Goldene Zeiten für Angestellte. Fachkräfte sind trotz Flüchtlingswelle Mangelware. Früher mussten Arbeitssuchende mit ihrer Bewerbungsmappe unter dem Arm Klingeln putzen. Heute reicht es oft, seinen Lebenslauf auf dem Business-Portal Xing einzugeben – und Headhunter durchforsten die Profile und klopfen bei den Talenten an. Die Knappheit an guten Mitarbeitern führt dazu, dass auch Unternehmen viel Geld ausgeben, um sich auf Portalen wie Xing zu präsentieren.
Xing stellt sich und seine Aktie auch selbst seit Jahren geschickt ins Schaufenster internationaler Investoren. Die Frage bleibt: Holt sich eine große Adresse eines Tages das deutsche Internet- Talent Xing komplett ins Haus? Die Analysten der Commerzbank sind zuversichtlich und schreiben: „Wir glauben, dass die wiedergewonnene Stärke von Xing und das deutlich verbesserte Wachstumsprofil die Attraktivität für jeden Käufer steigern.“ Tatsächlich ist die operative Dynamik weiterhin beachtlich: „Im zweiten Quartal kletterte der Umsatz um 24 Prozent auf 30,2 Millionen Euro und das EBITDA sogar um 35 Prozent auf 9,5 Millionen Euro. Und die Wachstumsstory geht weiter. Hatte Xing Ende des ersten Halbjahres noch 8,8 Millionen Mitglieder im deutschsprachigen Raum, sind es mittlerweile schon über neun Millionen. Analysten erwarten, dass der Umsatz bis 2019 um knapp 70 Prozent auf 200 Millionen Euro zulegt und der Gewinn überproportional steigt. Hauck & Aufhäuser-Analyst Lars Dannenberg sieht vieles, was neben dem Userwachstum für steigende Umsätze sorgen kann: „den Preis für Neukundenverträge zu erhöhen, höherpreisige Produkte einführen und mehr Premiumkunden gewinnen“. Seinen Schätzungen zufolge wächst die Jobvermittlungs- Sparte bis 2017 um jährlich 38 Prozent.
Die Xing-Aktie hat zuletzt beeindruckende Relative Stärke gezeigt. Operativ bleibt die Dynamik hoch, zudem ist jederzeit mit Produktneuheiten oder Zukäufen zu rechnen. Auch wenn die Aktie angesichts eines 2016er-KGVs von 38 kein Schnäppchen ist – aufgrund des stimmigen Geschäftsmodells dürfte das Internet- Talent bei Investoren im In- und Ausland weiterhin umschwärmt bleiben. Spekulativ kaufen!
Interview mit Xing-Finanzvorstand Ingo Chu
◼DER AKTIONÄR: Herr Chu, Xing hat das klassische Business-Kontakte-Netzwerk erfolgreich um eine Stellenbörse erweitert. Geht man diesen Weg weiter?
INGO CHU: Die Arbeitswelt durchlebt einen radikalen Wandel. Damit muss sich auch ein berufliches Netzwerk wandeln. Auch, dass Xing in diesem Jahr mit Content-Angeboten zu einem
der größten Distributoren berufs- und wirtschaftsbezogener Nachrichten im deutschsprachigen Raum geworden ist, hat Kommentatoren überrascht. Und das wird auch so weitergehen. Denn wir entwickeln uns eben vom klassischen Netzwerkbetreiber zum Anbieter ausdifferenzierter Services. Wir sind breit aufgestellt, entwickeln uns dynamisch weiter – und schauen uns zusätzlich immer nach interessanten Zukäufen um.
◼DER AKTIONÄR: Setzt sich die operative Dynamik in diesen Tagen fort und gelingt es, den US-Konkurrenten LinkedIn auf Distanz zu halten?
INGO CHU: Die Dynamik hält ungebrochen an, wir sind in allen Bereichen voll auf Wachstum ausgerichtet. Wir haben im ersten Halbjahr so viele neue Mitglieder gewonnen wie nie zuvor – und jetzt gerade die Marke von neun Millionen Mitgliedern in Deutschland, Österreich und der Schweiz geknackt. Wir sind somit nach wie vor und mit großem Abstand die Nummer 1 der beruflichen Netzwerke im deutschsprachigen Raum.
◼DER AKTIONÄR: Als Grund für die Outperformance der Aktie gilt das steigende Interesse ausländischer Investoren. Hält dieser Trend an?
INGO CHU: Wir haben die Xing-Story in den vergangenen zwei Jahren einem breiten Investorenpublikum präsentiert, übrigens auch in den USA. Wir haben dort tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass US-Investoren sehr offen für unsere Art von Internetgeschäftsmodell sind. Dadurch, dass Xing seit Kurzem zu den „Einhörnern“ (Anm. d. Red.: junge Tech-Firmen, die mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet sind) zählt, werden neue Investoren auf uns aufmerksam, für die es vorher bei uns schlichtweg aufgrund unserer Größe keine Investitionsmöglichkeiten gab. Und der Kapitalmarkt ist groß …
◼DER AKTIONÄR: Vielen Dank für das Gespräch.
Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 39/15 erschienen.