BERLIN (dpa-AFX) - Die Ampel-Parteien wollen nach Angaben der Grünen Anfang Dezember über schärfere Corona-Maßnahmen in Deutschland beraten. "Wir haben uns zehn Tage Zeit gegeben, um zu sehen, sind wir bei den Booster-Impfungen, sind wir bei den Schutzmaßnahmen weit genug gekommen", sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock am Mittwochabend in der ARD. Der neue Bund-Länder-Krisenstab solle die Situation täglich unter die Lupe nehmen. Nach diesen zehn Tagen werde man gemeinsam analysieren, ob weitere Maßnahmen nötig seien.
Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle ist am Mittwoch das geänderte, von den Ampel-Parteien auf den Weg gebrachte Infektionsschutzgesetz in Kraft getreten. Die Länder haben damit zwar weiter die Möglichkeit, Maßnahmen wie Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder Verbote von Veranstaltungen anzuordnen oder aufrechtzuerhalten. Flächendeckende Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen gehören aber nicht mehr zu den erlaubten Werkzeugen. Das Gesetz soll nach den bisherigen Plänen am 9. Dezember in einer Bund-Länder-Runde überprüft und gegebenenfalls nachgeschärft werden.
Führende Unionspolitiker dringen auf mehr Tempo. Die auf den Weg gebrachten Maßnahmen würden wahrscheinlich nicht reichen, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) am Mittwochabend in der ARD. "Wir müssen jetzt intensiv handeln." Die geplante Bewertung am 9. Dezember sei "viel zu spät". Zuvor hatte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) ein rasches Treffen der Länder-Regierungschefs gefordert, am besten noch in dieser Woche.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Spitzen der Ampel-Parteien am Dienstagabend im Kanzleramt angeboten, die Maßnahmen angesichts der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens deutlich zu verschärfen. Eine gesetzliche Notbremse oder klare Lockdown-Vereinbarungen mit den Ländern wären die nahe liegenden Optionen, hieß es. Die "Bild" berichtete, Merkel habe einen Lockdown bereits ab Donnerstag gefordert, SPD, FDP und Grüne hätten den Vorschlag abgelehnt.
Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und SPD kündigte der voraussichtliche künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch die Einrichtung eines ständigen Bund-Länder-Krisenstabs im Kanzleramt an. Das Gremium soll seinen Angaben zufolge schon die Arbeit aufnehmen, bevor die Ampel-Regierung im Amt ist. Scholz sagte am Abend in der ARD: "Es geht darum, ein ständiges, professionelles Begleiten dieser Situation zu organisieren." Es sei wichtig, tages- und wochenaktuell alle Daten zur Verfügung zu haben und daraus sofort die notwendigen Schlüsse zu ziehen.
Die Corona-Lage in Deutschland wird von Tag für Tag dramatischer. Die Zahlen steigen, die Intensivstationen sind am Limit. Um Engpässe abzuwenden, sollen bis zum Wochenende mehrere Dutzend Intensivpatienten aus Brennpunkten im Süden und Osten in andere Bundesländer verlegt werden. Bund und Länder wollen an diesem Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten. Dazu ist eine Sonder-Videokonferenz der Gesundheitsminister angesetzt.
Nach mehreren anderen Bundesländern verschärfen an diesem Donnerstag auch Hessen und Mecklenburg-Vorpommern ihre Corona-Regeln. In Hessen tritt eine neue Corona-Verordnung in Kraft, die eine deutliche Ausweitung der Maskenpflicht, flächendeckend umfangreiche Tests sowie in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nur noch einen Zutritt für geimpfte und genese Menschen vorsieht. In Mecklenburg-Vorpommern benötigen nun auch Geimpfte und Genesene in vielen Freizeitbereichen einen negativen Corona-Test.
Baerbock wollte eine allgemeine Impfpflicht nicht ausschließen. Zusätzlich zu einer Impfpflicht für bestimmte Bereichen und Berufe werde "mitgeprüft, was es braucht für eine allgemeine Impflicht", sagte sie in der ARD. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprach sich im ZDF dafür aus, erst einmal abzuwarten, wie sich Verfassungsrechtler dazu stellen. "Das ist hoch umstritten." Erst wenn diese zu der Auffassung kämen, dass eine Impfpflicht möglich sei, "ist danach politisch zu entscheiden, ob man es will".
Die designierte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will Schulschließungen trotz der hohen Corona-Zahlen vermeiden. "Wir sind dafür, keine Schulschließungen zu machen", sagte sie am Abend bei "Bild Live". Ihre Partei sei der Überzeugung, dass die Schülerinnen und Schüler "jetzt nicht noch einmal Bildungsrückstände erleiden sollten".
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA will am Donnerstag über die Zulassung des Corona-Impfstoffes von Biontech
Quelle: dpa-AFX