BERLIN (dpa-AFX) - Nach dem mutmaßlichen Milliardenbetrug beim Zahlungsdienstleister Wirecard
Die zentralen Inhalte des Plans wurden der Deutschen Presse-Agentur in Koalitionskreisen bestätigt. Der Aktionsplan ist dem Vernehmen nach innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt. Das Finanzministerium wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben.
Der inzwischen insolvente Dax
Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss, falls die Bundesregierung aus ihrer Sicht nicht ausreichend zur Aufklärung der Vorgänge rund um Wirecard beiträgt. Gerade für Scholz, der als möglicher SPD-Kanzlerkandidat gilt, könnte dies unangenehm werden. Am kommenden Mittwoch stellen sich Scholz sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei einer Sondersitzung des Finanzausschusses Fragen der Abgeordneten.
Der Finanzminister hatte bereits Reformen bei der Bilanzkontrolle sowie einen Aktionsplan angekündigt. Er hatte Ende Juni betont, der Staat müsse in der Lage sein, "komplizierte internationale Firmenkonstrukte wie Wirecard" effizienter und wirksamer zu kontrollieren. Sollten rechtliche, gesetzgeberische oder regulatorische Maßnahmen nötig werden, werde man sie ergreifen.
Laut Zeitung will Scholz nun die erforderlichen Konsequenzen ziehen, um das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt dauerhaft zu stärken. Er wolle die "Regeln nachschärfen, damit sich derartige Fälle möglichst nicht wiederholen".
Der Plan sieht laut Zeitung konkret vor, dass der Staat künftig über die Finanzaufsicht Bafin bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei Unternehmen wie Banken, Versicherungen und Zahlungsdienstleistern schnell und direkt eingreifen und Sonderermittler einsetzen kann. Das bisherige zweistufige System bei der Bilanzkontrolle solle abgeschafft werden. Es solle auch untersucht werden, wie Hinweise von "Whistleblowern" stärker genutzt und wie Anreize für Hinweisgeber verbessert werden können.
Der Reformplan für die Finanzaufsicht sieht laut Zeitung auch vor, Anleger besser zu schützen. Um Betriebsblindheit zu vermeiden, sollten Bilanzprüfer von Unternehmen, die mit gelisteten Wertpapieren arbeiten, künftig alle zehn Jahre ausgetauscht werden. Außerdem sollten Beratung und Kontrolle schärfer getrennt werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Verfehlungen sollen außerdem schneller und strenger geahndet werden, so die Zeitung. Die zivilrechtliche Haftung von Abschlussprüfern solle überprüft werden.
Der Betrugsskandal beim Dax-Konzern Wirecard hatte am Mittwoch eine neue Dimension erreicht. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von "gewerbsmäßigen Bandenbetrug" seit 2015 aus, mehr als drei Milliarden Euro könnten verloren sein. Ex-Vorstandschef Markus Braun wurde zum zweiten Mal innerhalb eines Monats in Untersuchungshaft genommen - und anders als Ende Juni auch nicht mehr gegen Millionenkaution auf freien Fuß gesetzt.
Ebenfalls mit Haftbefehl hinter Gittern sitzen nun der frühere Finanzvorstand Burkhard Ley und der ehemalige Chef der Buchhaltung. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft laufen darauf hinaus, dass der Dax-Konzern womöglich seit 2015 von einer kriminellen Bande geführt wurde - ein in der Geschichte der deutschen Börsen-Oberliga noch nicht da gewesener Vorgang.
Die Anlegermeinschaft SdK forderte rückhaltlose Aufklärung des Skandals - inklusive der Rolle der Staatsanwaltschaft. "Es ist dringend notwendig, dass der Sachverhalt und auch das Agieren der Bafin und der Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren aufgearbeitet wird und einer externen Untersuchung unterzogen wird", sagte SdK-Vorstandsvorsitzender Daniel Bauer am Donnerstag.
"Dass sich die Organe von Wirecard trotz der gravierenden Vorwürfe so leicht Zugang zu politischen Eliten im Lande verschaffen konnten, ist aus unserer Sicht beängstigend." Es müsse auch geklärt werden, ob eventuell auch von politischer Seite in der Vergangenheit Einfluss auf die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und auf die Staatsanwaltschaft genommen wurde./bvi/DP/he
Quelle: dpa-AFX