BERLIN (dpa-AFX) - Die schwarz-rote Koalition hat sich auf milliardenschwere Entlastungen der Verbraucher bei den Strompreisen geeinigt. Dazu soll die Ökostromumlage auch 2023 und 2024 mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt stabilisiert werden, wie die Verhandlungsführer von Union und SPD am Donnerstag mitteilten. Vereinbart wurden außerdem für das Jahr 2022 zusätzliche Ausschreibungsmengen für die Windenergie an Land sowie für Photovoltaik.
Die EEG-Umlage ist ein wesentlicher Bestandteil der Stromrechnung. Damit die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht drastisch steigt, hatte die Bundesregierung die Umlage für die Jahre 2021 und 2022 mit milliardenschweren Steuergeldern aus dem Haushalt stabilisiert. Die Umlage liegt dadurch 2021 bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde und 2022 bei 6 Cent.
In den Jahren danach sei es möglich, die Umlage auf unter 5 Cent pro Kilowattstunde zu senken, heißt es in einem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Dazu sollen Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel für Wärme und Verkehr und nicht abgerufene Mittel aus dem Energie- und Klimafonds verwendet werden. Ziel ist es, Bürger und Unternehmen zu entlasten. Vor allem die Wirtschaft beklagt die im EU-Vergleich hohen Strompreise in Deutschland.
Nach einer ersten Berechnung des Verbraucherportals Check24 würde eine Senkung der EEG-Umlage auf 5 Cent für eine Familie mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden eine Entlastung von rund 89 Euro im Jahr im Vergleich zu heute bedeuten, für einen Single eine Entlastung um rund 27 Euro.
Die Einigung in der Koalition sieht außerdem vor, dass es im Jahr 2022 zusätzliche Ausschreibungsmengen für die Windenergie an Land von 1,1 Gigawatt geben soll und für die Photovoltaik von 4,1 Gigawatt. Zudem sollen Genehmigungsverfahren im Bundesimmissionsschutzgesetz erleichtert werden.
Vor allem der Ausbau von Windrädern an Land war ins Stocken geraten. Als Hauptgründe sieht die Branche lange Genehmigungsverfahren, fehlende Flächen und viele Klagen.
Die Koalition hatte im Zuge der Ende 2020 beschlossenen EEG-Novelle vereinbart, im ersten Quartal 2021 einen weitergehenden Ausbaupfad für die erneuerbaren Energien zu definieren. Bei den Verhandlungen gab es aber Verzögerungen. Auf grundlegend höhere Ausbauziele beim Ökostrom konnte sich die Koalition außerdem nicht einigen. Ziel ist bisher ein Anteil von 65 Prozent Ökostrom bis 2030. Im vergangenen Jahr hatten die erneuerbaren Energien laut Branchenangaben einen Anteil von 46 Prozent am Stromverbrauch.
Die Frage ist, ob das geltende Ziel für 2030 ausreicht. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz, der Kohleausstieg ist bis spätestens 2038 geplant. Außerdem wird in den kommenden Jahren aus Sicht vieler Experten deutlich mehr Ökostrom benötigt - etwa für die Elektromobilität sowie grünen Wasserstoff.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die weitere Absenkung der EEG-Umlage eine gute Nachricht für die Verbraucher, aber auch für den systematischen ökologischen Umbau. "Denn so werden klimafreundliche Alternativen wie Elektroautos und Wärmepumpen immer günstiger." Die neuen Ausbauziele für 2022 seien ein wichtiger erster Schritt - dem aber ein deutlich erhöhter Ausbaupfad für den Rest des Jahrzehnts folgen müsse.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte: "Hinsichtlich längerfristiger Festlegungen zu den Ausbaupfaden und Änderungen im Baurecht gingen die Meinungen zu weit auseinander." Es sei dennoch gelungen, für die nahe Zukunft wichtige Impulse für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren zu setzen.
Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) sprach von weiteren wichtigen Schritten, um den Erneuerbaren-Ausbau voranzubringen und gleichzeitig Privathaushalte und Wirtschaft zu entlasten. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte auch mit Blick auf die Verständigung in der EU auf ein höheres Klimaziel für 2030, das Thema Klimaschutz nehme Fahrt auf. Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte, es werde sichergestellt, dass die Verbraucher nicht stärker belastet würden, indem die EEG-Umlage über 2022 hinaus stabilisiert werde. Ebenso entscheidend sei aber auch die Mobilisierung weiterer Flächen rund um Funknavigationsanlagen für die Windkraft.
Der Bundesverband Windenergie sprach von einem wichtigen Signal an die Branche. Die neuen klimapolitischen Beschlüsse aus Brüssel müssten aber noch aufgegriffen werden. Die Grünen kritisierten, die Koalition habe sich nur auf ein "Minimum an notwendigen Korrekturen" einigen können. Die Koalition bleibe erneut weit hinter dem Möglichen und Nötigen in Sachen Energiewende zurück. Der Chef des Stadtwerkeverbandes VKU, Ingbert Liebing, kommentierte: "Im Ergebnis sind das gute Korrekturen für die unmittelbare Zukunft. Die großen Entscheidungen werden aber in die kommende Wahlperiode verschoben." Notwendig wäre eine kontinuierliche Anhebung der Ausbaumengen./hoe/DP/nas
Quelle: dpa-AFX