Gazprom hat sich mit China am Wochenende auf den Bau einer zweiten Pipeline von Sibirien ins Reich der Mitte geeinigt. Mit der geplanten „Westroute“ will Russland noch unabhängiger von den Absatzmärkten im Westen Europas werden. Allerdings stellt sich diesbezüglich natürlich die Frage, ob die hohen Investitionen, die für die Erschließung der Gasfelder in Sibirien sowie vor allem für den Bau der Pipeline getätigt werden müssen, auch wirklich wirtschaftlich sinnvoll sind.
Denn zum einen dürfte es Gazprom nicht gerade leicht fallen, das notwendige Kapital aufzutreiben. Zudem müssen russische Firmen bei der Refinanzierung derzeit teilweise sehr hohe Aufschläge hinnehmen. Über die erhoffte Vorauszahlung von China in Höhe von 25 Milliarden Dollar konnte bislang immer noch keine Einigung erzielt werden. Diese Vorauszahlung sollte es Gazprom erleichtern, die 55 Milliarden Dollar für die Erschließung der Vorkommen in Sibirien und dem Bau der „Ostroute“ stemmen zu können. Weshalb vor der Einigung auf eine Vorauszahlung in diesem denkbar schwierigen Marktumfeld für russische Firmen nun eine weitere Investition in zweistelliger Milliardenhöhe Angriff genommen werden soll, ist für einige Experten schleierhaft.
Was bringt die „Westroute“?
Zudem stellt sich auch die Frage nach dem Nutzen der „Westroute“. Schließlich liegen die industriellen Zentren Chinas fast ausschließlich im Osten des Landes. Der Westen ist wirtschaftlich eher rückständig. Da China an dieser Pipeline eher ein geringeres Interesse hatte, gehen einige Experten davon aus, dass Gazprom hier einen niedrigeren Preis hinnehmen muss als für das Erdgas für die „Ostroute“. Dadurch wird es noch länger dauern, bis sich die beträchtlichen Investitionen rechnen.
Womöglich schielt Russland mit der Pipeline durch das westliche China bereits auf weitere zukünftige Absatzmärkte in Asien wie etwa das aufstrebende Indien. Eine Belieferung des in einigen Jahren bevölkerungsreichsten Staates der Erde würde strategisch betrachtet natürlich Sinn machen. Die Frage bleibt allerdings, weshalb Russland dieses teure Unterfangen gerade jetzt in einem derzeit so schwierigen Marktumfeld durchboxen will.
Hohe Risiken, sehr niedrige Bewertung
Wegen der zahlreichen hohen Risiken bleibt die Aktie von Gazprom für konservative Anleger nach wie vor ungeeignet. Mutige Anleger können sich die Papiere des weltgrößten Gasproduzenten wegen der enorm günstigen Bewertung (KGV von 3, KBV von 0,3 und eine Dividendenrendite von fast fünf Prozent) ins Depot legen. Der Stopp sollte bei 4,70 Euro belassen werden.