Der Finanzriese ING hat die Lehren aus der Finanzkrise gezogen. Der Konzern hat sich umstrukturiert, ist nun sehr stark aufgestellt und bietet Anlegern eine attraktive Einstiegschance.
Es ist für Fernsehzuschauer in Deutschland seit Jahren ein gewohntes Bild: Zunächst zeigt Basketballstar Dirk Nowitzki in diversen Werbespots Sinn für (Selbst-)Ironie, anschließend wird auf verschiedene Vorzüge und Aktionen der Direktbank ING DiBa hingewiesen – und das offenbar mit sehr großem Erfolg. Denn mittlerweile haben bereits rund acht Millionen Deutsche ein Konto bei der Tochtergesellschaft des niederländischen Finanzriesen ING Groep eröffnet. Und die Kundenzahl steigt stetig weiter an.
Doch nicht nur die Geschäftsentwicklung in Deutschland dürfte dem ING-Management derzeit gefallen. Auch in vielen anderen Märkten, wo der Finanzkonzern anders als in Deutschland auch mit eigenen Niederlassungen vertreten ist, ist das Unternehmen auf Erfolgskurs und beglückt mit starken Ergebnissen und einer erfreulichen Kursentwicklung die über Jahre hin leidgeprüften Aktionäre.
Gesund geschrumpft
Denn hinter der ING liegen sehr schwere Jahre. Der Konzern litt stark unter der Lehman-Pleite im September 2008 und der darauf folgenden Finanzkrise. Der niederländische Staat musste den Banken- und Versicherungsriesen damals mit zehn Milliarden Euro Staatshilfe retten – und ließ sich diese Hilfe anders als beispielsweise Deutschland ordentlich vergüten. So musste die ING in den vergangenen Jahren mehr als zwei Milliarden Euro Zinsen an den niederländischen Staat bezahlen.
Darüber hinaus musste sich der Global Player von einer ganzen Reihe von Aktivitäten trennen. Der ehemalige Banken- und Versicherungsriese konzentriert sich zukünftig nur noch auf Bankgeschäfte in Europa sowie in ausgewählten Wachstumsmärkten. Im vergangenen Jahr brachte ING die Versicherungssparte NN Group an die Börse und hält derzeit nur noch 55 Prozent. Ein Teil der Verkaufserlöse wurde für die Rückzahlungen der restlichen Staatshilfen in Höhe von rund einer Milliarde Euro verwendet.
Starke Zahlen vorgelegt
Ein weiterer Beleg, dass ING wieder auf einem sehr guten Weg zurück zu alter Ertragsstärke ist, waren die Zahlen für das erste Quartal des laufenden Jahres. So konnten die Niederländer den bereinigten Gewinn um 43 Prozent auf 1,19 Milliarden Euro steigern. Das Nettoergebnis belief sich auf 1,77 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum war noch ein Verlust von 1,92 Milliarden Euro angefallen, was vor allem auf hohe Restrukturierungskosten im Zuge des Konzernumbaus zurückzuführen war. Zwischen Januar und Ende März des laufenden Jahres profitierte der Konzern jedenfalls deutlich von einem anziehenden Kreditgeschäft bei gleichzeitig sinkenden Rückstellungen für faule Kredite. Hier macht sich die robuste Wirtschaftsentwicklung in den wichtigsten Märkten des Finanzriesen bemerkbar.
Gerade für den niederländischen Heimatmarkt zeigen sich die Experten sehr zuversichtlich. Für das laufende Jahr erwarten Volkswirte ein BIP-Wachstum von 1,7 Prozent. Damit könnte das Land innerhalb der Eurozone das zweithöchste Wirtschaftswachstum vorweisen. Lediglich Irland wächst schneller, hier handelt es sich allerdings zum Großteil noch um Aufholeffekte nach dem schweren Einbruch im Zuge der Finanzkrise.
Die Experten sind zuversichtlich
Wenig verwunderlich, dass angesichts dieser Aussichten auch das Gros der Analysten bullish für die ING-Aktie ist. So raten derzeit 22 Analysten zum Kauf der Anteilscheine und zehn Experten stufen die Papiere mit „Halten“ ein. Kein Einziger rät aktuell zum Verkauf. Die Kursziele steigen ständig. Nun haben beispielsweise die Experten von S&P Capital und Exane BNP Paribas ihre Prognosen nach oben angepasst. So sieht S&P-Capital-Analyst William Howlett den fairen Wert der ING-Papiere nun bei 15,50 Euro (zuvor 14,50 Euro). Sein Anlagevotum lautet unverändert „Strong Buy“. BNP-Experte Guillaume Tiberghien hat das Ziel sogar von 14,00 auf 16,30 Euro erhöht und empfiehlt Anlegern ebenfalls den Kauf der ING-Anteile.
„Für mehrere Jahre attraktiv“
In der vergangenen Handelswoche erhielten die ING-Anteilseigner indes erstmals seit 2008 wieder eine Dividende. Diese belief sich auf 0,12 Euro je Aktie. Im August sollen weitere 22 Cent folgen. Für 2016 rechnen Experten bereits mit einer Ausschüttung von insgesamt 0,65 Euro, woraus sich eine Rendite von 4,5 Prozent ergibt. Analyst Anton Kryachok von der Schweizer Großbank UBS rechnet sogar damit, dass die Niederländer in den kommenden Jahren bis zu 80 Prozent der Jahresgewinne an die Anteilseigner ausschütten dürften. Kryachok verweist auf die hohen Rücklagen im Zuge der Einnahmen aus dem Teilverkauf des Versicherungsgeschäfts sowie die hohen Barmittelreserven. Daher könnte die ING ähnlich wie womöglich in den kommenden Jahren auch die deutsche Aareal Bank den Großteil der Gewinne nicht für die Stärkung der ohnehin schon sehr soliden Bilanz (die harte Kernkapitalquote nach Basel III lag Ende März bei stattlichen 11,6 Prozent) oder die Expansion verwenden, sondern an die über Jahre hinweg leidgeprüften Aktionäre auszahlen.
Sollte Kryachok mit der Prognose einer 80-prozentigen Ausschüttungsquote recht behalten, könnte der Finanzriese für 2016 beispielsweise 0,96 Euro je Aktie ausschütten. Daraus würde sich dann eine satte Dividendenrendite von 6,6 Prozent errechnen. Der Experte betont: Damit werde „eine Anlage in ING für mehrere Jahre attraktiv“.
Günstig bewertet
Die Aussicht auf derart hohe Dividendenrenditen können im europäischen Bankensektor kaum andere Institute bieten. Aber auch beim Blick auf andere wichtige Kennziffern zählt die ING-Aktie zu den attraktivsten Branchentiteln. Zumal der Börsenwert mit 56,2 Milliarden Euro aktuell immer noch unter dem ausgewiesenen Eigenkapital von mehr als 60 Milliarden Euro liegt. Das KGV beträgt 12, was angesichts des erwarteten Gewinnwachstums für ein derartiges Qualitätsunternehmen wie ING ebenfalls günstig ist.
Ausbruch geglückt
Neben der starken Geschäftsentwicklung, der Aussicht auf satte Dividendenrenditen und der günstigen Bewertung spricht zudem die Charttechnik für einen Kauf der ING-Anteile. Denn dem Aktienkurs ist kürzlich auch der Sprung über den Widerstandsbereich bei 14,30 Euro geglückt. Damit ist die ING-Aktie auf ein neues Mehrjahreshoch gestiegen und hat somit ein weiteres Kaufsignal generiert. Nun wäre der Weg nach oben frei bis etwa 17 Euro, wo derzeit die nächste ernst zu nehmende Hürde liegt.
Klarer Kauf
Die Aussichten für ING bleiben weiterhin gut, die Bewertung ist immer noch günstig. Für Fantasie sorgen die Spekulationen über eine deutlich höhere Dividende. Zudem sieht es aus charttechnischer Sicht ebenfalls sehr gut für die Aktie aus. Das Papier des niederländischen Bankenriesen bleibt daher ein klarer Kauf.