MÜNCHEN/BONN (dpa-AFX) - In einer Debatte, deren Ergebnis für die künftigen deutschen Handynetze wegweisend ist, hat O2-Chef
Die Mobilfunker nutzen für ihre Handynetze unterschiedliche Funkbänder, deren Nutzungsrechte bisher zeitversetzt versteigert wurden. 2019 hatte es die bisher letzte Auktion gegeben, bei der sich die Branche zur Zahlung von 6,6 Milliarden Euro verpflichtete. Erstmals seit langer Zeit griffen nicht nur die drei etablierten Anbieter Deutsche Telekom
2024 soll eigentlich die nächste Auktion stattfinden. Allerdings gibt es dann zu wenig Spektrum, als dass es gut durch vier teilbar wäre. Deshalb schlug die Bundesnetzagentur einen Verzicht vor. Dieser wäre aber schlecht für den Neueinsteiger 1&1, der für sein bisher sehr kleines Netz Zugriff auf weitere Frequenzbänder haben will. Final entscheiden will die Bundesbehörde im Frühjahr 2024.
1&1 pocht auf "eine angemessene Frequenzausstattung", wie es eine Firmensprecherin formuliert. Als man 2019 erstmals an der Auktion teilgenommen und sich zur Zahlung eines Milliardenbetrags verpflichtet habe, war in den Vergabebedingungen "der spätere Zugang zu weiteren Frequenzen fest verankert". Alles andere wäre "rechtlich angreifbar und würde einen fairen Wettbewerb vereiteln".
Das Bundeskartellamt ist in der Debatte auf der Seite von 1&1. Die Wettbewerbshüter warnen vor einer Verlängerung, da sie negative Folgen für den Wettbewerb und somit für die Verbraucher befürchten. Auch die Monopolkommission hat Sorgenfalten, sieht mangels Alternativen aber keine bessere Lösung - sie ist nur für eine Verlängerung um drei Jahre, damit der Nachteil für 1&1 gering bleibt.
O2-Chef Haas weist darauf hin, dass 1&1 in diesem Jahrzehnt ohnehin keine echte Flächenversorgung anstrebe. Das Unternehmen aus Montabaur will bis Ende 2030 mit seinen Antennen mindestens 50 Prozent der deutschen Haushalte erreichen. Dort, wo 1&1 nicht selbst funkt, werden die Kunden bisher noch mit dem Netz von O2 verbunden und künftig mit dem Netz von Vodafone, dies mit sogenanntem National Roaming. "Würden die Nutzungsrechte der drei Netzbetreiber bis Ende 2033 verlängert, wäre eine echte flächendeckende Versorgung möglich", sagt Haas. "1&1 würde über das National Roaming ebenfalls profitieren - das wäre eine Win-Win-Situation."
Laut Vorschlag der Bundesnetzagentur sollen die Nutzungsrechte um fünf Jahre verlängert werden. Die etablierten Netzbetreiber müssten niedrige Gebühren zahlen und sich dazu verpflichten, in dünn besiedelten Gebieten mindestens 98 Prozent der Haushalte mit einer Downloadrate von 100 Megabit pro Sekunde erreichen. Bisher gibt es so eine speziell auf das Land zugeschnittene Regel nicht, sie würde die Situation in Dörfern und Ortschaften verbessern.
Außerdem soll jeder Netzbetreiber alle Bundesstraßen mit 100 Megabit pro Sekunde versorgen müssen - bisher gilt die Vorgabe nur für die Branche insgesamt: Wenn ein Anbieter auf einer Strecke mal kein Netz bietet, fällt das in den Auflagen nicht negativ ins Gewicht, wenn die anderen Netzbetreiber funken. Das allerdings bringt einem Kunden des einen Anbieters nichts, er hat trotzdem kein Netz. Auf die Frage, ob O2 die Regelverschärfung erfüllen könnte, sagte Firmenchef Haas: "Wenn das die Auflage ist, werden wir sie erfüllen."
Damit seien Investitionen verbunden und die Mithilfe von anderen Akteuren sei nötig, etwa von der Bahn und von Behörden. "Wir müssen die Zusammenarbeit mit der Bahn intensivieren, um auch wirklich in allen Tunneln guten Mobilfunk zu haben." Mancherorts sei es derzeit schlicht nicht möglich, Antennen zu installieren. "Es gibt noch Tunnel aus der Kaiserzeit, die unter Denkmalschutz stehen und in die wir keine Kabel verlegen dürfen."/wdw/DP/zb
Quelle: dpa-AFX