BERLIN (dpa-AFX) - Zwar stehen die Hilfe und der Schutz für die vor dem russischen Angriffskrieg Geflüchteten aus der Ukraine derzeit im Vordergrund - aber auch ihre Integration in den deutschen Arbeitsmarkt wird zunehmend ein Thema. "Angesichts des schrecklichen Angriffskrieges von Putin bereiten wir uns so darauf vor, dass viele Geflüchtete auch länger bleiben werden", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Der Arbeitsmarkt sei geöffnet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte bei einem Treffen mit Dax
Die Gewerkschaft IG Bau warnte hingegen am Dienstag davor, Geflüchtete aus der Ukraine als billige Arbeitskräfte auszunutzen. Ende März war der Fleischkonzern Tönnies in die Kritik geraten, nachdem das ARD-Politikmagazin "Panorama" darüber berichtet hatte, wie das Unternehmen an der polnisch-ukrainischen Grenze versucht haben soll, Geflüchtete als Produktionshelfer anzuwerben. Tönnies bestritt eine eigennützige Absicht.
Für Unternehmen kann es ein Balanceakt sein, einerseits ehrlich helfen zu wollen und Bedarf nach Arbeitskräften zu haben und andererseits nicht in die Kritik zu geraten, das Leid der Kriegsflüchtlinge auszunutzen.
Der Softwarekonzern SAP
SAP ist unter den großen Konzernen kein Einzelfall. Der Sportartikelhersteller Adidas
Mercedes-Benz
Allein die Deutsche Bahn hat nach Angaben von Personalvorstand Martin Seiler "permanent 3000 bis 4000 Stellen offen". Erste ukrainische Geflüchtete habe das Unternehmen bereits eingestellt, etwa als Bauingenieure, an der Telefon-Hotline oder im IT-Bereich. Und auch Siemens
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) teilte mit, kurzfristig gehe es um humanitäre Hilfe und nicht in erster Linie um Fachkräftegewinnung. Chancen für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration im Handwerk böten vor allem die vorhandenen Qualifikationen sowie das große Interesse der Geflüchteten an einer schnellen Beschäftigungsaufnahme. "Zahlreiche Geflüchtete bringen etwa medizinisch-technische Qualifikationen mit, was eine Beschäftigung in den Gesundheitshandwerken interessant macht", teilte der ZDH mit.
Perspektivische Aufenthalte von zwei bis drei Jahren seien nach jetzigem Stand nicht unrealistisch. "In einem solchen Zeitraum könnten Jugendliche aus der Ukraine ihre Schulzeit abgeschlossen haben und sich dann für eine Ausbildung im Handwerk interessieren", so der ZDH.
"Wir Arbeitgeber stehen bereit, um Geflüchtete aus der Ukraine zu beschäftigen und auszubilden. Viele Arbeitgeber helfen auch bei der Unterbringung und Versorgung der Menschen", teilte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, mit. Die Politik müsse nun endlich in den Krisenmodus schalten, die Aufnahme der Menschen aus der Ukraine sei oft noch zu langsam und ineffizient.
Die Bundesregierung müsse die Wirtschaft entlasten und Rahmenbedingungen für die Integration schaffen. "Die Möglichkeit, unbürokratisch eine Arbeit in Deutschland aufnehmen zu können, die den Qualifikationen der Geflüchteten entspricht, ist hier zentral", so Kampeter.
"Wenn es dazu kommt, dass die Menschen länger bei uns bleiben und sie Arbeit suchen oder eine Ausbildung machen wollen, sind wir selbstverständlich vorbereitet und gut aufgestellt, um möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen", teilte die Bundesagentur für Arbeit mit. Wenn ukrainische Geflüchtete in Deutschland arbeiten möchten, dann träfen sie auf einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt, der Bedarf an Arbeitskräften sei hoch./rwi/DP/zb
Quelle: dpa-AFX