HANNOVER (dpa-AFX) - Die wachsende Reiselust nach der Corona-Krise könnte dem Tui-Konzern
An der Börse wurden die Nachrichten negativ aufgenommen: Die Tui-Aktie verlor in Frankfurt am späten Vormittag fast vier Prozent auf 6,216 Euro. Schon in den vergangenen Monaten war ihr Kurs heftig unter die Räder gekommen - auch infolge einer milliardenschweren Kapitalerhöhung, mit deren Hilfe der Konzern kürzlich letzten Staatshilfen des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zurückgezahlt hat. Der WSF und die Staatsbank KfW hatten Tui während der Corona-Krise mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro vor dem Untergang gerettet.
Inzwischen steuert Tui wieder auf deutlich bessere Zeiten zu. Angesichts der vielen Buchungen für den Sommer sieht Ebel den Konzern auf Kurs, den um Sonderposten bereinigten operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) im laufenden Geschäftsjahr bis Ende September "signifikant" zu steigern.
Nach Milliardenverlusten während der Corona-Krise hatte Tui im vergangenen Geschäftsjahr wieder einen operativen Gewinn von 409 Millionen Euro erzielt. Das war aber noch deutlich weniger als vor der Pandemie: So hätte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2018/19 ohne die Belastungen durch das damalige Flugverbot für die Boeing-Jets
Für Sommer 2023 geht Ebel jedenfalls davon aus, dass der Konzern seine mit der Inflation gestiegenen Kosten durch höhere Reisepreise mindestens wettmachen kann. Denn die Kunden greifen für ihre Urlaube erneut tiefer in die Tasche. So liegt der durchschnittliche Preis der verkauften Tui-Reisen für den Sommer den Angaben zufolge bisher 5 Prozent höher als im Vorjahr. Im Vergleich zu Sommer 2019 geben die Menschen im Schnitt sogar 26 Prozent mehr aus.
Dennoch entscheiden sich mehr Kunden für einen Urlaub mit Tui. Zuletzt lag die Zahl der Sommerbuchungen den Angaben zufolge 13 Prozent höher als vor einem Jahr und erreichte damit 96 Prozent des Niveaus von 2019. Dabei seien rund 55 Prozent des Angebots verkauft. In Großbritannien zählte Tui sogar schon 10 Prozent mehr Kunden als vor der Pandemie. Damals hatte der Konzern allerdings auch noch einen großen Konkurrenten: Der britische Reiseveranstalter Thomas Cook mit Marken wie Neckermann Reisen hatte Ende September 2019 Insolvenz angemeldet.
Von der Pleite des Rivalen habe Tui nicht so stark profitiert wie andere Anbieter, räumte Ebel am Mittwoch ein. "Das ärgert uns", sagte er in einer Videokonferenz mit Journalisten. Im kommenden Geschäftsjahr will er das ändern und die das Flugangebot in Großbritannien um 1,1 Millionen Sitzplätze aufstocken. Zudem setzt Tui dort wie in anderen Ländern künftig verstärkt auf den tagesaktuellen Einkauf von Flugtickets, Hotelbetten und anderen Reisebestandteilen direkt von den Anbietern. Damit soll das Angebot des Konzerns weiter wachsen und zusätzliche Kombinationen ermöglichen.
Gegen drohende Engpässe und Ausfälle im Flugverkehr in der wichtigsten Reisezeit im bevorstehenden Sommer hat sich Tui laut Ebel gewappnet. "Da haben wir absolut Vorsorge getroffen, anders als in den Vorjahren." So halte der Konzern immer 12 bis 13 Flugzeuge in Bereitschaft. Zudem habe das Unternehmen schon alle neuen Flugzeuge erhalten, die für den Sommer eingeplant seien. Die jüngsten Probleme des Herstellers Boeing bei der Auslieferung neuer Jets vom Typ 737 Max betreffen Tui laut Ebel daher nicht.
Im zweiten Geschäftsquartal bis Ende März erholte sich Tui im Tagesgeschäft weiter von der Corona-Pandemie. So legte der Umsatz im Vergleich zu Vorjahreszeitraum um rund die Hälfte auf rund 3,2 Milliarden Euro zu. Der saisontypische operative Verlust vor Sondereffekten (bereinigtes Ebit) verringerte sich um gut ein Viertel auf rund 242 Millionen Euro. Der auf die Aktionäre entfallende Nettoverlust vergrößerte sich auch wegen einer geringeren Steuergutschrift dennoch um knapp neun Prozent auf 364 Millionen Euro.
Im April hatte Tui mithilfe einer Kapitalerhöhung die letzten Staatshilfen an den WSF zurückgezahlt. Von den Hilfsgeldern aus der Pandemie hat der Konzern nur noch eine Kreditlinie von 1,1 Milliarden Euro bei der KfW behalten, diese aber derzeit nicht genutzt. Rechnet man diese Maßnahmen ein, sank die Nettoverschuldung zuletzt auf 3,1 Milliarden Euro. Der Konzern verspricht sich davon eine deutlich geringere Belastung durch Zinsen.
Dem Kurs der Tui-Aktie haben diese Schritte jedoch bislang nicht geholfen. Finanzvorstand Mathias Kiep zeigte sich damit ausdrücklich "nicht zufrieden". Schließlich hätten die Investoren bei der Kapitalerhöhung 1,8 Milliarden Euro an frischem Geld in das Unternehmen gesteckt und erwarteten nun, dass sich dieses Geld verzinse. Stattdessen sackte der Kurs der Tui-Aktie in den Wochen nach dem Start der Kapitalerhöhung so weit ab, dass der gesamte Konzern an der Börse mit 3,2 Milliarden Euro trotz der jüngsten Milliardenspritze ähnlich viel oder wenig wert ist wie vorher./stw/zb/stk
Quelle: dpa-AFX