DER AKTIONÄR: Der Gewinn im ersten Quartal ist bedingt durch das Coronavirus deutlich zurückgegangen. Die Risikovorsorge hat sich fast verzehnfacht im Vergleich zum Vorjahr. Sind hier im zweiten Quartal nochmals deutliche Steigerungen zu erwarten und wie entwickeln sich die Kreditausfälle?
Marc Heß: Die Covid-19 Krise hat die schärfste globale Rezession der Nachkriegszeit verursacht – mit weitreichenden Effekten für alle Wirtschaftsbereiche. Die Aareal Bank Gruppe kann sich dem selbstverständlich nicht vollständig entziehen. Die Zeiten sind herausfordernd, aber bisher sind wir gut durch die Krise gekommen. Uns kommt zugute, dass wir in einem ausgesprochen robusten Zustand in die Krise eingetreten sind, mit einer sehr komfortablen Kapitalquote und einem sehr guten Risikoprofil, das viel besser aussieht als etwa damals vor der Finanzkrise. Unsere Ausgangslage hatten wir nicht zuletzt auch durch ein aktives De-Risking, also den beschleunigten Abbau von Risikopositionen im vergangenen Jahr noch einmal deutlich verbessert – wie sich jetzt zeigt, zum idealen Zeitpunkt. Dass die Risikovorsorge im ersten Quartal dennoch deutlich angestiegen ist, reflektierte bereits die hohe Unsicherheit aufgrund der verschlechterten gesamtwirtschaftlichen Prognosen. Sie war aber auch stark geprägt von einem Einzelfall in den USA, wo eine bereits ausverhandelte Restrukturierungsmaßnahme im Zuge der Covid-19-Krise nicht mehr umgesetzt werden konnte. Die Risikovorsorge der ersten drei Monate lässt sich daher nicht einfach auf das Gesamtjahr hochrechnen. Wir haben ein sehr konservativ ausgerichtetes Kreditbuch mit niedrigen Beleihungsausläufen und hohen Risikopuffern. Damit sind wir für mögliche Wertveränderungen der finanzierten Objekte - die wir übrigens versuchen werden, so früh wie möglich abzuschätzen und zu verbuchen - und einen zu erwartenden insgesamt verkraftbaren Zuwachs in der Risikovorsorge auch auf Gesamtjahressicht gewappnet. An der unlängst vorgestellten Gesamtjahresprognose, nach der wir ein deutlich positives Betriebsergebnis für erreichbar halten, können wir aus heutiger Sicht festhalten.
Die Areal Bank galt lange als verlässlicher Dividendenzahler für Aktionäre. Aktuell ist man der Empfehlung der EZB gefolgt und hat auf eine Ausschüttung verzichtet. Im Oktober wollten Sie die Situation neu bewerten. Gibt es jetzt schon Hoffnung auf eine Ausschüttung?
Ursprünglich hatten wir für das Geschäftsjahr 2019 einen Dividendenvorschlag von 2,00 Euro je Aktie angekündigt. Wir sind dann aber der Aufforderung der Europäischen Zentralbank an alle von ihr beaufsichtigten Institute gefolgt, bis mindestens Oktober 2020 auf Ausschüttungen zu verzichten. Wie dann die Umfeldbedingungen sind und wie sich die Haltung der EZB zu möglichen Ausschüttungen bis dahin entwickeln wird, das wissen wir heute noch nicht mit Bestimmtheit. Offenkundig denkt man bei der EZB aber bereits über eine Verlängerung nach. In der Tat kann niemand heute vorhersagen, welchen weiteren Verlauf die Krise tatsächlich nehmen wird. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen einem optimistisch oder konservativ gerechneten Szenario einer langsam in Gang kommenden und sich dann schnell beschleunigenden Erholung und dem Szenario einer länger andauernden Krise bzw. einer zweiten Welle, was derzeit leider noch niemand ausschließen kann. Auch wir werden die Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig als abzuwarten.
Die Kapitalausstattung Ihrer Bank liegt mit 20,2 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Mit der Einführung von Basel IV könnte die harte Kernkapitalquote aber merklich schrumpfen. Zudem dürften die Kreditausfälle zumindest in diesem Jahr steigen. Ist die gute Eigenkapitalausstattung in absehbarer Zeit dahin?
Wir verfügen in der Tat über eine sehr starke Kapitalbasis, haben uns sehr frühzeitig auf Basel IV eingestellt und steuern die Bank bereits seit einigen Jahren danach. Unsere Kernkapitalquote liegt auch nach Basel IV bei im internationalen Vergleich sehr guten 14,2 Prozent. Damit haben wir auf der Kapitalseite einen erheblichen Puffer, um auch mögliche negative Entwicklungen abzufedern, falls es doch zu einem ungünstigeren konjunkturellen Verlauf käme als wir es derzeit unterstellen.
Der Konzern ist stark in der Finanzierung von Hotels und Büroflächen engagiert. Durch das Coronavirus findet aber ein Umdenken statt, viele Angestellte wechseln ins Home-Office und Hotels können nur schrittweise öffnen. Merken Sie bereits Auswirkungen im Neugeschäft?
Hochwertige Büroflächen und Hotels werden auch in Zukunft nachgefragt werden, gerade in den guten Lagen der Metropolen, wo wir bevorzugt finanzieren. Davon bin ich fest überzeugt, und ich kenne auch keine seriöse Prognose, die zu einer grundlegend anderen Einschätzung kommt. Wir gehen davon aus, dass wir auch im weiteren Jahresverlauf noch attraktives Neugeschäft machen können, auch wenn wir im Moment etwas zurückhaltender sind. Im Übrigen ist auch die Umsetzung von Neugeschäft in Zeiten eines Lockdowns nicht immer möglich, wenn zum Beispiel zeitweise kein Zugang zum zu finanzierenden Gebäude besteht. Entscheidend ist letztlich auch hier, wie die wirtschaftliche Erholung aussehen wird. Wir gehen davon aus, dass auf den harten Absturz eine sukzessive Erholung folgt, die in diesem Jahr beginnt und sich im kommenden Jahr beschleunigt fortsetzen wird. Eine wirtschaftliche Entwicklung mit dem Verlauf eines L ist allerdings etwas, was Regierung und Notenbanken fürchten und mit großen Programmen auf breiter Front versuchen zu verhindern – hoffentlich erfolgreich. Das Risiko ist aber, wie wir auch den jüngsten Äußerungen von Europäischer Zentralbank und Federal Reserve zur Konjunkturentwicklung entnehmen können, bei weitem noch nicht gebannt.
Die IT-Tochter Aareon gilt als Perle und ist gemessen an der Eigenkapitalrendite profitabler als der restliche Konzern. Wieso schafft es die Aareal Bank nicht das Potenzial selbst zu entwickeln und möchte stattdessen eine Minderheitsbeteiligung verkaufen? Der wahre Wert von Aareon soll durch einen Teilverkauf deutlich werden, aber verlieren Sie dadurch nicht langfristig wichtige Geschäftsanteile?
Die Aareon ist heute schon der wichtigste Wachstumstreiber der Gruppe und sie soll ihr Wachstumstempo in den kommenden Jahren noch deutlich erhöhen. Geplant ist mittelfristig eine Ergebnisverdopplung, vor allem durch den Ausbau des stark wachsenden digitalen Geschäfts. Dies soll durch gezielte M&A-Aktivitäten ergänzt werden – die wir gemeinsam mit einem langfristig orientierten Finanzinvestor als Partner noch weiter forcieren könnten. Davon würden dann die Aareon selbst, ihre Kunden und auch die Aareal Bank als Mehrheitseigentümerin profitieren – und damit auch unsere Aktionäre. Dies auch deshalb, weil wir im Falle einer erfolgreichen Transaktion für die wertschaffende Verwendung von Zuflüssen dieser Größenordnung gute Möglichkeiten sehen. Zum einen könnten wir den Wachstumskurs der Aareon gemeinsam mit dem potenziellen Partner zusätzlich unterstützen. Zum anderen dürften sich auch im Bereich Immobilienfinanzierung Opportunitäten ergeben. Nicht zuletzt könnten wir die Gelder auch zum Kapitalmanagement entlang des ganzen Spektrums des regulatorischen Eigenkapitals einsetzen. Eine wertschaffende Verwendung im Unternehmen ist für uns immer prioritär und unterliegt auch nicht den derzeitigen Ausschüttungsbeschränkungen der EZB, eine Ausschüttung natürlich schon. Im Übrigen ist der Zeitpunkt, gerade jetzt eine solche Transaktion ernsthaft ins Auge zu fassen, besonders günstig: Wir gehen davon aus, dass die Covid-19 Krise als weiterer Katalysator zu einem nochmals erhöhten Bedarf an IT-Unterstützung und zu einem zusätzlichen Digitalisierungsschub in der Immobilienwirtschaft führt – eine Situation, die der Aareon klar in die Hände spielt. Das macht sie zu einem noch attraktiveren Asset, für uns selbst, aber auch für eine große Zahl potenzieller Interessenten an einer Minderheitsbeteiligung
Das Interview erschien bereits in der Ausgabe 28/2020 von DER AKTIONÄR. Wenn Sie mehr zu Themen dieser Ausgabe wie zum Beispiel den Game-Changer-Aktien wissen wollen, klicken Sie hier.