BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts des massiven Stellenabbaus und großer Job-Verlagerungen ins Ausland bei Deutschlands Industrie hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Arbeitgeber und Gewerkschaften zu sozialpartnerschaftlichen Lösungen aufgerufen. Heil nannte bei der Einbringung seines Sozialetats in den Bundestag beispielhaft die Fälle von Volkswagen
"In diesen Fällen ist es notwendig, jetzt partnerschaftliche Lösungen zu finden", forderte Heil, "es ist die Stunde der Sozialpartnerschaft." Jetzt sei die Zeit, sich an den Tisch zu setzen, Standorte zu sichern und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.
Heil wirft Managern Fehler vor
"Der Staat kann nicht für jeden Managementfehler einstehen", sagte Heil. Etwa bei Thyssenkrupp sei auch Geld bei unrentablen Projekten in Brasilien verbrannt worden. Und bei Volkswagen habe man zu spät angefangen, auf immer stärker nachgefragte Modelle zu setzen.
Die Bundesregierung übernehme im Strukturwandel aber ihre Verantwortung, sagte Heil. Der Politiker zählte von der Ampel geschaffene Angebote wie etwa das Qualifizierungsgeld auf - sowie Rahmenbedingen hinsichtlich der Fachkräftesicherung und steigenden Beschäftigungsquoten bei Älteren und Frauen.
CDU: "Sie sind sich in zentralen Punkten nicht einig"
Die Union warf der Ampel angesichts des oft krisenhaften Strukturwandels Versagen vor. Gewerkschafter und Unternehmen beklagten den sich beschleunigten Abbau von Produktionsstätten und warnten vor einer Deindustrialisierung. Heil verweise in dieser Lage auf Fehlentscheidungen anderer, kritisierte der CDU-Arbeitsmarktexperte Hermann Gröhe. Die Ampel bremse durch ihre Uneinigkeit auch die Unternehmen und verschärfe die Unsicherheit in der Gesellschaft. Gröhe nannte als Beispiele Entbürokratisierung und Deregulierung sowie die Schuldenbremse.
"Sie sind sich in zentralen Punkten nicht einig", stellte Gröhe fest. "Sie plakatieren "Respekt", aber sie praktizieren Realitätsverweigerung." Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wendeten sich "in Scharen" von der SPD ab und gingen zu Parteien an den Rändern des politischen Spektrums. "Sie verweigern sich der notwendigen Flexibilisierung der Arbeitszeit, und Sie betreiben die Politisierung des Mindestlohns."
Heil: Mindestlohn soll deutlich steigen
Heil bekräftigte seine Vorhersage und Forderung eines 2026 deutlich steigenden Mindestlohns. Die für die maßgeblichen Vorschläge zur Anpassung zuständige Mindestlohnkommission sein zwar unabhängig, aber an deutsches und neues EU-Recht gebunden. Heil kündigte an, er wolle der EU-Kommission im Herbst nicht ein Verfehlen von EU-Recht in Deutschland melden.
Am Vortag hatte Heil angekündigt, dass der Mindestlohn in den kommenden zwei Jahren auf bis zu 15 Euro steigen solle - als Konsequenz aus der neuen EU-Mindestlohn-Richtlinie. Er hatte auch einen entsprechenden Brief an die Mindestlohnkommission geschrieben. Der Arbeitgeberverband BDA warf Heil darauf wiederholte Eingriffe in die Tarifautonomie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor.
Lohnuntergrenze steigt auf 12,82
Die gesetzliche Lohnuntergrenze liegt heute bei 12,41 Euro brutto pro Stunde. Zum 1. Januar 2025 steigt der Mindestlohn auf 12,82 Euro - gemäß bereits gefällter Beschlüsse. In dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief an die Mindestlohnkommission kündigte Heil an, er halte die neuen EU-Vorgaben für erreicht, wenn das Gremium den Mindestlohn bei 60 Prozent des mittleren Lohns ansetze./bw/DP/nas
Quelle: dpa-AFX