mVISE will im Geschäftsjahr 2020 beim Umsatz weiter zulegen. Bei der EBITDA-Marge peilen die Düsseldorfer eine Zielgröße von 14 bis 18 Prozent an. Rückenwind verleiht unter anderem die derzeit hohe Auslastung im Beratungsbereich sowie ein „Auftragseingang in Rekordhöhe“ in den ersten Wochen 2020. DER AKTIONÄR sprach mit den mVISE-Vorständen Manfred Götz und Cedric Balzar über die neuen Marketingaktivitäten, die Guidance-Umstellung auf EBITDA sowie die Kursschwäche der mVISE-Aktie.
DER AKTIONÄR: Herr Götz, Sie berichten von einem erfolgreichen Jahresstart mit einem Auftragseingang in Rekordhöhe. Sind dies bereits positive Effekte der veränderten Marketingaktivitäten?
Manfred Götz: Das neue Jahr hat in der Tat in unserem Beratungsbereich mit einem rekordverdächtigen Auftragseingang und einer außerordentlich hohen Auslastung gestartet. Darüber hinaus haben wir das Jahr mit umfangreichen Marketing-Kampagnen begonnen, um die spannenden technischen Weiterentwicklungen unserer Produkte SaleSphere und elastic.io der breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. So bewerben wir z. B. aktuell die neue Windowsfunktionalität für unser Produkt SaleSphere, das speziell entwickelte Messe-Modul und auch die PC-Implementierung von elastic.io mit der weit verbreiteten Windows-Software Sage50. Bei diesen Marketing-Aktivitäten liegt der Schwerpunkt auf den Synergien unserer beiden Produkte mit unserer Beratungsexpertise. Mit positiven Effekten rechnen wir noch in diesem Halbjahr.
Herr Balzar, haben Sie in Ihrer Guidance 2020 einen Spielraum bezüglich einer möglichen Wirtschaftsabschwächung wegen der Corona-Krise eingebaut?
Cedric Balzar: Wir nehmen dieses Thema und die Gesundheit unserer Mitarbeiter sehr ernst. Generell haben wir die Möglichkeit, einen Großteil unserer Tätigkeiten im Bedarfsfall auch aus dem Homeoffice heraus zu tätigen. Unsere Arbeits- und Meeting-Kultur ist online und digital – es ist natürlich schade, wenn sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Zeit persönlich nicht sehen können, aber durch die Homeoffice-Regelung können wir dennoch unsere Arbeit fortsetzen. Ein mögliches Risiko sehen wir in den Strukturen unserer Kunden – aktuell haben wir hier aber noch keine konkreten Hinweise. Als wir die Business-Planung erstellt und beschlossen haben, hat allerdings auch noch niemand diesen Virus gekannt – so schnell können sich Dinge ändern.
Bisher standen bei mVISE mit Blick auf die Guidance Umsatz und EBIT im Vordergrund. Nun geben Sie Umsatz- und EBITDA-Guidance heraus. Heißt das, dass sich bei mVISE die Steuerungsgrößen verändern?
Cedric Balzar: Wir haben uns aus Vergleichbarkeitsgründen entschlossen, die Guidance auf diese Steuerungsgrößen anzupassen. Da wir nach HGB bilanzieren, kann man die Kennzahl EBIT-Marge nur bedingt vergleichen, da die Mehrzahl der Unternehmen nach IFRS bilanzieren. Wir haben durch diverse Zukäufe und der damit verbundenen Hebung von stillen Reserven hohe Abschreibungen in unseren Büchern. Im Handelsrecht muss man diese Werte planmäßig abschreiben, während im IFRS auf diese Werte keine planmäßige Abschreibung vorzunehmen ist, sondern lediglich eine regelmäßige Wertminderungsprüfung. Die EBIT-Marge ist aber weiterhin eine wichtige Steuerungsgröße für unser Unternehmen.
Wie läuft der White-Label-Vertrieb generell? Es drängt sich der Eindruck auf, dass es mit Kunden wie Magic oder der Telekom schleppender anläuft als gedacht bzw. schlechter läuft, als es mit derartigen Kunden grundsätzlich möglich wäre? Welche Möglichkeiten haben Sie seitens mVISE, das Thema zu beschleunigen?
Manfred Götz: In diesem Punkt müssen wir Ihnen Recht geben. Auch wir haben uns von diesen Kunden eine schnellere Umsetzung von Marketing und Vertrieb erhofft. Die Anforderungen, die große Kunden mit sich bringen, konnten wir im letzten Jahr weitgehend umsetzen, so dass es von unserer Seite keine Vertriebshindernisse mehr gibt. So konnten wir in den letzten Monaten die Performance unserer elastic.io-Plattform um ein Vielfaches steigern und den Ressourcen-Verbrauch beim Betrieb der Plattform dramatisch reduzieren. Wir haben viel Energie in das Produkt gesteckt, um das Monitoring und Fehlermanagement – und damit den täglichen Betrieb – zu vereinfachen. Wir haben die Benutzerführung erheblich verbessert und nicht zuletzt haben wir auch das Ökosystem unserer Konnektoren massiv ausgebaut – so sind jetzt z. B. auch Anbindungen an SAP R/3, SAP by Design, Salesforce und Netsuite verfügbar. Wir sind überzeugt, dass diese technische Weiterentwicklung die Vermarktungsmöglichkeiten insbesondere für unsere White-Label-Partner weiter vereinfacht.
Wann wird mVISE die restlichen Anteile an elastic.io erwerben?
Cedric Balzar: Schon im Zuge des Erwerbs der ersten Anteile an der elastic.io GmbH wurden Regelungen für den sukzessiven Erwerb der weiteren Anteile vereinbart. Derzeit hat die mVISE AG einen Anteil von 85,1 Prozent an der elastic.io GmbH. Die Vereinbarungen sehen vor, dass die kompletten Anteile bis Sommer 2021 an die mVISE übergehen können.
Wie steht es um die Auslastung im Bereich Professional Services? Inwiefern hat sich die Auslastung gegenüber dem Sommer 2019, als es zu Auslastungsrückgängen kam, inzwischen verbessert?
Manfred Götz: Wir haben in den Sommermonaten des letzten Jahres tatsächlich eine Auslastungsdelle erlebt. Hier liefen insbesondere zwei Großprojekte aus, ohne dass diese direkt durch Anschluss-Projekte kompensiert werden konnten. Mittlerweile haben wir diese Lücke geschlossen und nahezu Vollauslastung. Der aktuelle Auftragsbestand deutet darauf hin, dass diese Situation mindestens noch im gesamten ersten Halbjahr bestehen wird.
Welche Maßnahmen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung haben Sie nun konkret umgesetzt, um die Ergebnissituation zu verbessern? Und welche Effekte erwarten Sie daraus?
Cedric Balzar: Im operativen Bereich sind wir in der zweiten Jahreshälfte 2019 sehr defensiv mit Neueinstellungen umgegangen, um uns nicht weitere Leerstandskosten aufzubürden. Darüber hinaus reduzieren wir aktuell maßgeblich unsere administrativen Kosten. So stellen wir derzeit z. B. unsere eigene interne IT komplett neu und modern auf. Hier werden wir insbesondere im Sachkostenbereich einige Kostensenkungen umsetzen können. Außerdem haben wir uns hier auch personaltechnisch schlanker aufgestellt, indem wir frei gewordene Stellen nicht nachbesetzt haben.
Auch die Umstellung auf ein konzernweites mVISE Marketing trägt erste Früchte. Hier steht weniger die Kostensenkung im Fokus, sondern mehr die Etablierung von Reichweite und Bekanntheit im Vordergrund. Da wir verstärkt Software-Produkte und Beratungsexpertise im Verbund anbieten wollen, wird sich diese Umstellung unserer Ansicht nach positiv auf Tagesraten, Auslastung, Umsatz und Ergebnis auswirken.
Welche großen Themen wollen Sie 2020 und darüber hinaus mit mVise angehen?
Manfred Götz: Wir fokussieren uns auf das „Stärken unserer Stärken“. Dies erreichen wir durch die Verzahnung von Produkten und Beratungsexpertise verbunden mit einer Steigerung der Tagessätze im Expert-Services-Bereich. Daneben legen wir für unsere konzernweite Vermarktung unsere Schwerpunkte in den Bereichen Telekommunikation & Utilities sowie FBI (Finance, Banking, Insurance), um hier insbesondere Neukunden aufzubauen. Beim Vertrieb unserer Plattform elastic.io legen wir ein besonderes Augenmerk auf den White-Label-Ansatz. Unser Produkt SaleSphere möchten wir in 2020 analog zu unserer iPaaS-Plattform auch für internationale Kunden interessanter gestalten. Weiterhin versprechen wir uns gute Synergien aus unserer Partnerschaft mit Riversand, einem der international führenden Anbieter für Master Data Management. Zu guter Letzt setzen wir hohe Erwartungen auf den Ausbau unseres Entwicklungszentrums in Kiew/Ukraine. Hier konnten wir bereits zum Jahresstart recht vielversprechende Beauftragungen für agile Entwicklungsprojekte für unsere Telekommunikationskunden gewinnen. Diese Entwicklungskapazitäten werden wir in den nächsten Monaten weiter ausbauen.
Die Aktie hat vom Hoch bei 6,34 Euro weit mehr als 50 Prozent an Wert verloren. So gesehen gibt es den Wert so günstig wie lange nicht mehr. Wird es nicht langsam Zeit, dass seitens des Managements ein Zeichen mit Aktienkäufen gesetzt wird? Immerhin hat man zu höheren Kursen im Sommer Aktien abgegeben ...
Cedric Balzar: Über den Kursrückgang sind wir alle nicht glücklich. Wie im letzten Spätsommer schon kommuniziert, haben einige unserer Mitarbeiter ihre Aktienoptionen gewandelt und einen Teil aus Refinanzierungsgründen wieder verkauft. Der überwiegende Anteil der gewandelten Aktien ist aber weiterhin im Besitz unseres Managements. Sie dürfen uns glauben, dass das gesamte Management mit der aktuellen Kursentwicklung nicht zufrieden ist und mit Hochdruck daran arbeitet, dass wir ein besseres Geschäftsjahr 2020 erreichen.
Herr Götz, Herr Balzar, vielen Dank für das Interview.
Die mVISE-Aktie leidet nach wie vor unter der im Dezember erfolgten Prognosekorrektur für 2019, entsprechend haben sich die positiven News zu Auftragseingang und Auslastung noch nicht im Aktienkurs niedergeschlagen. Für risikobereite Anleger bietet sich auf aktuellem Niveau eine interessante antizyklische Kaufchance. Das Kursziel auf Sicht von zwölf Monaten liegt bei 3,50 Euro. Ein Stopp bei 2,00 Euro sichert die Position ab.