DARMSTADT (dpa-AFX) - Beim Dax-Konzern Merck KGaA
Auch Oschmann hatte zum letzten Kapitalmarkttag des Unternehmens im vergangenen Herbst angekündigt, dass der Konzern ab dem kommenden Jahr wahrscheinlich sein Geschäftsportfolio durch gezielte kleinere bis mittelgroße Übernahmen ergänze - bis 2022 sollte aber der Schuldenabbau Priorität haben.
Die Spanierin Garijo wird mit dem Antritt die erste Frau, die allein ein Dax
Die Laborsparte habe im vergangen Jahr nicht zuletzt dank der Pandemie floriert. Mit Kunden wie Biotechunternehmen und aus der Forschung "stehen wir ganz vorne" im Kampf gegen das Virus, so Garijo. Im Pharmageschäft mache Merck Fortschritte mit seiner Biopharma-Pipeline. Der Unternehmensbereich Electronics bediene den aktuell forcierten Digitalisierungstrend. "Wir haben in dieser Pandemie gesehen, wie schlagkräftig Wissenschaft und Technologie sein können. Und in dieser Hinsicht halte ich Merck gut für weiteres Wachstum positioniert."
Dabei werde die Geschäftsleitung weiterhin ein "sehr aktives" Portfoliomanagement betreiben mit dem Fokus darauf, "ein sehr gut ausbalanciertes breites Angebot" zu haben, unterstrich die studierte Medizinerin. Damit dürfte Garijo das Augenmerk auf lukrative Projekte legen - während andere womöglich gestrichen werden könnten. In diesem Sinne war Garijo bereits als langjährige Chefin der Pharmasparte von Merck verfahren.
"Die Transformation von Unternehmen ist eine nie endende Reise", so Garijo. Merck setze auf technologische Megatrends und organisches Wachstum, werde aber auch weiter dort mitmischen, wo sich Chancen böten, um Mercks Gewinne langfristig und nachhaltig zu steigern.
Als Beispiel nannte sie die mRNA-Technologie, auf der etwa der Corona-Impfstoff von Biontech
Darüber hinaus hat der Konzern bereits im Januar die Übernahme des mRNA-Auftragsherstellers und -entwickler Amptec aus Hamburg verkündet. Und den französischen Standort Molsheim erweiterte Merck kürzlich um eine neue Montageeinheit für Einwegmaterialien, die unter anderem von den Impfstoffherstellern benötigt werden. Damit reagiert der Dax-Konzern auch auf deren in der Pandemie rasant gestiegene Nachfrage. Insgesamt beliefere Merck mehr als 50 Impfprojekte zum Corona-Virus, sagte Garijo. Konkrete Namen nannte sie nicht, doch es dürften auch andere namhafte Vakzinhersteller darunter sein. Selbst in die Impfstoffproduktion einzusteigen, plane Merck aber nicht.
Garijo war 2011 vom französischen Pharmakonzern Sanofi
Offen ließ Garijo im Gespräch, ob sie bereits konkrete Umbauprojekte für den gesamten Merck-Konzern vor Augen habe. Schon in Kürze wolle sich die neu formierte Geschäftsleitung auf eine "Priorisierung" und die detaillierte strategische Agenda für die Zukunft einigen, sagte die neue Konzernlenkerin.
Merck hat Peter Guenter als Garijos Nachfolger an der Spitze des Unternehmensbereichs Healthcare berufen. Life Science wird von Matthias Heinzel geleitet, nachdem der frühere Spartenchef Udit Batra den Konzern im vergangenen Sommer verlassen hatte. Auch Batra waren Ambitionen auf den Spitzenjob bei Merck nachgesagt worden. Die umsatzmäßig kleinste Sparte Electronics wird weiterhin von Kai Beckmann geführt.
Seinen vorerst letzten großen Zukauf hatte Merck in der Sparte für Spezialmaterialien getätigt. Als asiatische Konkurrenz den Südhessen vor einigen Jahren im Flüssigkristallgeschäft Boden streitig machte, leitete die Geschäftsleitung um Oschmann auch dort einen Strategiewechsel ein. Dafür übernahm Merck 2019 den US-Halbleiterzulieferer Versum Materials für rund 5,8 Milliarden Euro und kaufte zudem den kalifornischen Materialspezialisten Intermolecular. Der kleinste Unternehmensbereich konzentriert sich nunmehr auf Halbleitermaterialien und Display-Lösungen und bedient die Elektronikindustrie.
Der Erfolg gab dem Management Recht: Nach einer Schwächephase konnte die Sparte dank der Versum-Akquisition und anziehender Halbleitergeschäfte im vergangenen Jahr den Umsatz und ihr bereinigtes operatives Ergebnis kräftig steigern.
Die hohe Übernahmetätigkeit bei Merck lief bereits unter Oschmanns Vorgänger Karl-Ludwig Kley. Seit 2007 hat der Konzern fast 50 Milliarden Euro durch Zukäufe und Verkäufe bewegt, etwa durch die Übernahme des Schweizer Biotechnologie-Unternehmens Serono und Millipore aus den USA. 2015 verleibte der Konzern im bisher teuersten Zukauf der mehr als 350-jährigen Unternehmensgeschichte für 17 Milliarden Dollar (damals rund 13 Milliarden Euro) den US-Laborausrüster Sigma Aldrich ein. Von dieser Übernahme profitiert Merck noch heute - das brummende Laborgeschäft war 2020 der wichtigste Gewinntreiber der Dax-Firma./tav/nas/fba
--- Interview: Tanja Vedder, dpa-AFX und Alexander Sturm, dpa ---
Quelle: dpa-AFX