MAGDEBURG (dpa-AFX) - Kurz vor einer wegweisenden Abstimmung zum neuen Rundfunk-Staatsvertrag sucht die schwarz-rot-grüne Koalition in Sachsen-Anhalt nach Auswegen aus ihrem festgefahrenen Streit. SPD und Grüne wollen die Beitragserhöhung mittragen - Koalitionspartner CDU will die Erhöhung um 86 Cent ebenso wie die AfD verhindern. Sollten die Konservativen ihre Position mit Hilfe der AfD durchsetzen, könnten SPD und Grüne aus Protest die Koalition verlassen. Am Dienstag (11.15 Uhr) berät der Koalitionsausschuss über das weitere Vorgehen des Regierungsbündnisses. Am Mittwoch soll der Medienausschuss seine Beschlussempfehlung für den Landtag abgeben, das gilt als wegweisend für die Abstimmung im Landtag Mitte Dezember.
Um dabei nicht gemeinsam mit der AfD stimmen zu müssen, eine Beitragserhöhung im Wahljahr 2021 aber dennoch zu verhindern, will die CDU den Landtag bei der Entscheidung nun zunächst umgehen. Dazu will die Fraktion nach dpa-Informationen einen Vorschlag in den Medienausschuss einbringen, der auf Vorschlägen aus der Staatskanzlei aufbaut. Die Vorschläge lagen der dpa vor, zuvor hatten "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und der "Spiegel" darüber berichtet.
Darin wird unter anderem darauf verwiesen, dass die Datengrundlage zu der Beitragsanpassung wegen der unerwarteten Corona-Pandemie nicht mehr aussagekräftig sei. Die Landesregierung werde daher gebeten, in der Rundfunkkommission der Bundesländer auf ein Ergänzungsgutachten hinzuwirken und Nachverhandlungen anzustoßen, ob eine Abweichung von den 18,36 Euro als geboten erscheint.
Die Fraktion will das alles als Angebot an die Koalitionspartner verstanden wissen. Da die Beitragserhöhung zum 1. Januar dadurch aber zunächst ausfiele, SPD und Grüne diese aber mittragen wollen, ist die Zustimmung der beiden Juniorpartner der CDU jedoch fraglich. Weder Grüne noch SPD wussten am Montagabend nach eigenen Angaben von dem CDU-Antrag.
CDU-Chef Holger Stahlknecht sah die beiden Parteien nach dem Vorschlag von Staatskanzlei und CDU-Fraktion in der Verantwortung. "Vorbehaltlich der Zustimmung der CDU-Fraktion liegt nunmehr der Ball bei den Koalitionspartnern", sagte Stahlknecht der dpa. "Ich gehe davon aus, dass sie sich der Verantwortung für das Land bewusst sind und die Koalition nicht infrage stellen."
Angesichts der bundesweiten Dimension der Entscheidung hatten auch Bundespolitiker von SPD und Grünen die Haltung von Sachsen-Anhalts CDU scharf kritisiert. Am Dienstag forderte der Politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, die CDU auf, der Beitragserhöhung zuzustimmen. "Wenn die CDU in so einer zentralen demokratischen Frage lieber mit den Verfassungsfeinden von der AfD gemeinsame Sache macht, statt den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu stärken, dann verlässt die Union die Geschäftsgrundlage der Kenia-Koalition", sagte Kellner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Kritik kam auch aus den Reihen der Union. "Es ist bedauerlich, dass der Rundfunkbeitrag jetzt wieder hin und her diskutiert wird", sagte Bayerns Medienminister Florian Herrmann der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag). "Bayern steht zu dem gefundenen Kompromiss und hält die Beitragsanpassung um 86 Cent für angemessen und erforderlich", sagte der CSU-Politiker der Zeitung.
Die Landes-AfD hingegen bestärkte die CDU in ihrer Ablehnung und forderte die Partei erneut auf, dabei zu bleiben. "Wir als AfD sind bereit, der CDU zu helfen, gegen die Erhöhung der Rundfunkgebühr zu stimmen und damit ein Zeichen zu setzen", teilte Fraktionschef Oliver Kirchner mit. Hilfe bot der medienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Tobis Rausch, der CDU auch für den Fall an, dass die Koalition an dem Streit zerbrechen sollte. "Eine Minderheitsregierung der CDU, ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen, wäre eine denkbare und tragbare Alternative", teilte Rausch mit. CDU und AfD stellen die beiden größten Fraktionen im Magdeburger Landtag und kommen gemeinsam auf 51 von 87 Mandaten im Hohen Haus.
Sachsen-Anhalts CDU ist die einzige Landtagsfraktion der Union, die der Erhöhung nicht zustimmen will. Alle anderen 15 Landesparlamente wollen den Staatsvertrag ratifizieren, die meisten haben es bereits getan. Damit der Beitrag am 1. Januar in Kraft treten kann, ist aber die Zustimmung aller Länder nötig. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio./afa/DP/zb
Quelle: dpa-AFX