BERLIN (dpa-AFX) - Mehr als ein Jahr vor der spektakulären Wirecard
Die Bayerische Landesbank entschied demnach 2018 aus einem gemeinsamen Kredit mehrerer Banken auszusteigen - rund zwei Jahre bevor der gewaltige Bilanzskandal im Sommer 2020 aufflog. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Kredit gerade aufgestockt werden - da ging man nicht mit. "Im Zentrum dieser Überlegungen stand: Wenn wir 150 Millionen Euro oder mehr aus der Hand geben, dann nur, wenn wir wirklich den Kunden sehr, sehr gut verstehen", sagte der Risikovorstand. Man habe Wirecard zu diesem Zeitpunkt aber schlicht zu kurz, nämlich erst zwei Jahre gekannt. Zugleich seien wichtige Fragen zum Geschäftsmodell und der komplexen Bilanzstruktur des aufstrebenden Fintechs offen geblieben.
Der Commerzbank-Manager berichtete, bei ihnen sei im Frühjahr 2019 die Entscheidung zu einem "soft exit", also einem schrittweisen Ausstieg aus der Kreditbeziehung, gefallen. Gründe seien ein Geldwäscheverdacht und Zweifel an Wirecard-Geschäften in Südostasien gewesen. Wirecard habe zugesagt, dass die Commerzbank binnen eines Jahres abgelöst werden sollte. Dadurch sei zumindest ein Teil des Schadens noch verhindert worden. "Kreditausfälle gehören einfach zum Geschäft einer Bank", sagte der Risikovorstand. Die Commerzbank habe "extrem sorgfältig gearbeitet".
Der Grünen-Abgeordnte Danyal Bayaz erklärte, besonders das Beispiel der Bayerischen Landesbank zeige, "dass sich die Risiken eines unverständlichen Geschäftsmodells und Bilanzungereimtheiten mit gründlichem Blick sehr wohl erkennen ließen". Andere, auch renommierte deutsche Banken seien Wirecard dagegen fahrlässig auf den Leim gegangen, da sie nicht tief genug geprüft hätten.
Ein Bankenkonsortium hatte Wirecard Kredite in Gesamthöhe von bis zu 1,75 Milliarden Euro eingeräumt. Die Commerzbank war daran mit bis zu 200 Millionen beteiligt. Die Bayerische Landesbank war bereits ausgestiegen, als der Kredit im Jahr 2018 aufgestockt wurde. Bis dahin hielt sie eine kleinere Tranche von 60 Millionen Euro.
Es habe Vorwürfe und Zeitungsberichte gegen Wirecard gegeben, die Anlass für eine genaue Prüfung des Unternehmens gegeben hätten, sagte der Commerzbank-Vorstand. Im Frühjahr 2019 sei eine Geldwäsche-Verdachtsmeldung eingereicht worden, auf die die zuständige Behörde ihm gegenüber nicht reagiert habe. Die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin bewertete Wirecard im Jahr 2019 noch als aufstrebendes Unternehmen. Kanzlerin Angela Merkel setzte sich im selben Jahr während einer Chinareise noch für die Expansionspläne von Wirecard ein.
Im Sommer 2020 räumte der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern Wirecard dann Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro ein. Über Jahre soll das Unternehmen Scheingewinne ausgewiesen haben. Laut Staatsanwaltschaft könnte es insgesamt um rund drei Milliarden Euro gehen. Die Firma saß als Dienstleister für bargeldlose Zahlungen an der Schnittstelle zwischen Händlern und Kreditkartenfirmen./tam/DP/he
Quelle: dpa-AFX