MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der auf Bau- und Designsoftware spezialisierte Anbieter Nemetschek
Die Aktie stieg zu Handelsbeginn um rund 12,5 Prozent auf 91,87 Euro. Händler am Markt schätzten die Ziele des Unternehmens für dieses Jahr unerwartet hoch ein. Baader-Bank-Analyst Knut Woller schrieb in einer ersten Einschätzung, Nemetschek liefere selbst unter erschwerten Bedingungen ab. Der Ausblick lege eine weiter starke Entwicklung nahe, obwohl Nemetschek bei einer seiner Hauptmarken dieses Jahr auf Abo-Verträge umstelle. Das belastet üblicherweise zunächst die Erlöse, weil hohe Lizenzumsätze wegfallen.
Das Nemetschek-Papier war zuletzt deutlich in die Bredouille gekommen, weil sich Profiinvestoren angesichts steigender Kapitalmarktzinsen zunehmend skeptischer gegenüber der Tech-Branche gezeigt hatten. Bevor sich im Januar die Stimmung eintrübte, war die Nemetschek-Aktie Anfang des Jahres noch über 110 Euro wert gewesen, rutschte aber schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs unter 80 Euro. Aber auch auf dem aktuellen Niveau liegen die Papiere auf Dreijahressicht noch mehr als 80 Prozent im Plus.
Der Umsatz des Konzerns soll dieses Jahr währungsbereinigt zwischen 12 und 14 Prozent zulegen, wie Nemetschek in München mitteilte. Experten hatten zuletzt für 2022 einen Umsatzanstieg um rund 10 Prozent auf dem Zettel. Die operative Gewinnmarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen plant das Management zwischen 32 und 33 Prozent ein. Auch hier rechneten Analysten bislang mit weniger. Allerdings stellte der Konzern die Prognose unter den Vorbehalt, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht bedeutend verschlechtern, insbesondere mit Blick auf den Ukraine-Krieg.
"Mein Anspruch ist es, die nächste Wachstumsphase einzuläuten", sagte Vorstandschef Padrines. Dazu sollen in den kommenden Jahren die Vertriebskraft deutlich gestärkt und neue Technologien gezielt eingesetzt werden. Der Digitalisierungsgrad der Kundenbranchen sei noch immer niedrig, das Wachstums- und Ertragspotenzial daher weiterhin riesig, sagte Padrines.
Nemetschek hatte für das vergangene Jahr bereits vorläufige Zahlen vorgelegt. Der Erlös war um 14,2 Prozent auf 681,5 Millionen Euro gestiegen, das operative Ergebnis (Ebitda) um 28,8 Prozent auf 222 Millionen Euro. Unter dem Strich konnte das Unternehmen den Konzerngewinn um 38,9 Prozent auf 134,6 Millionen Euro steigern.
Das Unternehmen ist vor allem auf große Teile der Wertschöpfungskette im Bauwesen ausgerichtet, etwa mit Konstruktions-, Design- und Bauplanungssoftware. Diese Angebote machen den Löwenanteil des Geschäfts aus, die Sparten Design und Build stehen für rund 85 Prozent des Gesamterlöses.
Allerdings wächst die Sparte mit Programmen für die Medien- und Unterhaltungsindustrie am schnellsten, in der Nemetschek unter anderem 3D-Animationssoftware für die Videospiel- und Filmindustrie anbietet. Den Markt für diese Software schätzt Nemetschek auf 16 Milliarden US-Dollar jährlich. "Mit unserem wachstumsstarken Segment Media & Entertainment adressieren wir neben dem Bausektor weitere hochattraktive Märkte", sagte Padrines.
Analysten sehen Nemetschek hier auch gut aufgestellt, um vom Hype-Thema "Metaverse" zu profitieren, also der Virtualisierung vieler Abläufe in Beruf und Freizeit. Allerdings ist die Fantasie der Anleger rund um das "Metaverse" in jüngster Zeit wie für Technologie-Aktien insgesamt etwas abgekühlt. Nemetschek hat die Sparte zuletzt durch eine Übernahme und Investitionen in Start-Ups gestärkt. Padrines sieht in den Feldern Künstliche Intelligenz, bei sogenannten Digitalen Zwillingen in der Design- und Produktplanung sowie bei maschinellem Lernen und virtueller Realität große Wachstumschancen.
Nemetschek verlegt sich wie in der Softwarebranche üblich mehr und mehr auf Abonnements der Kunden, die dann für die Nutzung von Software bezahlen und nicht mehr für Lizenzen. Das soll die Kundenbindung stärken und die Geschäfte planbarer machen - mittelfristig aber auch mehr Gewinn abwerfen. Der Anteil der wiederkehrenden Umsätze, zu denen auch Serviceverträge zählen, stieg im vergangenen Jahr auf gut 61 Prozent. Im zweiten Halbjahr 2022 steht in der Build-Sparte bei der wichtigen Marke Bluebeam die Umstellung auf Abonnement- und Cloudverträge an./men/jcf/eas
Quelle: dpa-AFX