig schneller als der Markt wachsen und so weitere Marktanteile gewinnen. Wir sind überzeugt davon, dass unsere Investitionen den Grundstein für eine größere Umsatzbasis legen – auf mittlere Sicht mit einer bereinigten zweistelligen EBITDA-Marge.
Wie wird sich die Brandfield-Integration voraussichtlich mittelfristig auf Ihre Margensituation auswirken?
Mit Brandfield forcieren wir unser dynamisches und vor allem profitables Wachstum. Wir werden die Synergiepotenziale effizient nutzen und für Brandfield eine vergleichbar hohe Marge realisieren. Unsere Margensituation wird demnach nicht negativ beeinflusst werden. Im Gegenteil, als Unternehmensgruppe werden mittelfristig sogar profitieren, in dem wir Skaleneffekte realisieren und unsere proprietäre Technologieplattform auch für Brandfield nutzen.
Ist Ihr Akquisitionshunger damit erst einmal gestillt oder haben Sie bereits weitere Übernahmekandidaten im Visier?
Unser Ziel war und ist es, dynamisch und profitabel zu wachsen und Europas führende Plattform bei Premium- und Luxus-Modeaccessoires zu werden. Wir werden unsere Produktauswahl weiter vorantreiben und in unserer Kernregion DACH und durch die Akquisition von Brandfield auch in den Benelux-Ländern organisch weiterwachsen. Gleichzeitig ist die regionale Expansion Kernbestandteil unserer Wachstumsstrategie. Dazu gehört natürlich auch, unser Wachstum durch Akquisitionen zusätzlich zu stimulieren, weshalb wir schon frühzeitig begonnen haben, an verschiedenen Optionen und Projekten zu arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen und schneller als der Markt zu wachsen.
Fashionette dürfte langfristig schneller wachsen als der Markt und weitere Marktanteile gewinnen. Mit der Brandfield-Übernahme wurde Grundstein für eine größere Umsatzbasis gelegt. Auf mittlere Sicht ist mit einer bereinigten zweistelligen EBITDA-Marge zu rechnen. Nicht ohne Grund sehen die Analysten von Hauck & Aufhäuser die Aktie erst bei 63 Euro fair bewertet - also rund 97 Prozent über dem aktuellen Kursniveau. Wer noch nicht dabei ist, kann das aktuelle Niveau daher weiter zum Einstieg nutzen.DER AKTIONÄR spekuliert im Real-Depot auf steigende Kurse.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.