STUTTGART (dpa-AFX) - Der Autobauer Mercedes-Benz
Das Papier verlor nach Handelsbeginn als Schlusslicht im Dax
Der Einschnitt sei größer als derjenige von BMW neulich, urteilte UBS-Analyst Patrick Hummel. Bei den Bayern hatte zudem ein großer Rückruf das Ergebnis belastet. Dass Mercedes auch ohne einen solchen die Ziele so stark einstampfte, werfe Fragen hinsichtlich der grundlegenden Profitabilität auf, so Hummel. Der Experte sah wegen der niedrigeren Gewinne auch die Ausschüttungen an die Aktionäre unter Druck. Für seine ausgeweitete Ausschüttungspolitik über Dividenden und Aktienrückkäufe war das Management von den Anlegern im Frühjahr noch gefeiert worden.
Nun kommt den Schwaben aber die teils miese wirtschaftliche Lage in die Quere. In China läuft es schon länger nicht mehr rund, weil die wohlhabenden Kunden in der Volksrepublik angesichts der Immobilienkrise im Land für den Autokauf weniger tief in die Tasche greifen. China ist der wichtigste Markt für Mercedes. In diesem Jahr dürfte der Absatz der besonders lukrativen Top-End-Modelle weltweit spürbar unter 300.000 Autos bleiben, sagte Finanzchef Harald Wilhelm in einer Videokonferenz mit Analysten. Vergangenes Jahr hatte Mercedes von Modellen wie der S-Klasse, der Luxus-Submarke Maybach und der Tuningmarke AMG 328.200 Stück abgesetzt.
"Ich weiß nicht, wie lang die Situation in China so bleibt", räumte Vorstandschef Ola Källenius ein. Die Klientel in China sei derzeit "sehr vorsichtig, um es diplomatisch auszudrücken". Zwar schienen die Zinsen in vielen Regionen der Welt wieder auf dem absteigenden Ast. Zinssenkungen hätten aber nur einen verzögerten Effekt auf die Kaufbereitschaft der Kunden. Eine hohe Inflation und stark steigende Zinsen in den beiden vergangenen Jahren hatten Firmen und Verbrauchern den Autokauf zuletzt madig gemacht. Der Konzern bleibe vorsichtig, was die konjunkturelle Lage angehe, insbesondere in China, sagte Källenius.
Mercedes rechnet jetzt beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) dieses Jahr mit einem deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 19,7 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am späten Vorabend mitteilte. Bislang hatte der Vorstand einen leichten Rückgang erwartet.
Bei der am Aktienmarkt meistbeachteten Finanzkennziffer, der um Sondereffekte bereinigten operativen Marge im Pkw-Geschäft, traut sich das Management nur noch 7,5 bis 8,5 Prozent Umsatzrendite zu. Erst im Juli hatte der Vorstand die Zielspanne auf 10 bis 11 Prozent gesenkt, dabei aber noch auf ein stärkeres zweites Halbjahr gehofft. Im vergangenen Jahr war die Marge bereits um 2 Prozentpunkte auf 12,6 Prozent geschrumpft.
Die Hoffnungen zerschlugen sich aber mehr und mehr. In China habe sich die nachlassende Dynamik auf den Gesamtabsatz ausgewirkt, einschließlich der Verkäufe im hochpreisigen Segment, hieß es. Insgesamt geht Mercedes-Benz davon aus, dass der Absatzmix im zweiten Halbjahr unverändert gegenüber dem ersten Halbjahr bleiben dürfte und somit schwächer ausfalle als ursprünglich erwartet.
Im zweiten Halbjahr rechnet Källenius nur noch mit einer bereinigten operativen Pkw-Marge von um die 6 Prozent. Darin sind Sonderbelastungen aus Bewertungssachverhalten von rund einem Prozentpunkt enthalten. Diese Sonderkosten dürften zum einen für die derzeit nur schwach nachgefragten Elektroantriebe anfallen, weil sie länger brauchen, um verkauft zu werden und den Vorratsbestand erhöhen, sagte Finanzchef Wilhelm. Außerdem fielen in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation Zusatzkosten bei Lieferanten und Händlern für Forderungen und Verbindlichkeiten an.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Marktforscher CAR (Center Automotive Research) konstatierte, dass China bei allen deutschen Autobauern immer stärker zur größten Belastungsprobe der letzten 50 Jahre werde. In der Volksrepublik laufe ohne die NEV (new energy vehicles) genannten Elektroautos nichts. Gerade hier hätten Deutschland und Europa den Anschluss verpasst. In China seien mittlerweile mehr als die Hälfte der verkauften Autos Elektroautos.
"Für die deutschen Autobauer kann daher nur die Devise lauten, noch stärker mit Direktinvestitionen in China die Entwicklungszentren und Produktion für Elektroautos in China auf- und auszubauen", mahnte Dudenhöffer.
Den freien Mittelfluss des Industriegeschäfts sieht Mercedes-Benz 2024 ebenfalls deutlich unter dem Vorjahreswert von 11,3 Milliarden Euro. Auch hier hatte das Unternehmen bisher lediglich einen leichten Rückgang erwartet.
Die Kennzahl spielt für Anleger eine besondere Rolle: Sollten nach der angepeilten Dividendenausschüttung von rund 40 Prozent des Nettogewinns und nach möglichen kleineren Übernahmen noch freie Finanzmittel aus einem Jahr übrig sein, will Mercedes diese regelmäßig in Aktienrückkäufe stecken. Die sorgen tendenziell über einen höheren Gewinnanteil je Aktie für Kursaufschläge und sind daher bei Investoren beliebt. Kritiker dieser Art von Geldausschüttung monieren allerdings, dass damit Investitionen ins künftige Geschäft zu kurz kommen könnten.
Finanzchef Wilhelm beteuerte, dass die Regeln für Dividenden und Aktienrückkäufe bestehen blieben. Das Management wolle sich auch auf der kommenden Hauptversammlung wieder vorsorglich Aktienrückkäufe im üblichen Umfang von den Aktionären genehmigen lassen. Gleichzeitig stellte er angesichts der schwächer erwarteten Finanzströme als Trostpflaster eine etwas erhöhte Ausschüttungsquote von diesmal über 40 Prozent in Aussicht. Hier sei man flexibel.
Seine Prognosen für die bereinigte Umsatzrendite von Mercedes-Benz Vans ließ der Konzern ebenso unangetastet wie für die bereinigte Eigenkapitalrendite von Mercedes-Benz Mobility, dem Finanzdienstleistungs- und Mobilitätsgeschäft./men/nas/stw/stk
Quelle: dpa-AFX