(Wort in Überschrift ergänzt)
ESSEN (dpa-AFX) - Trillerpfeifen, Plakate und viele Fahnen: Mehrere Tausend Beschäftigte des Industriekonzerns Thyssenkrupp
Arbeitnehmervertreter werfen dem Vorstand um den Vorsitzenden López unter anderem vor, sie in der Vergangenheit nicht genügend und frühzeitig in wichtige Entscheidungen einbezogen zu haben. Anlass für die Protestkundgebung direkt vor der Konzernzentrale war eine Sitzung des Aufsichtsrats der Konzernholding am selben Tag.
Im Brennpunkt steht derzeit vor allem die Thyssenkrupp-Stahlsparte, die mit der Konjunkturschwäche und Billigimporten zu kämpfen hat. Am Hauptstandort in Duisburg ist ein deutlicher Abbau der Stahl-Erzeugungskapazitäten geplant, der mit einem Stellenabbau verbunden sein soll. Einzelheiten stehen noch nicht fest. Gleichzeitig läuft der kostspielige Einstieg in die klimafreundlichere Grünstahl-Produktion.
Außerdem geht es um einen 20-Prozent-Einstieg der EPCG-Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky in die Stahlsparte. Bei der geplanten strategischen Partnerschaft soll es vor allem um Energielieferungen gehen. Der Aufsichtsrat sollte am Donnerstag über den Einstieg abstimmen. Der EPCG-Anteil soll in Zukunft auf 50 Prozent gesteigert werden und die Stahlsparte dabei verselbstständigt werden.
Thyssenkrupp hat weltweit rund 100 000 Beschäftigte, davon allein rund 27 000 in der Stahlsparte. Davon wiederum arbeiten rund 13 000 allein in Duisburg.
Betriebsratschef: "Billig verkaufen lassen wir uns nicht"
"Gegen Milliardäre haben wir nichts, solange sie Geld mitbringen und in den Stahl investieren", sagte Nasikkol. Allerdings wüssten die Beschäftigten nicht, was Herr Kretinsky wolle. "Will er mit uns Geld verdienen, oder will er an uns Geld verdienen?" Man sei offen für gute Lösungen. "Doch billig verkaufen lassen wir uns nicht."
Nasikkol forderte beim angekündigten Umbau der Stahlsparte erneut die Einhaltung von Tarifverträgen, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, Standortgarantien für alle Standorte sowie weitere Investitionen in eine klimafreundlichere Stahlerzeugung. Fast alle Standorte der Stahlsparte liegen in NRW.
Thyssenkrupp-Chef López verspricht "gelebte Sozialpartnerschaft"
Der Vorstandsvorsitzende Miguel López sagte: "Wir wollen, dass auch in Zukunft in Duisburg Qualitätsstahl gekocht wird." Thyssenkrupp brauche aber einen Stahlbereich, der sein Geschäft aus eigener Kraft stemme und der auch selbst in die grüne Transformation investieren könne. Weil der Energieanteil bei der klimafreundlicheren Stahlherstellung künftig stark steigen werde, brauche das Stahlgeschäft starke Energiepartner. Die 20 Prozent-Beteiligung von EPCG am Stahlgeschäft sei "ein wichtiger Schritt, damit unser Stahlgeschäft wieder leistungsstark wird".
Um die Stahlproduktion in Duisburg auf lange Sicht zu sichern, müsse man Steel Europe fit für die Zukunft machen. "Denn nur ein erfolgreiches Unternehmen kann langfristig sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze bieten." Ohne Einschnitte werde es nicht gehen. "Wenn wir aber jetzt nichts tun, riskieren wir weitaus mehr."
"Eines kann ich Ihnen dabei versichern: Bei allem, was wir tun, bleibt es bei der gelebten Sozialpartnerschaft", sagte López weiter. "Wir wollen in konstruktiver Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen sozialverträgliche Lösungen schaffen." Es solle auch weiterhin keine betriebsbedingten Kündigungen geben. "Aber wir müssen handeln, damit Stahl aus Duisburg auch weiterhin eine Perspektive hat." Während der Rede von López gab es zahlreiche Zwischenrufe.
Minister Laumann fordert Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen
Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) appellierte an das Management von Thyssenkrupp, beim geplanten Umbau der Stahlsparte mit der Arbeitnehmerseite zusammenzuarbeiten. Der Weg zum grünen Stahl müsse partnerschaftlich entwickelt werden, sagte Laumann. "Und wenn man etwas partnerschaftlich entwickeln will, dann ist man gut beraten, am Anfang ein paar Sätze auf einen Zettel zu schreiben, die gelten. Und da muss natürlich als Erstes stehen: Keine betriebsbedingten Kündigungen." Draufstehen müsse auch, dass Tarifverträge beachtet werden müssen. Auch müsse es einen Plan geben, "wie man mit welchen Maßnahmen Stahlstandort bleiben will und wie man es umsetzen kann und finanzieren kann".
Natürlich sei die soziale Partnerschaft nicht immer eine Schönwetter-Veranstaltung, sagte Laumann. "Aber wenn man in einer schwierigen Phase ist, dann ist die Transparenz die Voraussetzung für Vertrauen. Ohne Transparenz kann niemals Vertrauen entstehen."/tob/DP/ngu
Quelle: dpa-AFX