FRANKFURT (dpa-AFX) - Eine Zinssenkung in der Eurozone hat die Anleger am Donnerstagnachmittag nicht mehr beeindruckt. Vielmehr gab der Dax einen Teil seiner Gewinne ab, als Anleger erkannten, dass die erwartungsgemäße Entscheidung durch die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitindex in Rekordnähe nicht mehr antreiben kann. Anleger vermissten auch Hinweise, dass es zeitnah weitere Lockerungen geben könnte.
Der Leitindex Dax verteidigte am Ende ein Plus von 0,41 Prozent auf 18 652,67 Punkte, nachdem er im Tageshoch vor dem Zinsentscheid schon mehr als ein Prozent gewonnen hatte. Gut 100 Punkte vor dem Rekordhoch von 18 892 Punkten war dem Leitindex der Schwung ausgegangen. Auch der MDax kam etwas zurück, indem er 0,23 Prozent höher bei 27 027,80 Zählern aus dem Handel ging.
"Dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken würde, darauf hatte sie den Markt in den vergangenen Wochen entsprechend vorbereitet und heute nun Fakten geschaffen", sagte Eckhard Schulte von MainSky Asset Management. In der anschließenden Pressekonferenz habe die Notenbankchefin Christine Lagarde allerdings keine Hinweise auf eine nächste Zinssenkung gegeben, ergänzte der Experte.
Auch Ökonom Carsten Brzeski von der ING Bank stellte fest, dass es von Lagarde keine klaren Prognosen gab. "Wenn die Wirtschaft der Eurozone die EZB-Prognosen erfüllt, wird es weitere Zinssenkungen geben, aber das Risiko einer Verzögerung oder sogar nochmaligen Umkehr ist real", ergänzte er. Insofern sei die heutige Senkung nicht unbedingt der Beginn eines Lockerungszyklus.
Während die Kurse von Banken zulegten, machten sich fehlende Erkenntnisse zur künftigen Geldpolitik bei deutschen Immobilienwerten negativ bemerkbar. Vonovia fielen im Dax um gut zwei Prozent. Im MDax versammelten sich TAG Immobilien , LEG und Aroundtown mit Abschlägen zwischen 3,1 und 6,4 Prozent ganz hinten.
Zu einem nicht geringem Teil geht das Dax-Plus auf das Konto der 3,6 Prozent höheren SAP -Aktien, die sich als Schwergewicht auf ihr Rekordhoch aus dem März zubewegten. Auf seiner jährlichen Kundenmesse habe SAP mit ermutigenden Wachstumszielen die Markterwartungen übertroffen, schrieb Analyst Nay Soe Naing von der Berenberg Bank.
Auch in der zweiten Reihe waren die Aktien eines Software-Unternehmens gefragt. Nemetschek stiegen an der MDax-Spitze um 6,2 Prozent und erreichten ein Hoch seit Anfang 2022. Der auf die Baubranche spezialisierte Anbieter will das internationale Geschäft mit dem Kauf des US-Softwareunternehmens GoCanvas ausbauen.
Zum Thema wurden außerdem angekündigte Änderungen in der Indexbesetzung. Im Leitindex Dax bleibt alles beim Alten, doch in den MDax rücken die Papiere von Tui , Rational und Traton auf. Den Aktien half dies aber meist nicht mehr: Tui und Traton zumindest gaben nach mehreren positiven Handelstagen um bis zu 4,8 Prozent nach.
Den MDax verlassen müssen dagegen Morphosys , SMA Solar und Sixt , die unterschiedlich hohe Kursverluste verbuchten. Die Auf- und Abstiege ziehen dann auch im SDax ein Stühlerücken nach sich. Im Fokus stand dort, dass die im März an die Börse zurückgekehrte Parfümeriekette Douglas einzieht. Deren Kurs legte ein halbes Prozent zu.
Auf europäischer Bühne blieb beim EuroStoxx ein Plus von 0,7 Prozent auf der Kurstafel stehen. Mehr Aufmerksamkeit als der Leitindex der Eurozone bekam der marktbreite Stoxx Europe 600 , der ein Rekordhoch erreichte. In Paris und London verteidigten die Länderindizes Gewinne und in New York bewegten sie sich nahe dem Vortagsniveau.
Am Devisenmarkt wurde der Euro von EZB-Zinssenkung nur kurzzeitig stärker bewegt. Nach deutlicheren Schwankungen kostete die Gemeinschaftswährung zuletzt 1,0882 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor auf 1,0865 (Mittwoch: 1,0872) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,9203 Euro.
Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,61 Prozent am Vortag auf 2,59 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,09 Prozent auf 124,19 Punkte. Der Bund-Future gab zuletzt um 0,10 Prozent auf 130,53 Zähler nach./tih/ngu
--- Von Timo Hausdorf, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-AFX